Montagsdemonstrationen mit etwa 1300 Teilnehmern:Die Corona-Politik bewegt Fürstenfeldbruck

Montagsdemonstrationen mit etwa 1300 Teilnehmern: Der Corona-Protestzug kommt in der Fürstenfeldbrucker Hauptstraße an

Der Corona-Protestzug kommt in der Fürstenfeldbrucker Hauptstraße an

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Erstmals ist der Protestzug der Maßnahmenkritiker angemeldet. Auf dem Marktplatz warten wieder 150 Gegendemonstranten mit Transparenten und Plakaten. Alles verläuft friedlich.

Von Ingrid Hügenell und Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

So viele Teilnehmer wie bisher noch nie haben am Montagabend in Fürstenfeldbruck gegen die Corona-Politik und insbesondere gegen eine Impfpflicht demonstriert - 1200 sind es nach den Zählungen der Polizei, 1400 zählt Merlin Eilers für die Bürgerinitiative "Fürstenfeldbruck hält zusammen" (BI). Eilers fungiert auch als Versammlungsleiter und Ansprechpartner der Polizei, er weist die erstmals vorhandenen Ordner ein und spricht vor dem Start des Demonstrationszuges mit den Teilnehmern. Wer aggressiv, gewalttätig oder ausfallend werde, "schließt sich damit automatisch von der Veranstaltung aus", sagt er. Der SZ sagt Eilers, die BI wolle sich ausdrücklich von der rechtsextremen Kleinpartei "Der Dritte Weg" distanzieren, die bislang die Proteste in der Kreisstadt beworben hat.

Montagsdemonstrationen mit etwa 1300 Teilnehmern: Merlin Eilers fungiert in Fürstenfeldbruck als Versammlungsleiter der Demonstrationen der Gegner der Corona-Maßnahmen.

Merlin Eilers fungiert in Fürstenfeldbruck als Versammlungsleiter der Demonstrationen der Gegner der Corona-Maßnahmen.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Protestierer versammeln sich auf dem Volksfestplatz. Darunter ist die 41-jährige Susanne Breitenberger aus Fürstenfeldbruck. Sie habe "langsam die Schnauze voll", sagt sie. "Diese Spaltung mit 2 G regt mich auf." Sie selbst sei nicht geimpft und lehne eine Impfpflicht ab. Um die Pandemie zu beenden "soll man's einfach laufen lassen". Covid-19 hält sie für eine "etwas aggressivere Form der Grippe". Und die vielen Toten? "An der Grippe sterben auch Leute", sagt die Frau.

Martin Stark, 39, ist aus Maisach gekommen, "weil die momentane Regierung auf unsere Grundrechte scheißt". Die "Einschränkung der Versammlungsfreiheit" und die Impfpflicht gehören für ihn dazu. Er ist nicht geimpft, "weil ich es nicht für nötig erachte". Gekommen ist auch Familie Yasar aus Fürstenfeldbruck mit sechs Personen, allesamt genesen, keiner geimpft. Sie seien gegen eine Impfpflicht, sagen sie.

Dagegen protestiert auch ein Mann aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck, der weder seinen Wohnort noch seinen Namen nennen will, er fürchtet Diffamierung und berufliche Nachteile. Der Mann sagt, er selbst sei geimpft, aber impfen lassen könne man sich eben nur "aus Überzeugung". Ihn ärgerten "gefälschte Statistiken" - als Beispiel nennt er, dass das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit bei der Berechnung der Inzidenz nach Impfstatus Infizierte mit ungeklärtem Impfstatus automatisch den Ungeimpften zurechnete. Diese Praxis wurde inzwischen geändert.

Der Zug bewegt sich vom Volksfestplatz Richtung Hauptstraße. Als es auf die Augsburger Straße geht, ist an Abstand nicht zu denken, die Protestierenden haben Körperkontakt. Später wird sich der Zug weiter auseinanderziehen. In der Haupt- und der Schöngeisinger Straße kommen Trillerpfeifen zum Einsatz, skandieren einzelne Gruppen "Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung". Das passt zur Aussage der BI, man wolle nicht gegen etwas protestieren, sondern etwa für die "Wahrung der Grundrechte"; Eilers und die BI sehen sich als "Verfechter medizinischer Entscheidungsfreiheit". Viele Plakate zeigen dennoch, wogegen die Demonstranten sind: Gegen eine Impfpflicht. Auch ein Transparent mit einem Nazi-Vergleich ist zu sehen: "Nur Nazis sind für Impfpflicht".

