David Mayonga alias Roger Rekless:"Das N-Wort ist traumatisch verlinkt"

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David Mayonga will seinen Lesern Erlebnisse und Fakten als Argumentationshilfe mitgeben. (Foto: Christian Endt)

Der Rapper und Autor David Mayonga hat ein Buch über seine Erfahrungen mit Rassismus geschrieben.

Interview von Selina Deger, Fürstenfeldbruck

Der Bayer David Mayonga muss sich regelmäßig mit Fragen wie: "Was du wollen?", und: "Woher kommst du?", befassen. Denn der in Markt Schwaben geborene und aufgewachsene Musiker, Pädagoge und Autor gehört zu den BPOC, den Black and People of Color. In seinem Buch: "Ein N**** darf nicht neben mir sitzen?", erzählt er von seinen Erfahrungen. Den Satz, der auch den Bucheinband ziert, sagte ein Kind zu ihm, als er selbst noch ein kleiner Junge war. Damals wusste er nicht mal, dass er mit diesem Wort gemeint war. Der 39-Jährige spricht im Interview über Diskriminierung im Alltag und nötige Aufklärung.

SZ: Wie kam es dazu, dass Sie dieses Buch geschrieben haben?

David Mayonga: Ich war damals am Königsplatz auf der Ausgehetzt-Demo und stand da im Regen und habe auf 35 000 Menschen geschaut, die sich stark machten gegen rassistische Hetze. Gleichzeitig war mir bewusst, dass ganz viele hier rassistische Denkmuster haben, die sie als Normalität empfinden und die ihnen noch nicht mal auffallen, weil sie eben so aufgewachsen sind. Und auch, dass viele hier hoffnungsvoll demonstrieren und mich trotzdem später fragen, wo ich herkomme. Ich wollte das den Menschen erklären, denn oft ist ihr einziges Argument, dass Rassismus nicht in Ordnung ist. Es ist wichtig, ihnen Erlebnisse und Fakten an die Hand zu geben, damit sie auf zwei Ebenen argumentieren können.

Worum geht es in dem Buch?

Ich habe in meinem Buch den Alltagsrassismus anhand von biografischen Erlebnissen erklärt. Erlebnisse, die verdeutlichen, wie es ist, als Mensch hier geboren und aufgewachsen zu sein und trotzdem immer wieder in das "Anderssein" gedrängt zu werden. Ich wollte den wissenschaftlichen Hintergrund in eine erlebbare Biografie bringen und auch die Leute empathisch abholen.

Spielt institutioneller Rassismus auch eine Rolle?

Man kann nicht über Alltagsrassismus sprechen ohne über institutionellen Rassismus, Chancengleichheit und Racial Profiling zu sprechen. Das fließt alles ineinander über. In unserem Alltag sind wir natürlich auch mit institutionellen Rassismus konfrontiert. Im Buch geht es um Menschen, die diskriminierende Erfahrungen aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft erleben.

Wieso haben Sie genau diesen Titel gewählt?

Ich möchte damit zeigen, was es für Sätze sind, die wir hören. Dieser Satz hat mir als kleines Kind gezeigt, dass ich etwas bin, von dem ich damals noch nicht mal wusste, was es ist. Das N-Wort ist so traumatisch verlinkt mit den Erfahrungen, die ich gemacht habe, und das wollte ich auch den Leuten zeigen, die das Buch nicht lesen, sondern es nur sehen. Auch wenn man empathielos ist und den Titel liest, hat man trotzdem begriffen, in was für einem Kontext das N-Wort oft fällt.

Wie reagieren Sie auf Menschen die das N-Wort benutzten und sagen: "Das haben wir schon immer so gesagt"?

