Cyberkriminalität:Digitaler Diebstahl mit fetter Beute

54-Jähriger soll 300 000 Euro von Firmenkonto gestohlen haben. Schöffengericht verhandelt wegen Computerbetrugs

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Wer seine Bankgeschäfte online erledigt und merkt, dass sein Handy vorübergehend keinen Empfang hat, der sollte sehr vorsichtig sein. Vielleicht greifen Hacker just in dem Moment auf dieses Konto zu, so wie sie es vor drei Jahren gezielt bei einer Firma aus dem westlichen Landkreis getan haben. Der Schaden damals: 300 000 Euro. Die wurden vom betroffenen Geldinstitut glücklicherweise erstattet. Dennoch soll freilich der Verantwortliche für das Ausspähen von Daten und den Computerbetrug bestraft werden. Weshalb seit Dienstag ein 54 Jahre alter Tagelöhner aus Tschechien vor dem Schöffengericht in Fürstenfeldbruck sitzt. Der obdachlose Bauarbeiter besaß zwar das Konto, auf das das Geld überwiesen wurde, aber er bestreitet die Tat. Da ein wichtiger Zeuge am Dienstag fehlt, setzt der Richter den Prozess aus.

Der Angeklagte sitzt seit rund einem Monat in U-Haft. Erwischt hatte ihn die Polizei wegen eines Verkehrsdelikts. Dann war den Beamten aufgefallen, dass es sich um einen per Haftbefehl Gesuchten handelte. Die Staatsanwaltschaft legt dem Bauarbeiter nun zur Last, vor Juli 2013 bei der Postbank in Mainz ein Girokonto auf seinen Namen eröffnet und das Konto der später geschädigten Firma ausgespäht zu haben. Am 19. Juli 2013, so der Vorwurf, verschaffte er sich erneut Zugang zu diesem Konto, transferierte in 36 Überweisungen insgesamt 356 616 Euro auf sein Konto und hob von dort kurz darauf 300 000 Euro ab.

Der Angeklagte, dessen Aussage von einer Dolmetscherin übersetzt wird, gibt sich vor Gericht völlig ahnungslos. Ja, er habe auf Drängen seines Kumpels Kuba (Name geändert) und mit dessen Hilfe ein Konto eröffnet, da der gesagt habe, das brauche er, wenn er hier arbeite. Zur Kontoeröffnung "ist er überall mit hingegangen und hat überall Deutsch gesprochen". Die Geldkarte sowie sein Ausweis seien aber zur fraglichen Zeit nicht in seinem Besitz gewesen. Der 54-Jährige mit dem fast ganz grauen Vollbart und den fehlenden Schneidezähnen behauptet, beides über zwei Monate in einem Atelier vergessen zu haben, in dem er Trockenbauarbeiten ausgeführt hatte. Unstimmigkeiten wie etwa seine frühere Behauptung, Kuba habe seinen Ausweis verlangt und behalten oder die Tatsache, dass er 2015 von der Polizei mit vier gefälschten Ausweisen aufgegriffen wurde, beantwortet der Angeklagte nicht wirklich. Er wisse es nicht mehr genau, sagt er beispielsweise, oder er gibt gleich mehrere sich widersprechende Antworten.

Ein Ermittler der Kriminalpolizei in Fürstenfeldbruck bezeichnet das ganze Vorgehen als "sehr großen Aufwand, aber höchst professionell". Die Täter benötigten zunächst gültige Zugangsdaten zum Online-Banking, in diesem Fall über das Konto des Angeklagten. Wie der Beamte berichtet, werden solche Daten im Paket im Dark Net angeboten. Auf diese Weise werde zunächst ausgespäht, bei welchen Konten sich ein Angriff lohne. Um dann auf das fremde Konto zugreifen und den Sicherheitsmechanismus mit der Tan-Nummer umgehen zu können, verschaffen sich die Täter Zutritt zum jeweiligen Handy-Betreiber des Kontoempfängers und leiten die Telefonnummer vorübergehend auf ein anderes Handy um. Aus diesem Grund war auch das Mobiltelefon des geschädigten Geschäftsführers am Tattag eine halbe Stunde ohne Empfang. Wie dieser in der Verhandlung berichtet, war ihm etwa zur gleichen Zeit drei Mal der Zugang zu seinem Online-Konto verwehrt worden.

Zu der Vorgehensweise erklärt der Kriminaler, dass es sich noch um eine Vermutung handle, die aber angesichts der jüngsten Fälle immer wahrscheinlicher werde. Ferner habe der Angeklagte behauptet, dass Kuba sein Konto für eine ganz ähnliche Transaktion zur Verfügung gestellt habe und dass dieser mit der Filialleiterin der Postbank in Mainz ein Verhältnis habe, berichtet der Beamte. Die Bankangestellte, die damals das Geld ausbezahlt hat, versichert, den Ausweis des Kontoinhabers kopiert zu haben. Die Kopie ist aber nirgends in den Ermittlungsakten. Da zudem der als krank gemeldete Kuba vernommen werden muss, setzt der Richter das Verfahren vorerst aus.

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