Man muss nicht unbedingt einen superdurchtrainierten Sixpackkörper haben, um als Spitzensportler durchzugehen. Beim Darts liefern auch Protagonisten mit bierbauchverdächtigen Rundungen Spitzenergebnisse ab, und das Publikum, das sie anfeuert, singt und grölt dazu in Faschingsverkleidung. Alle Jahre um die Weihnachtszeit und Jahreswende herum richten sie in London ihre Weltmeisterschaft aus in einer Location, die sie liebevoll Ally Pally nennen, und Millionen schauen dem Treiben fasziniert am Fernsehgerät zu. Einer von ihnen ist Thomas Puhl.
Natürlich hat er auch die Auftritte von Florian Hempel geguckt. Der stammt wie Puhl aus Dessau/Roßlau in Sachsen-Anhalt. Kennengelernt haben sie sich dort nie, beide trennen 20 Jahre. Doch mittlerweile sind sie Sponsor und Spieler. Puhl, 52, gehört mit seinem Dartshop namens Dreamdarts zu Hempels Geldgebern. Vor Weihnachten ist Hempel, 32, bei der WM in Runde zwei ausgeschieden. Immerhin hatte er es mit der aktuellen Nummer fünf der Darts-Welt, Luke Humphries, zu tun. Knapp war Hempels Niederlage, und dennoch hat der 32-Jährige, der in Köln lebt, eine bemerkenswerte Reise hinter sich. Der ehemalige Handballtorhüter wirft erst seit fünf Jahren mit den Pfeilen.
Genau zielen, das können Ballsportler zumeist, und damit ist vielleicht auch Hempels Aufstieg zum Dartprofi zu erklären. Im Dartshop von Thomas Puhl, den dieser Anfang November in Maisach eröffnet hat, hängen an einer "Wall of Fame" auch Konterfei und Autogramm von Florian Hempel (am 13. Januar gibt er dort um 16 Uhr eine Autogrammstunde), neben den Größen Gerwyn Price, Michael van Gerwen und Phil Taylor, der in der Szene längst Legende ist. Sie sind ein Hingucker in dem 60 Quadratmeter großen Geschäftsraum, der Puhls Onlineshop-Geschäft nun ergänzt.
Equipment für Darts vertreibt Puhl seit gut zwei Jahren im Internet, es war eine Idee, als er als IT-Berater während der Corona-Krise weniger zu tun hatte. Daheim wurde immer ein bisschen zum Spaß mit den Pfeilen geworfen, und so machten Vater und Sohn Puhl schließlich aus dem Hobby eine Geschäftsidee. Als ein Friseursalon den Laden an der Maisacher Hauptstraße verließ, griff Puhl zu und hat nun ein Alleinstellungsmerkmal. Denn der Dartshop in Moorenweis, der bisher der einzige im Landkreis war, ist mittlerweile dauerhaft geschlossen.
Die WM im Londoner Ally Pally wirkt sich auch auf das Geschäft in den Läden aus
Während und nach der WM in London schwillt das Geschäft normalerweise an und viele möchten sich erstmals am Pfeilwerfen versuchen oder die eigene Ausstattung aufrüsten. Das Spiel ist einfach, man wirft drei Pfeile aus einer Entfernung von 2,37 Metern auf ein rundes Board, das in Felder verschiedener Größe und mit Zahlen von eins bis 20 unterteilt ist und in der Mitte einen kleinen roten Kreis mit 1,27 Zentimetern Durchmesser besitzt, das Bull's Eye. Treffer dorthinein sehen besonders spektakulär aus. Möglichst schnell muss von 501 auf Null heruntergespielt werden. An sehr, sehr guten Tagen braucht ein Top-Profi dazu nur neun Würfe - ein solcher Neun-Darter ist ein Höhepunkt jeder Dartveranstaltung. Entsprechend selten kommt er vor.
Man könne sich vieles online holen, sagt Thomas Puhl, aber beim Kauf der Pfeile sei entscheidend, dass man sie mal in der Hand gehalten habe. Die mit dem eher bauchigen Griffstück nehmen oder lieber die schlanken? Die leichteren oder die mit mehr Gewicht? Ausprobieren ist wichtig, und deshalb hängen in Thomas Puhls Laden zwei Dartboards, an denen getestet werden kann. Alles ist individuell, auch bei den Profis. Einer wie Stephen Bunting spiele mit nur zwölf Gramm leichten Pfeilen, weiß Puhl, Ryan Searle indes nutze Pfeile, die 32 Gramm wiegen. Anfängern empfehle er, nicht zu schwere Pfeile zu verwenden, da man sehr oft werfen müsse und der Arm sonst schnell ermüde. Wurfstil und Wurfhaltung sind nicht zwingend vorgeschrieben, dennoch will die Technik geübt sein: Die Bewegung kommt aus dem Unterarm, der übrige Körper ist möglichst ruhig. Die Bewegung sei nicht so komplex wie beispielsweise ein Golfschwung, erklärt Puhl: "Es muss sich einfach gut anfühlen." Beim Darts gebe es kein Richtig oder Falsch, sagt er noch: "Jeder kann es machen, wie er möchte. Der Dart sucht sich den Spieler, nicht umgekehrt."
Das Zubehör umfasst mittlerweile auch Schallschutzsysteme
Mehr als 15 000 Mitglieder sind im Deutschen Dart-Verband registriert, 4500 sind es in Bayern. Organisiert gespielt wird im Landkreis Fürstenfeldbruck unter anderem beim Dartclub Emmering, im Nachbarlandkreis beim TSV Dachau und DC Niederroth. Auch in München gibt es mehrere Dartclubs, eine eigene Abteilung hat auch der TSV 1860 München. Dazu kommen die unzähligen vereinsungebundenen Freizeitspieler, die ihrem Hobby einfach zur Gaudi zu Hause im Keller oder in Kneipen nachgehen. Es ist noch immer überwiegend ein Männersport, aber es kämen auch "etliche Pärchen" in seinen Laden, hat Puhl beobachtet.
Thomas Puhl hat sich sein Wissen selbst angeeignet und auch manches von Florian Hempel erfahren, wie er sagt. Seit fast zwanzig Jahren lebt Puhl in Maisach. 1990, nach der Wende, zog es ihn von Dessau-Roßlau fort, erst nach Stuttgart, dann nach München und eben 2003 nach Maisach. Er selbst spielte früher Fußball, engagierte sich dann, als auch die Söhne zu kicken begannen, als Trainer und Jugendleiter beim SC Maisach.
In seinem Shop hält er 2500 Artikel vorrätig: Dartscheiben samt Beleuchtungssystemen, Surroundings genannte Kunststoffringe, die rund um die Scheibe fehlgeleitete Pfeile abfangen sollen, Steeldarts, Flights, Schäfte, Zubehör wie Darthalter, Dartmatten und -teppiche, Florian-Hempel-Trikots, aber auch Softdarts für elektronische Dartscheiben. Und für den Fall, dass es die Nachbarn nervt, wenn die Pfeilspitzen regelmäßig mit einem sonoren "Plopp"-Geräusch in das Board eindringen, gibt es auch Schallschutzsysteme. "Das senkt den Geräuschpegel exorbitant", weiß Thomas Puhl: "Bis unter Zimmerlautstärke".