Diese Aussage zeigt eigentlich genau das Problem. Den Leuten kann man dann klar machen: Das Wort war für sie immer schon normal, für andere war es aber immer schon schmerzhaft. Viele Menschen haben das Gefühl, dass das Wort jetzt auf einmal ein Problem ist. So ist es aber nicht. DieMenschen, die Jahrzehnte den Schmerz ertragen haben, werden nur auf einmal gehört und gesehen. Und nach langem Kämpfen ändert sich langsam etwas.

Wie genau kann man auf solche Sätze reagieren?

Man kann die Leute zum Beispiel fragen: "Möchtest du jemand sein, der durch das, was er sagt, andere verletzt?" Es lohnt sich auf jeden Fall, die Menschen anzusprechen. Ich persönlich würde allerdings vermeiden zu sagen, "das darf man nicht, das macht man nicht". Denn so entsteht der Eindruck das BPOC die Macht hätten, über die Sprache zu entscheiden, und so ist es nicht. Es ist keine Macht, es ist die Bitte, zum Freisein von Schmerz.

Findet dieses Argument ihrer Erfahrung nach Anklang?

Ich habe gelernt, dass die Leute oft gegen einen reden, man geht dann aus der Diskussion und denkt sich, man hat nichts erreicht. Aber in der nächsten Unterhaltung mit einer andern Person bringen sie dann vielleicht doch die selben Argumente an, die man ihnen zuvor gesagt hat. Manchmal braucht es seine Zeit, bis das bei den Leuten eingesickert ist.

Sie verwenden den Begriff BPOC. Hier scheinen viele verunsichert. Was ist der passende Begriff für Schwarze Personen?

Es gibt nur einen und das ist BPOC beziehungsweise BIPOC (Black and People of Color/Black, Indigenous and People of Color). Alle anderen Bezeichnungen sind stark vorbelastet. "Schwarz" wird von vielen noch akzeptiert, von vielen aber auch nicht. Der Begriff BIPOC wirkt konstruiert, das ist mir bewusst. Er ist aber nötig, um alle einzuschließen, also Schwarze, Indigene und People of Color.

Inwieweit kann Ihr Buch zur Aufklärung beitragen?

Es geht darum, dass es Menschen mit anderer Lebensrealität gibt, über die Weiße oft nicht Bescheid wissen. Sie wissen nicht, was den BIPOC weh tut und was nicht. Es soll nicht darum gehen: "was darf man, was darf man nicht", sondern darum zu zeigen, "Hey, diese Dinge verletzten Menschen". Das ist vielen nicht bewusst, auch nicht, welche Erfahrungen sie beispielsweise mit dem N-Wort triggern. Wenn man das weiß, gibt es keine Unsicherheit mehr.

So einfach?

Ich glaube, wer die Dynamik von Diskriminierung begreift und weiß, dass jeder damit individuell umgeht, der versteht, dass es auch total in Ordnung ist, nicht immer genau zu wissen, wie man sich jetzt am besten verhält. Jeder hat individuelle Erfahrungen gemacht. Aber man ist genau dafür sensibilisiert und das nimmt ein bisschen Unsicherheit und macht den Weg frei für eine offene und sensible Kommunikation.

An wen richtet sich das Buch?

Ich würde sagen, es ist auch für Eltern von Schwarzen Kindern. Oft ist Eltern nicht bewusst, was für eine rassistische Diskriminierung die Kinder durchmachen. Und das aus ganz unterschiedlichen Gründen. Vielleicht, weil weiße Eltern auch nicht sensibilisiert sind und bei Schwarzen Eltern heißt es oft, dass die Kinder das einfach aushalten müssen, was natürlich keine empathische Reaktion ist. Am Ende ist das Buch aber eigentlich für jeden Demokraten.

Welche Rückmeldung haben Sie bisher zu dem Buch bekommen?

Als Rückmeldung bekomme ich oft, dass die Leute sagen: "Hey, obwohl ich immer dachte, ich bin ja kein Rassist, habe ich noch einen ganz neuen Blickwinkel bekommen."

© SZ vom 01.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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