Süddeutsche Zeitung

Digitale Bildung:Tablets für alle

Im Unterricht soll mehr mit digitalen Geräten gearbeitet werden. Ein übergreifendes pädagogisches Konzept dafür gibt es nicht. Deshalb müssen die Schulen nun selbst herausfinden, welche Ausstattung sie benötigen

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

iPad-Klasse. Das klingt klasse, dachten sich viele Achtklässler am Germeringer Max-Born-Gymnasium. Zwei achte Klassen durften im laufenden Schuljahr im Unterricht mit Tablets arbeiten - ein Modellprojekt. Finanziert wurden die Tablets von den Eltern. Die Erkenntnisse sind positiv. "Die Motivation der Schüler nimmt zu", sagt Schulleiter Robert Christoph. Programme wie Word oder Excel seien "im sinnvollen Kontext leichter und nachhaltiger" zu erlernen und Heftführung und Arbeitsblattverwaltung einfacher zu handhaben als bei Papierheften. Über die praktische Anwendung könnten auch die Lehrer Erfahrungen mit dem digitalen Unterricht sammeln. Von Herbst an werden deshalb die beiden iPad-Klassen in der neunten Jahrgangsstufe fortgeführt, eine achte Klasse kommt dazu.

Die Digitalisierung hält Einzug in den Schulen im Landkreis, mit zunehmender Geschwindigkeit. Bund und Freistaat Bayern dachten sich Förderprogramme aus, um die Sache voranzubringen, die - das sagen Experten - bislang zu langsam vonstatten ging. Nun will man handeln, die Politik gibt mit ihren Zuschüssen den Takt vor. Die Kommunen entscheiden mit den Schulen, was angeschafft wird.

Das digitale Klassenzimmer soll idealerweise über die Möglichkeit einer Großbilddarstellung verfügen mit Whiteboard, Beamer, Dokumentenkamera, Audiosystem, einem Lehrerarbeitsplatz und digitalen Endgeräten der Schüler wie PCs, Notebooks, Tablets sowie der dafür nötigen Netzwerkinfrastruktur. An den sieben Gymnasien, vier Realschulen und zwei Förderzentren, für die der Landkreis als Sachaufwandsträger zuständig ist, gibt es nach Aussagen aus dem Landratsamt bereits "weitgehend einheitliche und moderne Businesshardware", die alle sechs Jahre ausgetauscht würde. Zwei Drittel der weiterführenden Schulen haben einheitliche EDV-System-, Back-up- und Firewalllösungen. Bei Schulneubauten wie der Berufsschule in Fürstenfeldbruck werden bereits digitale Whiteboards eingebaut. "Viele Schulen haben schon eine digitale Grundausstattung", fasst Schulreferatsleiter Günter Sigl zusammen.

Damit die Ausstattung weiter optimiert werden kann, sollen die Schulen jetzt bis Schuljahresende Medienkonzepte vorlegen, in denen sie ihr weiteres Vorgehen und ihre Wünschen bündeln. Die Konzepte sollen ein Mediencurriculum enthalten, in dem die Schulen auflisten, welche Lehrplaninhalte sie mittels digitaler Technologien bearbeiten wollen. Dazu können der Umgang mit Suchmaschinen, die kritische Betrachtung von Rechercheergebnissen, der verantwortungsbewusste Umgang mit Social Media oder das Erlernen professioneller mediengestützter Vortragstechnik gehören. Vieles davon eigneten sich die meisten bislang durch Learning-by-doing selbst an, nun soll es systematisch an den Schulen gelehrt werden.

Zudem sollen die Schulen ihre Ausstattungswünsche und ihren Fortbildungsplan bei den Kommunen einreichen, die dann die entsprechenden digitalen Geräte anschaffen und finanzieren müssen - und das auch bereitwillig tun wollen. Denn Medienkompetenz sei mittlerweile neben Rechnen, Schreiben und Lesen die "vierte Kulturtechnik", schreibt etwa die Stadtverwaltung Fürstenfeldbruck in den Informationsunterlagen an jene Stadträte, die am kommenden Montag im Ausschuss für Integration, Soziales, Jugend und Sport über die Digitalisierungsmöglichkeiten an den Schulen beraten werden.

