Süddeutsche Zeitung

Diskussion um Kunstwerk:Problematische Bildsprache

In Gröbenzell soll ein Plakat für die Ideen von Fairtrade werben. Allerdings entwickelt sich in den sozialen Netzwerken eine hitzige Diskussion über das Motiv. Die Verantwortlichen zeigen sich überrascht

Von Florian J. Haamann, Gröbenzell

Mit so einer Reaktion hat man beim Gröbenzeller Arbeitskreis "Fairer Handel" sicher nicht gerechnet. Vergangene Woche hat man dort ein Gemälde vorgestellt, dass beispielhaft die Ideen der Fairtrade-Bewegung symbolisieren soll. Doch nun wird im Internet hitzig über das gewählte Motiv und seine Aussage debattiert. Denn das Gemälde, das an einem Bürogebäude in der Bahnhofsstraße zu sehen ist, zeigt ein junges Mädchen, das vor einem vollen Korb mit Kaffeekirschen kniet und den Betrachter anlacht, während es weitere Früchte von einem Zweig streift. Daneben ist eine dampfende Tasse Kaffee zu sehen.

Kritisiert wird in einer Diskussion bei Facebook vor allem, dass das Bild ein arbeitendes Mädchen zeigt. So fragt der Linken-Politiker und ehemalige Brucker Stadtrat Axel Lämmle "Steht Fairtrade nicht eigentlich dafür, dass Kinder gerade nicht arbeiten müssen?"; und ein anderer User schreibt: "Das ist schon ein arges Schmankerl: Ein Fairtrade Poster mit einem glücklich arbeitenden Kind! Kannste fast nicht erfinden ..." Zudem ergänzt Lämmle, dass er finde, dass das Bild an den "Sarroti-Mohr" angelehnt sei und damit rassistische Stereotype bediene. Aber es gibt auch Stimmen, die das Bild verteidigen. "Ich sehe es eher so, dass sich das junge Mädchen freut, dass es für ehrliche Arbeit auch einen ehrlichen Lohn gibt. Und sich das Mädchen auch darüber freut, dass sie jetzt nicht mehr arbeiten muss, sondern etwas für ihre Bildung machen kann." Und ein weiterer Kommentator meint, "Wahnsinn, was in ein Bild reininterpretiert werden kann. Ich sehe dort kein arbeitendes afrikanisches Kind. Ich sehe einen jungen Menschen, der [...]vor einem Korb mit Kirschen sitzt."

Joachim Niehoff vom Arbeitskreis "Fairer Handel" zeigt sich von der Kritik überrascht. Zumal das Bild schon im vergangenen Sommer öffentlich präsentiert wurde. "Da kamen überhaupt keine Reaktionen in diese Richtung, das scheint sich erst jetzt zu entwickeln, nachdem das Bild hängt, auch in der Steuerungsgruppe stand das nie zur Debatte." Persönlich könne er die Kritik nicht nachvollziehen, aber dennoch müsse man im Arbeitskreis darüber diskutieren. "Wenn der Einspruch wirklich zu groß wird, dann müssen wir auch darüber nachdenken, das Bild abzuhängen, denn das würde ja weder der Idee noch der Künstlerin helfen", sagt Niehoff.

Gröbenzell war die erste Kommune im Landkreis, die offiziell den Titel "Fairtrade Gemeinde" verliehen bekommen hat, knapp fünf Jahre ist das nun her. Mittlerweile sind noch Fürstenfeldbruck, Germering, Puchheim und zuletzt im vergangenen Juli Olching dazu gekommen. Um diesen Titel zu bekommen, müssen Kommunen fünf Kriterien erfüllen: Einen Ratsbeschluss zum fairen Handel, der auch enthält, das im Rathaus nur fair gehandelter Kaffee ausgeschenkt wird, eine Steuerungsgruppe, Fairtradeprodukte in einer bestimmten Anzahl von Geschäften, mediale Berichterstattung und zivilgesellschaftliches Engagement.

Dazu gehört auch das nun in der Kritik stehende Bild. Ziel der Idee sei es gewesen, die Menschen für die Fairtrade-Idee zu sensibilisieren. "Wir wollten eigentlich etwas ganz anderes machen. Ursprünglich hatten wir als Motiv die Fairtrade-Weltkugel geplant, aber das hat sich dann zerschlagen, weil es zu komplex war", erzählt Niehoff. Durch Zufall sei man dann über das Jugendzentrum auf Laura Jakaj gekommen, die in Gröbenzell lebt und an der Münchner Staatsoper eine Ausbildung zur Bühnenmalerin macht. Jakaj selbst war am Montag nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Allerdings hat sie sich zu Beginn der Debatte kurz bei Facebook zu Wort gemeldet und die Vorwürfe als "sehr lächerlich" bezeichnet. Fairtrade Deutschland wollte sich auf Nachfrage nicht zu der konkreten Diskussion äußern, da das Bild kein offizielles Plakat sei, sondern ein Projekt der Gröbenzeller Agendagruppe.

Deren Mitglied Joachim Niehoff berichtet jedenfalls, das der Entwurf in der Steuerungsgruppe gut angekommen sei. "Beim Fairtrade-Gedanken geht es ja auch darum, den Menschen eine Zukunft zu schaffen. Vor allem für Kinder, also diejenigen, die durch das Wirtschaftssystem keine Chance haben, die ohne Lohn arbeiten müssen und die nicht zu Schule können. Durch Fairtrade soll ihnen diese Möglichkeiten gegeben werden." Nur das sei, was man mit diesem Bild habe vermitteln wollen.

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SZ vom 05.06.2018
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