Süddeutsche Zeitung

Die Pandemie im Landkreis:Ein Pieks der Hoffnung

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In den Altenheimen des Landkreises ist die Beteiligung der Bewohner an der Impfung gegen das Corona-Virus bisher sehr hoch

Von Franziska Schmitt, Fürstenfeldbruck

In sieben Alten- und Pflegeheimen im Landkreis ist inzwischen die erste Runde der Schutzimpfungen gegen Covid-19 abgeschlossen. Darunter befindet sich das Theresianum in Fürstenfeldbruck und die Caritas-Einrichtung St. Anton in Gröbenzell. Bewohner und Personal empfinden die Aktion als einen Hoffnungsschimmer für das neue Jahr im Kampf gegen die Corona-Pandemie.

Schon am frühen Morgen beginnt das gut zehnköpfige Impfteam in St. Anton mit den Vorbereitungen. Zu ihnen zählen drei Ärzte der Gemeinschaftspraxis "Hausärzte Amperland" sowie Mitarbeiter des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK). Bereits um sechs Uhr sei der erste Wagen des BRKs vorgefahren, erzählt Einrichtungsleiterin Susanne Uhl. Gegen neun Uhr steht dann alles im Speisesaal bereit: die Impfstation, ein Arbeitsplatz zur Dokumentation der Impfkandidaten sowie ein weiterer zur Vorbereitung des Impfstoffes. Eine zusätzliche Impfstation wurde im ersten Stock eingerichtet.

Eine der ersten Kandidatinnen ist Else Feil. Die Bewohnerin des Altenheims betritt den Speisesaal, um sich impfen zu lassen. Noch ein letztes Mal vergewissert sich Arzt Michael Trumpp: "Haben Sie noch Fragen zur Impfung? Nehmen Sie Medikamente zur Blutgerinnung ein?" Beides verneint die 86-Jährige. Sie befreit ihren linken Arm aus ihrer fliederfarbenen Strickjacke. Ein Mitarbeiter des BRK, ausgestattet mit Schutzbrille und blauen Einweghandschuhen, führt behutsam die Impfung durch. Feil verzieht keine Miene. "Das ist ja eigentlich harmlos", sagt sie am Ende. Sich impfen zu lassen, stand für Feil von Anfang an außer Frage "Was sein muss, muss sein," sagt die Seniorin. Der Corona-Ausbruch Anfang November im Altenheim hat sie natürlich mitgenommen. Nach dem ersten Corona-Fall wurden weitere 60 Bewohner und 35 Mitarbeiter positiv getestet. "Ich habe Glück gehabt, dass ich verschont geblieben bin," sagt Feil, muss aber im gleichen Atemzug bedauern: "Meine Tischnachbarin hat es erwischt. Sie ist verstorben."

Angst vor dem Virus oder vor Nebenwirkungen der Impfung habe sie keine, sagt Feil und hofft, dass in Zukunft ihre Tochter wieder öfters zu Besuch kommen kann. Hoffnungsträger ist der Impfstoff auch für Eleonore Börner, ebenfalls Bewohnerin des Altenheims. "Ich denke, dass jetzt alles gut wird," sagt die 83-Jährige. Ihr sei sofort klar gewesen, dass sie sich impfen lasse. Corona sei eben wirklich schlimm.

Bereits im Vorfeld hatten die impfwilligen Mitarbeiter und Bewohner, teils gemeinsam, teils alleine ein zweiseitiges Aufklärungsmerkblatt zur Schutzimpfung gegen Covid-19 durchgearbeitet und unterschrieben. Florian Schuster, Arzt der Gemeinschaftspraxis, lobt die Ausführungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) und Deutschen Grünen Kreuzes (DGK) als sehr informativ und gut verständlich. Während der Vorbereitungsphase stand er Bewohnern, beziehungsweise ihren gesetzlichen Betreuern, telefonisch zur Verfügung. Nur sehr wenige hätten noch weitere Fragen gestellt, sagt der Mediziner. Ähnlich sind die Erfahrungen des Arztes Felix Jonas, der Personal und Bewohner im Gröbenzeller Altenheim beriet.

Zwei weitere Formulare, ein dreiseitiger Impfbogen vom Bayrischen Impfzentrum und eine Anamnese-Einwilligung von RKI und DGK, mussten von den Impfkandidaten ausgefüllt werden. Dabei geht es um persönliche Daten, Vorerkrankungen, aktuellen Gesundheitszustand, aber auch systemrelevante Berufsfelder werden abgefragt. Die drei Ärzte haben bisher wenig Bedenken, was die Impfung betrifft. Bei Allergikern müsse man vorsichtiger sein und den Patienten länger beobachten, damit, falls es zu allergischen Reaktionen komme, man schnell reagieren könne, sagt Jonas. Außerdem müsse man bei der Einnahme von Medikamenten, die die Blutgerinnung hemmen, noch behutsamer beim Impfen vorgehen, so Trumpp.

Die Impfungen werden unter größter Sorgfalt vor Ort vorbereitet. Der Impfstoff lagert in einer Tiefkühlbox. Unter diesen Bedingungen - nicht mehr wie im Lager bei minus 74 Grad tiefgefroren - ist er nur fünf Tage haltbar. Vorsichtig entnimmt Angelina Müller, Mitarbeiterin des BRK, aus einem der gelben Kästchen ein Glasfläschchen mit lila Deckel. Darin ist der Impfstoff. Behutsam schwenkt sie den Impfstoff zehn Mal hin und her. "Andernfalls würde der Impfstoff Schaden nehmen," erklärt sie. Auch beim Transport müsse man vorsichtig sein. Sie löst die Kappe und verdünnt den Impfstoff mit 1,8 Milliliter Kochsalzlösung. Erneut schwenkt sie die Mischung zehn Mal. Zuletzt zieht sie den Impfstoff in Spritzen auf. Eine Mischung ergibt fünf Impfungen, die in den nächsten sechs Stunden vorgenommen werden müssen.

