Süddeutsche Zeitung

Die Grünen:Die Wahlkämpferin

Lesezeit: 3 min

Martina Neubauer von den Grünen schätzt den direkten Kontakt zu den Leuten

Von Sabine Bader

Wer die Geschäftsstelle der Grünen an der Hauptstraße in Starnberg sucht, der kann erst einmal ein wenig Hinterhofatmosphäre schnuppern. Die Haustüre des zweigeschossigen Anbaus steht offen und man blickt gleich auf Martina Neubauer, die in lindgrün getaucht auf einem großformatigen Wahlplakat abgebildet ist, das auf dem Boden liegt. Daneben ein ebenso großes Plakat mit dem Satz: "Am Klimaziel führt kein Weg vorbei." Ein Satz, den Neubauer jederzeit so unterschreiben würde. "Wenn wir jetzt nicht in Regierungsverantwortung gehen, ist es zu spät", sagt sie. Zu spät für was? "Für die richtigen Weichenstellungen beim Klimaschutz." Die 57-Jährige ist eine Vollblut-Grüne, eine "grüne Pflanze", wie sie selbst über sich sagt. Neubauer lebt in Söcking, ist verheiratet und hat einen Sohn. Seit 1985 ist sie Mitglied der Grünen.

Sie macht "wahnsinnig gerne Wahlkämpfe", sagt sie. Dementsprechend viele hat sie davon auch schon bestritten: Zweimal war sie Bürgermeisterkandidatin in Starnberg (2008 und 2014), einmal Landtagskandidatin (2013), und ebenfalls einmal hat sie sich im vergangenen Jahr um das Amt als Landrätin beworben. Darüber hinaus gehört sie seit 1994, bis auf eine Unterbrechung, dem Bezirkstag an. Hat sie etwa all diese Ämter mit demselben Maß an Herzblut angestrebt? Geht das denn? Nein, natürlich nicht. Sie habe stets versucht, ihre Chancen möglichst realistisch einzusetzen, sagt sie. Es sei für sie auch immer darum gegangen, die grüne Idee mit einer Person zu verknüpfen. Die beiden Bürgermeisterkandidaturen in Starnberg habe sie darum übernommen, "damit wir Gesicht zeigen". Bei der Landratskandidatur gegen Stefan Frey (CSU) habe sie "schon auf Sieg gesetzt". Aber es sei letztlich eine "ergebnisoffene Kandidatur" gewesen. In den Bundestag möchte sie rasend gerne: "Das mach' ich mit sehr großer Lust. Ich will noch einmal etwas Neues machen."

In der Grünen-Geschäftsstelle sieht es sehr nach Wahlkampf aus und in Neubauers Terminkalender natürlich auch. Bis zu fünf Mal pro Woche ist sie in den Landkreisen Starnberg und Landsberg sowie in der Stadt Germering unterwegs, begrüßt beim Fünfseen-Filmfestival Zuschauer, paddelt auf der Würm und sammelt mit Parteifreunden Müll ein, bestreitet Podiumsdiskussionen und Bürgerdialoge, besucht Stammtische und Infostände. "Ich bin so froh, dass man jetzt wieder mit Leuten direkt in Kontakt treten darf", sagt die Kandidatin. Zudem bekomme sie viele Anfragen per E-Mail und Telefon. "Das nimmt viel Zeit in Anspruch."

Die Grüne mag auch die kurzen Haustürbesuche bei Wählern. Dabei wird sie immer von einem Parteimitglied des jeweiligen Ortes begleitet, sie stellt sie sich kurz vor, erinnert an die Wahl und bittet, demokratisch zu wählen. "Mehr machen wir nicht", sagt sie. Wenn die Leute Fragen haben, verweise man auf den nächsten Informationsstand, zu dem sie komme, oder gebe ihnen ihre Karte. "Das sind ganz kurze Kontakte. Wir gehen nicht in den Diskurs mit den Leuten." Etwa 2000 solcher Besuche will sie am Ende des Wahlkampfs absolviert haben.

Aber noch etwas gehört zu Neubauer im Wahlkampf: Sie hat einen Vollzeitjob, ist Sozialpädagogin und arbeitet im Landratsamt München. Das ist ihr "Standbein" wie sie es nennt, während ihr "Spielbein" die Politik ist. Seit 1992 ist sie in der Behörde beschäftigt und leitet dort das Referat mit dem etwas sperrigen Namen: "Service Wirtschaft, Gesellschaftliches Engagement und Inklusion, Seniorenangelegenheiten" mit insgesamt etwa 50 Mitarbeitern. "Ich mache das sehr gern."

Sollte sie in den Bundestag gewählt werden, will sie sich auch dort in diesen Bereichen engagieren. Dasselbe Metier also, aber eben auf der politischen Entscheidungsebene. "Wir müssen im Gesetzgebungsbereich nachsteuern", sagt sie und meint damit beispielsweise die Inklusion. Man müsse in Berlin die Voraussetzung schaffen, dass man Teilhabe von Menschen mit Behinderung auf kommunaler Ebene umsetzen könne. Dafür kämpfe sie. Sie betont aber auch: "Wir sind nicht mehr die Partei von vor zwanzig Jahren. Wir haben einen unglaubliche Professionalisierungsgrad und Mitgliederzuwachs. Das heißt aber auch, dass wir mehr Verantwortung haben."

Auf die Frage, was sie von dem Grundsatz halte, Frauen den Vortritt bei Parteiämtern zu lassen, meint sie: "Ich halte das für völlig richtig." Bezogen auf Annalena Baerbock und Robert Habeck meinte sie: "Beide haben die Partei merklich voran gebracht. Sie haben die breite Öffnung der Grünen in das bürgerliche Lager hinein geschafft. Und sie haben alle Bereiche durchdacht und Antworten gegeben, nicht nur die Ursprungsthemen." Neubauer hält es auch für sinnvoll, Posten konsequent paritätisch zu besetzen, und Frauen zu Parteiämtern zu motivieren. "Wir Frauen agieren ein Stück weit anders als Männer. Wir bauen andere Netzwerke auf." Die Partei brauche beide zu gleichen Teilen, was heißt, sie steht voll hinter der Quotierung in der Parteisatzung.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5412616
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.09.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.