Egenhofen/Emmering:Verschlossene Bücher und Unterschlupf in Notzeiten

Zwei Funde aus dem späten Mittelalter geben Einblicke in den Bildungsgrad und die Gefährdung der Menschen

Von Ingrid Hügenell, Egenhofen/Emmering

Überall im Brucker Land sind unter der Erde Schätze verborgen, die viel über die Entwicklung des Landkreises und der menschlichen Zivilisation erzählen. Mit seiner weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekannten archäologischen Abteilung schafft es der Historische Verein, dass diese Schätze geborgen, erforscht und erhalten werden. In einer Ausstellung im Landratsamt präsentiert der Verein mindestens ein für jeden Ort bedeutendes Fundstück. In einer SZ-Serie werden alle Ausstellungsstücke vorgestellt, an diesem Samstag die beiden letzten.

Im Mittelalter konnten nur wenige Menschen lesen und schreiben, häufig konnten das nicht einmal Könige. Kleriker und Schreiber erledigten entsprechende Aufgaben, doch selbst Klosterbibliotheken bestanden meist nur aus ein paar Dutzend Büchern. Erst mit der massenhaften Verbreitung der Lutherbibel wuchs die Lesekompetenz. Die Bücher, die es bis zum Ende des 15. Jahrhunderts gab, hatten meist Einbände aus Holz, und sie wurden liegend gelagert. Wegen der Bindetechnik öffneten sie sich nach einer gewissen Zeit von selbst, so konnten Staub, Wasser, Schmutz und Licht auf die Seiten gelangen. Das verhinderten Buchschließen aus Metall. Bücher mit wichtigem Inhalt hatten manchmal sogar abschließbare Schließen oder Schlösser.

Buchschließe

Bei diesem Objekt handelt es sich um eine Buchschließe.

(Foto: oh)

Eine Buchschließe mit Öse wurde in Wenigmünchen (Gemeinde Egenhofen) gefunden, sie ist aus Metall und mit Punzen verziert. Zuerst dachte man, das Metallstück sein bronzezeitlich, doch aufgrund von Machart und Verzierung wurde schnell klar, dass es aus dem Mittelalter oder sogar der frühen Neuzeit stammt. Als wahrscheinlich erscheint eine Datierung aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Das Buch, das durch die Schließe gehalten wurde, gehörte wahrscheinlich einem Kloster oder einem Schloss. Egenhofen hatte seit dem Ende des 12. Jahrhunderts eine Art Burg oder Veste, die der ritterlichen Familie von Eisenhofen gehörte. 1409 wurde die Burg mit allem, was dazu gehörte, an die bayerischen Herzöge übergeben und von einem Pfleger verwaltet. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gingen die Hofmarkrechte an die Hundt zu Lauterbach über. Womöglich hat auch ein Verwalter der Familie Hundt die Buchschließe verloren.

Gar nicht so mysteriös

Erdställe werden gerne als "geheimnisvoll" bezeichnet. Für Bernd Päffgen, Vor- und Frühgeschichtler an der Universität München, sind sie das aber gar nicht. "In der Fachwissenschaft ist akzeptiert, dass es sich um unterirdische Gang- und Kammersysteme handelt, die in Krisenzeiten genutzt wurden, um sich selbst und seine Kostbarkeiten zu verstecken." Diese Anlagen fänden sich im Kontext von Burganlagen, Klöstern und Kirchen. Beim Gut Roggenstein, das im Zwickeln zwischen Emmering, Eichenau und Olching liegt, wurde 1964 eine solche Erdstallanlage entdeckt, als eine Seite des Burgbergs abrutschte. Darin fanden sich die Reste typischer spätmittelalterlicher Keramik, die in der Ausstellung gezeigt werden. Eine Bodenscherbe fand wohl als Fragment eine zweite Verwendung als Feuerschälchen. Die Scherben waren ursprünglich dunkelgrau, haben sich aber im Boden gelblich verfärbt.

Die Aushöhlungen im Erdreich und die unterirdischen Gänge waren ohne Absicherung in den Boden gegraben worden. Sie sind etwa einen Meter breit, zwei Meter hoch, die Decke ist spitzgiebelig. Sie wurden mit einfachsten Mitteln aus dem feuchten Sand des Burgbergs herausgeschabt. Die Wände rutschten leicht ab, der Aufenthalt darin war also nicht ungefährlich. Auf beiden Seiten des Gangs sind, paarweise gegenüberliegend angeordnet, Nischen eingegraben, die ebenfalls spitz zulaufen. Der erste Gang führte über einen Sockel in ein weiteres, sechs Meter langes Gangsystem, an dessen Ende vier nach oben führende Stufen eingehauen sind. Danach ist alles verschüttet.

Gefäßboden

Die Keramikfragmente wurden in einem Erdstall bei Gut Roggenstein entdeckt.

(Foto: Hajo Dickmann/oh)

Ausstellung Bodenschätze, Landratsamt Fürstenfeldbruck, 2. bis 27. September, werktags von 9 bis 18 Uhr. Am Sonntag, 8. September, von 11 bis 16 Uhr stündlich kostenlose Führungen.

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