Auch Altenheimleiterin Uhl lässt sich impfen. "Ich möchte ein Zeichen setzten und als gutes Vorbild vorangehen", sagt sie. Ihrem Beispiel folgt Ljiljana Jukic, Mitarbeiterin des Nachtdienstes. Sie lasse sich impfen in der Hoffnung, dass bald wieder ein bisschen Normalität in ihr Leben einkehren könne, aber auch aus Verantwortung gegenüber den Bewohnern, sagt sie. Natalie Decker, Alltagsbetreuerin im Altenheim, sagt, dass sie zunächst schon Bedenken gehabt hätte, doch wolle sie das Risiko nicht eingehen, Bewohner anzustecken und entschied sich deshalb für die Impfung.

Insgesamt 95 Impfdosen hat das Altenheim bestellt. 44 gehen an Bewohner und 55 an das Personal. "Es hätten sich noch viel mehr impfen lassen," sagt Uhl, ungefähr 80 Prozent des Personals und sogar 85 bis 90 Prozent der Bewohner. Einigen sei eine Impfung jedoch vorerst nicht gestattet, erklärt sie. Grund: Sie hätten durch die Erkrankung an Corona auf natürliche Weise Antikörper ausgebildet. Über die hohe Impfbereitschaft ist Uhl sehr froh. In anderen Altenheimen der Caritas sähe das ganz anders aus, sagt Doris Scheider, Geschäftsführerin der Altenheime der Diözesancaritasverbände München und Freising. Teilweise ließe sich nur ein Drittel der Mitarbeiter impfen. Bei vielen sei es die Angst vor langfristigen Nebenwirkungen, über die man momentan noch kaum etwas wisse. "Es muss Erleichterungen geben," sagt sie. Beispielsweise, dass geimpfte Personen sich nicht mehr zweimal die Woche einem Coronatest unterziehen müssten. Dies könne für den ein oder anderen doch noch Motivation sein, sich impfen zu lassen. Der Druck und die Geschwindigkeit, mit der die Impfungen nun verfolgt werden, bedeute erneut eine zusätzliche Belastung für das Personal.

Auch Armin Seefried, Geschäftsführer des Alten- und Pflegeheims Theresianum in Fürstenfeldbruck, freut sich über die Impfbereitschaft in seiner Einrichtung - auch wenn diese geringer ausfällt als in Gröbenzell. Er fügt hinzu: "Jeder Mensch kann vernünftig selber entscheiden oder andere im Rahmen rechtlicher Betreuungsverhältnisse, ob geimpft wird oder nicht geimpft wird." Niemand sei überrumpelt oder zur Impfung gezwungen worden. Am Ende stimmten 130 der 150 Bewohner und 70 der 118 Mitarbeiter zu.

Die insgesamt 200 Impfungen konnten am Samstag wie geplant vorgenommen werden - trotz eines zwei Tage zuvor positiv getesteten Mitarbeiters. Noch in der Silvesternacht waren dann alle 150 Bewohner des Altenheimes deshalb getestet worden. Auch Rainer Bertram, Kreisgeschäftsführer des BRK in Fürstenfeldbruck, bestätigt: "Wir haben zuvor die Lage ausreichend geprüft." Der positive Befund hätte keine Relevanz für den Vorgang der Impfung gehabt. Das Impfteam sei durch FFP2-Masken geschützt gewesen.

Am Samstagvormittag war das Organisationsteam mit den Vorbereitungen für die Impfungen im Theresianum beschäftigt, bevor es am Mittag mit den Impfungen losgehen konnte. Hermann Schönherr (91) war der erste Bewohner, der geimpft wurde. "Es war nur ein kleiner Stich", erklärte er danach. Er hofft, mit der Impfung, vom Virus verschont zu bleiben. "Die Impfung soll einen Wert haben".

Geimpft wurde im Theresianum vom BRK an drei Impfstationen, die innerhalb der Einrichtung verteilt aufgebaut waren. "Das passt hervorragend zu unseren drei Wohnbereichen", sagte Pflegedienstleiterin Daniela Stark. So mussten sich die Bewohner nicht quer durch die Einrichtung bewegen. Die drei Ärzte Stefan Mitsching, Claus Limmer und Phillip Freytag, die die Bewohner medizinisch betreuen, unterstützten das BRK. Um 16 Uhr waren bereits alle Impfungen vorgenommen. Der zweite Impftermin ist für Samstag, 23. Januar, geplant.

Eine Woche nach dem Start war bis vergangenen Sonntag in sieben Altenheimen des Landkreises geimpft worden. Neun würden noch fehlen, sagt Bertram. Einige Termine Anfang dieser Woche mussten allerdings verschoben werden. Der Impfstoff sei nicht genügend vorhanden. Bertram ist jedoch zuversichtlich, dass bis Dienstag, 12. Januar, die Impfungen in den übrigen Altenheimen vorgenommen werden können. Schließlich beginne am Samstag, 16. Januar, die zweite Runde, sagt er. Dann ist es drei Wochen her, dass im Altenheim Curanum in Germering mit den Impfungen im Landkreis begonnen wurde.

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SZ vom 04.01.2021
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