Den Bedarf für die Erstausstattung des digitalen Klassenzimmers an ihren vier Grund- und zwei Mittelschulen beziffert die Stadt Fürstenfeldbruck auf 1,5 Millionen Euro, verteilt auf vier Jahre. In einer Bestandsaufnahme stellte sich heraus, dass an den Grundschulen Beamer nur vereinzelt vorhanden und die Schülerrechner teilweise veraltet sind. Auch an den Mittelschulen müssen die IT-Geräte in Teilen ausgetauscht werden, Großbildprojektion ist immerhin schon in zwei Dritteln der Klassenräume möglich. Dazu kommen Folgekosten für Softwarelizenzen, Wartung, Pflege, Ersatzbeschaffungen. Der Landkreis plante in seinem Haushalt zunächst einmal die ihm aus dem Förderbescheid von 2018 zustehenden 1,17 Millionen Euro sowie weitere 210 000 Euro ein. Die meisten Schulen wollten etwa bei den Whiteboards "Interaktivität" haben, weiß Sigl. Auch hätten sie darauf hingewiesen, dass die künftige Arbeitsweise der Lehrkräfte im Unterricht nicht mehr als stationäre, verkabelte Geräte wie PC oder Laptop gebunden sein sollte, sondern mobiler gestaltet werden müsse, etwa durch den Einsatz von Tablets. Dafür aber braucht es auch eine Funkverbindung, weshalb alle Schulen möglichst schnell Wlan erhalten sollen. An sieben Schulen wurde bereits im Vorjahr mit dessen Einrichtung begonnen, 2020 soll Wlan dann an jeder weiterführenden Schule verfügbar sein. Voraussetzung für die Wlan-Übertragung sind freilich die entsprechenden Kapazitäten. In den nächsten Kreishaushalt sollen deshalb Planungskosten für den Glasfaserausbau eingestellt werden. Zunächst sollen in den Sommerferien die derzeit vorhandenen VDSL-Leitungen aufgerüstet werden, damit 100, 175 oder 250 Mbit/s zur Verfügung stehen.

"Wir müssen die Schüler auf die digitale Gesellschaft vorbereiten und die technischen Voraussetzungen im Unterricht angemessen nutzen", weiß auch Boris Hackl, Leiter des Gymnasiums Gröbenzell. Hackl nennt die Digitalisierung an den Schulen "enorm wichtig", in der Umsetzung spricht er sich jedoch für einen zunächst "phasenweisen Einsatz" digitaler Geräte im Unterricht aus. Die Digitaltechnik könne "ein schönes, ergänzendes Element" sein. Ob dazu jeder ein eigenes Gerät benötige, könne er derzeit nicht beantworten: "Mir fehlen hier noch die wissenschaftlichen Grundlagen."

Orientierung bietet auch der Staat nicht. Bei der Stadt Fürstenfeldbruck hält man die Digitalisierung des Unterrichtswesens für "mehr als die Weiterentwicklung der grünen Tafel", heißt es in den Sitzungsunterlagen. Doch der Staat hinterlässt den Kommunen ein Problem: Er habe nicht definiert, was das digitale Klassenzimmer sei, heißt es weiter. Der Staat schüttet zwar Fördergelder aus, hält aber kein übergeordnetes pädagogisches Gesamtkonzept mit Mindeststandards zur IT-Ausstattung und IT-Anwendung an Schulen bereit. Walter Zellmeier, Schulleiter am Brucker Viscardi-Gymnasium, will auch nach der digitalen Aufrüstung die alten Schultafeln in den Klassenzimmern behalten - "als Notanker". Man wisse ja nie. Computersysteme können schließlich auch ausfallen.

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SZ vom 13.07.2019
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