Diskussion:Denkanstöße für den Glauben

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Bei einer Podiumsdiskussion entdecken hochrangige Vertreter der Kirchen viele Gemeinsamkeiten

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Wenn die evangelisch-lutherische Kirche 2017 der Reformation gedenkt, wollen auch Katholiken mitfeiern und gemeinsam mit den Protestanten Christus verkünden. Diese hoffnungsvolle Botschaft haben Kardinal Reinhard Marx und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm am Freitagabend am Ende einer Podiumsdiskussion voller Verve verkündet. Die 700 Zuhörer, die zur Auftaktveranstaltung des vom Christenrat veranstalteten Ökumenischen Kirchentages Fürstenfeldbruck in den Stadtsaal des Veranstaltungsforums gekommen waren, applaudierten euphorisch. Das Bekenntnis beendete die zweistündige Diskussion mit dem Vertreter der deutschen Freikirchen, Präses Ansgar Hörsting, und Sofian von Kronstadt, Weihbischof des Rumänischen orthodoxen Erzbistums von Deutschland, Österreich und Luxemburg, moderiert von Zeit-Redakteur Wolfgang Thielmann. Dabei ging es um theologische Fragen wie die Bedeutung des Kirchentagsmottos, "Seht, welch ein Mensch", die Enzyklika von Papst Franziskus sowie um Praktisches, etwa das Aussterben des Tischgebets.

"Viele Christen, die am Sonntag in die Kirche gehen, haben das Tischgebet verloren", bedauerte Erzbischof Marx. Dabei sei es wichtig, im Alltag gerade solch vermeintlich unbedeutende Rituale zu leben und sich mit ihrer Hilfe seiner selbst bewusst zu werden - beispielsweise darüber, wie gut es einem eigentlich gehe. "Solche kleinen Dinge verändern den Blick auf die Welt", unterstrich er. Auch Bedford-Strohm berichtete von vielen Begegnungen mit Gläubigen, die ihr eigenes Unvermögen bedauern würden, dankbar zu sein. "Warum sagen sich die Leute die schönsten Dinge erst am Grab anstatt jetzt", fragte er. Der Glaube könne den Menschen dabei helfen, Dankbarkeit zu entwickeln, da er das Bewusstsein schärfe. "Ich glaube, Frömmigkeit ist ein Zukunftsmodell, weil Frömmigkeit mich lehrt, dankbar zu sein", sagte der Landesbischof.

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(Foto: Günther Reger)

Kunst, Information und Diskussion: In Fürstenfeld gab es viele Gelegenheiten zu Gesprächen über den Glauben.

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(Foto: Günther Reger)

Hochrangige Vertreter der Kirche (von links): Reinhard Marx, Heinrich Bedford-Strohm, Stefan Reimers und Albert Bauernfeind.

Die Umwelt-Enzyklika, die Papst Franziskus am Donnerstag veröffentlicht hat und in der er Umweltzerstörung und Konsumrausch anprangert und vor allem die Industriestaaten in die Pflicht nimmt, ihren Lebensstil zu verändern, nannte Kardinal Marx "einen großen Wurf". Mit Blick auf die Klimaerwärmung erinnerte der Erzbischof von München und Freising daran, dass die gesamte Bevölkerung auf diesem Erdball in einem "gemeinsamen Haus, das nicht einem Einzelnen, sondern der ganzen Menschheitsfamilie gehört", lebe und alle für dessen Fortbestand Verantwortung trügen. Gleiches gelte für die vielen Flüchtlinge, die täglich im Mittelmeer ertrinken: Eine globale Betrachtungsweise könnte helfen, das Problem zu lösen. Bedford-Strohm ergänzte: "Wir müssen darüber reden, was wir tun können, damit die Flüchtlinge dieser Welt in Frieden leben können."

Eingangs bemerkte Moderator Thielmann in Bezug auf die Situation - in bequemen Klubsesseln auf der Bühne eines Veranstaltungssaals sitzend, von Scheinwerfern angestrahlt und hinter den Kulissen warten schon die Musiker für das später geplante Rockkonzert: "Wir fühlen uns ein bisschen wie die Rolling Stones." Um das Gespräch in Gang zu bringen, befragte er die vier Teilnehmer, was sie mit dem Motto des Kirchentages verbinden. Diesen Spruch, auf Lateinisch "Ecce Homo", tat laut Johannes-Evangelium der römische Statthalter Pontius Pilatus beim Anblick des gefolterten, leidenden Jesus von Nazareth, um dessen Verurteilung anzuzweifeln. Einig waren sich die Vier an, dass der Satz mit der Würde des Menschen verbunden ist, weshalb auch immer wieder aktuelle Probleme wie die Flüchtlingswelle oder Armut zur Sprache kamen.

Der Kirchentag in Fürstenfeldbruck. (Foto: Günther Reger)

Sofian verwies bei der Frage nach seinen Assoziationen zu dem Leitsatz auf den Glauben der rumänischen orthodoxen Kirche. "Die Kreuzigung ist die Erhöhung von Christus", da er durch sie zum Gott werde und in den Himmel fahre. Eigentlich müsse es also heißen: "Ecce Homo et Deus". Hörsting beantwortete die Frage mit Christus, der für die Menschheit gestorben sei, für sie gelitten habe. In zweiter Linie denke er bei "Ecce Homo" an Jesus, den Leidenden. Auch Bedford-Strohm nannte den Sohn Gottes mit all seinen erstrebenswerten Eigenschaften: "Ich denke an einen Menschen, der die Kraft aufgebracht hat, noch seine Feinde zu lieben." Die Botschaft daraus lautet für ihn: "Die Gewalt hat am Ende nicht das letzte Wort." Marx schloss sich seinen Vorrednern an und verwies zudem auf den Schöpfungsbericht. "Jeder ist das Bild Gottes. Das ist die revolutionärste Botschaft auf der Welt. Ob wir immer danach leben, ist eine andere Frage", sagte er.

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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