Montagsdemonstrationen mit etwa 1300 Teilnehmern: Gegen eine Impfpflicht sind diese Demonstranten.

Gegen eine Impfpflicht sind diese Demonstranten.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Während die Corona-Protestierer auf der westlichen Seite der Hauptstraße unterwegs sind, stehen auf der östlichen Seite die Gegendemonstranten, etwa 150 sind es. Nur vereinzelt kommt es zu Kontakten zwischen den beiden Lagern. Zwei Mitglieder der Initiative "Eltern für Kinder" verteilen auf dem Platz zwischen Sparkasse und Altem Rathaus ein Flugblatt, in dem sie sich unter anderem "gegen die Diskriminierung von Ungeimpften" aussprechen sowie für eine offene Diskussion - und sich dagegen verwahren, mit "Aluhutträgern" und "Verschwörungstheoretikern" in einen Topf geworfen zu werden. Die Stimmung ist friedlich.

Und es herrscht die Überzeugung, dass eine offene, aber bitteschön sachliche Debatte durchaus wünschenswert sei. Auch innerhalb seines Bekanntenkreises werde kontrovers beispielsweise über die Impfpflicht debattiert, sagt ein Mitglied des Sozialforums Amper. Dass es eine rote Linie gibt, zeigt das Transparent der Frau neben ihm. "Solidarisch gegen rechte Hetze" ist darauf zu lesen. Und der Appell, Maske zu tragen. Eine Frau, die ebenfalls dem Sozialforum angehört, fordert Solidarität ein und weist mit Blick auf die Ukraine darauf hin, dass "während hier Kleinkriege geführt werden", andernorts wirkliche Kriege vorbereitet würden.

Montagsdemonstrationen mit etwa 1300 Teilnehmern: Eine Gruppe von Gegendemonstranten fordert zum Impfen auf.

Eine Gruppe von Gegendemonstranten fordert zum Impfen auf.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Florian Weber, Stadtrat von Die Partei und Organisator der Gegendemonstration, sagt, "dass man nicht alles gut finden muss", was die Regierungen in Land und Bund mit Blick auf die Pandemie entscheiden. Es gebe aber auch viele sinnvolle Maßnahmen, die zur Eindämmung der Pandemie beitragen. Der Künstler Ulrich Tausend honoriert das Engagement Webers, der öffentlich Gesicht zeige und deshalb schon bedroht worden ist. Auch Tausend gesteht den Corona-Protestanten ausdrücklich ihre Meinung zu - sofern diese auf einer angemeldeten Demonstration vorgebracht werde und man sich von Extremisten wie dem Dritten Weg distanziere.

Montagsdemonstrationen mit etwa 1300 Teilnehmern: An den Straßenkreuzungen schirmen Polizisten den Protestzug ab.

An den Straßenkreuzungen schirmen Polizisten den Protestzug ab.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Etwa 20 Polizisten haben sich am westlichen Straßenrand der Münchner Straße und der Hauptstraße postiert, als sich die gut 150 Gegendemonstranten zwischen Rathaus und Sparkasse aufstellen, in Erwartung des Protestzugs. Der eigentlich gebotene Mindestabstand lässt sich von keinem der beiden Lager einhalten, die meisten Gegendemonstranten tragen im Gegensatz zu den Marschierern auf der andren Straßenseite Masken. Transparente werden hochgehalten mit Aufschriften wie "Solidarität statt Egoismus", "Impfen statt schimpfen", "Spazieren ist wie demonstrieren, nur feige" oder "Bitte lasst euch impfen - für euch und eure Mitmenschen". Ein paar Meter entfernt vom Brucker Rathaus hat eine Teilnehmerin des Protestzugs die Straßenseite gewechselt - und die beiden Lager kommen ins Gespräch. Wie in Brett vor dem Kopf hat sich die Frau ein Pappschild vor dem Kopf befestigt. "Keine Impfpflicht" steht darauf. Ein Thema, über das ein paar Minuten durchaus sachlich diskutiert wird.

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