Süddeutsche Zeitung

Egenhofen:Regional, saisonal, solidarisch

Das Kartoffelkombinat will mit Gemüse nicht Gewinn erzielen, sondern das Gemeinwohl steigern

Von Ingrid Hügenell, Egenhofen

Kohlrabi, Spinat und Salat stehen in Reihen im Gewächshaus. Dazwischen sprießen Hirtentäschel, Gras und andere Pflanzen, die die meisten Gärtner als Unkraut sofort jäten würden. Aurelia Fellbrich sieht die Sache entspannter. Die 51-Jährige ist Zierpflanzengärtnerin, hat Gartenbau studiert und ist beim Kartoffelkombinat für die Gewächshäuser zuständig. Die Unkräuter, sagt sie, zögen Nützlinge in die Gewächshäuser: Vögel, die Schädlinge fressen, manche sogar Schnecken. Marienkäfer und Florfliegen, deren Larven sich von Blattläusen ernähren. Hummeln für die Bestäubung. Zwischen den beiden Gewächshäusern hat sie Pflanzen gesät, die gut sind für Nützlinge. Auch im Freiland sprießen Wildkräuter.

Das Kartoffelkombinat, eine Genossenschaft, geht einen anderen Weg als andere Lebensmittelproduzenten. Die Erzeugnisse müssen nicht auf dem Markt bestehen, sie gelangen nicht einmal in den Handel. Es gibt keinen Hofladen, gar keinen Verkauf in Läden. "Lebensmittel sollen keine Ware sein, sondern ein Bedarfsgut", erklärt Benjamin Schöpf. Es soll nicht Gewinn erwirtschaftet, sondern das Gemeinwohl erhöht werden. Das Kartoffelkombinat stellt das existierende "Wirtschaftskonstrukt" mit dem ewigen Preisdruck in der Lebensmittelerzeugung infrage.

Der 36-jährige Schöpf hat eine Ausbildung im ökologischen Landbau und war davor zehn Jahre lang Informatiker. Nun ist er bei Kartoffelkombinat für den Freilandanbau zuständig. Das Kombinat verfolgt auch die Idee der solidarischen Landwirtschaft. Die Mitglieder, etwa 1800 sind es derzeit, finanzieren mit ihren Einlagen und den monatlichen Gebühren von etwa 75 Euro den Anbau vor. 2017 haben sie gemeinschaftlich den sieben Hektar großen Hof gekauft, auf dem nun nach und nach immer mehr produziert wird. "Ziel ist der Aufbau einer gemeinwohlorientierten Struktur für die regionale, saisonale Lebensmittelversorgung", heißt es auf der Homepage. Gewirtschaftet wird auf dem Hof in Spielberg in der Gemeinde Egenhofen ökologisch, aber auch fair. Alle Mitarbeiter werden so bezahlt, dass sie davon leben können, auch im Winter, wenn es wenig zu tun gibt. Arbeitsbedingungen und Bezahlung seien im Gemüsebau sonst schlecht, erklärt Fellbrich. "Es will keiner mehr die Ausbildung machen. Viele Betriebe finden keine Leute mehr." Schöpf sagt: "Die Arbeit ist dreckig, es ist nass, kalt oder viel zu heiß. Es hat aber auch was, jeden Tag draußen zu arbeiten."

Die "Kartoffelgenossen" bekommen einmal wöchentlich eine Gemüsekiste, die schließlich zu etwa 80 Prozent mit eigenen Erzeugnissen befüllt werden soll. Der Rest kommt von Partnerbetrieben aus der Region. Die Kiste ist also ökologisch, regional, saisonal und fair. Billig ist sie nicht. "Teurer können Sie Gemüse nicht kaufen", sagt Daniel Überall, einer der Gründer des Kartoffelkombinats, gerne bei Hofführungen. Wer beim Kartoffelkombinat einsteigt, ist von der Idee überzeugt.

Schöpf plant, eine siebenjährige Fruchtfolge aufzubauen: Auf fünf Jahre Anbau verschiedener Feldfrüchte folgen zwei Jahre Pause, in denen Kleegras eingesät wird und sich der Boden erholen kann. Mit dem Schnitt des Kleegrases werden bestimmte Kulturen gemulcht, etwa Zucchini. Der Mulch verhindert Unkraut und liefert Nährstoffe. Schöpf nimmt auch Folie, um den Boden warm zu halten und Unkraut zu unterdrücken. Die Unkrautbekämpfung erfolgt mechanisch, mit der Hacke.

Wichtige Dünger sind Ackerbohnenschrot und Gärsubstrat. Hornspäne nimmt Schöpf nicht, wegen der Bedingungen, unter denen sie hergestellt werden. "Es wird in der Genossenschaft über das Pro und Contra von tierischem Dünger diskutiert", sagt er. "Wir haben uns offen gehalten, Pferdemist zu verwenden."

Die Gärtnerei verfügt über Maschinen, etwa zum Düngerstreuen, kooperiert mit Bauern wie beim Legen der Kartoffeln in dieser. Vieles muss im Gemüseanbau aber von Hand erledigt werden. Das übernehmen beim Kartoffelkombinat nicht schlecht bezahlte Saisonarbeitskräfte, sondern die Mitglieder. Sie kommen zum Einsatz, wenn 3000 Tomatenpflanzen auf einmal eingesetzt und angebunden oder wenn die Roten Rüben geerntet werden müssen, erklärt Aurelia Fellbrich. Im Gemüseanbau gebe es immer wieder Stoßzeiten, in denen kurzfristig viele Hände gebraucht werden.

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Quelle:
SZ vom 13.04.2019
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