Covid 19:Langes Warten aufs Ergebnis

Coronavirus - Arzthotline Hamburg

Ein Telefonanruf soll Gewissheit bringen: Wer Symptome von Covid-19 verspürt, kann unter Telefon 11 61 17 anrufen und sich beim ärztlichen Bereitschaftsdienst (oben) zu einem Test an der Haustür anmelden.

(Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Eine Frau aus Maisach verspürt Corona-Symptome und absolviert einen Test. Doch wie der ausgefallen ist, das weiß sie auch drei Wochen nach dem Abstrich noch nicht. Nun rätselt sie, ob sie ihre Wohnung verlassen darf oder Quarantäne richtig ist

Von Marija Bariśič, Fürstenfeldbruck

Die Geschichte beginnt meist mit der 11 61 17. Das ist die Telefonnummer des bundesweiten ärztlichen Bereitschaftsdienstes, die gerade überall zu hören und zu lesen ist: im Radio, im Fernsehen, in der Zeitung. Die, die man aus jedem noch so kleinen Ort in Deutschland anrufen kann, um schnell eine Antwort auf die wohl wichtigste Frage unserer Zeit zu bekommen: Könnte es sein, dass ich mich mit dem Coronavirus infiziert habe? Und wenn ja: Sollte ich mich testen lassen?

Zum ersten Mal stellen sich Laura (Name von der Redaktion geändert) und ihr Freund aus Maisach diese Fragen, als sie vor etwa einem Monat aus ihrem Tirol-Urlaub zurückkehren und erste Symptome spüren: leicht erhöhte Temperatur, 37,7 Grad, trockener Husten, Durchfall, Übelkeit. Sie beschließen noch einige Tage zu warten, bis das Robert Koch Institut (RKI) Mitte März auch das österreichische Bundesland Tirol in die Liste der Risikogebiete aufnimmt. Lauras Freund greift zum Hörer, wählt die 11 61 17, am automatischen Anrufbeantworter des Bereitschaftsdienstes vorbei, und "landet erst mal in der Warteschleife", wie Laura erzählt. "Wir mussten aber nicht allzu lang warten, bis jemand am anderen Ende der Leitung abgehoben und unsere Kontaktdaten aufgenommen hat." Verspüren Sie Symptome? Waren Sie in den letzten 14 Tagen in einem Risikogebiet? Ja und ja, lautet die Antwort. Laura und ihr Freund erfüllen die Kriterien des RKI, die für einen Test erforderlich sind. Die Person am Telefon verspricht ihnen, dass sie in den nächsten 24 Stunden von einem Arzt kontaktiert werden, der mit ihnen einen Termin vereinbaren soll. Das Telefonat endet an einem Sonntagvormittag gegen 11 Uhr. Der Rückruf folgt am darauffolgenden Dienstagnachmittag, "also eigentlich 24 Stunden später als angekündigt", erzählt Laura.

Dann aber, sagt sie, geht es recht schnell. Noch am selben Tag, weniger als vier Stunden später, steht ein Arzt in Schutzkleidung vor Lauras Gartentür. Mit seinem Kollegen steigt er aus dem Auto, zieht sich erst einmal seine Handschuhe an und den Mundschutz über das Gesicht. Später wird Laura erfahren, dass der Arzt von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) zu ihr geschickt wurde. "Mit größtmöglichem Abstand", erzählt Laura, "hat er dann zwei Wattestäbchen aus den beiden Plastikröhrchen gezogen und uns diese sanft bis in den Gaumen gelegt." Dann schiebt er die Abstriche wieder zurück in seine Röhrchen und verabschiedet sich auch schon. "Fünf Minuten vielleicht" habe das ganze Prozedere gedauert, sagt Laura. Kurz bevor der Arzt und sein Helfer ins Auto steigen, es ist gerade 19 Uhr, wollen Laura und ihr Freund noch wissen, wie viele Tests die beiden denn heute schon gemacht hätten: "Um die 80 herum", sagt der Arzt und fügt dann hinzu: "wir werden heute aber sicher noch bis zwei Uhr nachts unterwegs sein und am nächsten Morgen geht es um sieben Uhr wieder los." Die beiden Männer verabschieden sich aus der Ferne und mit dem Hinweis, dass Laura und ihr Freund in den nächsten 24 bis 48 Stunden telefonisch über ihre Testergebnisse informiert werden sollten. Sie müssen also nicht anrufen, nur warten, bis sie angerufen werden, versichert der Arzt. Zwei Tage später, am Donnerstag, wird Lauras Freund tatsächlich von einer anonymen Nummer angerufen. Die Person am Telefon teilt ihm mit, dass sein Testergebnis negativ sei. "Und das meiner Freundin? Die wurde am selben Tag getestet wie ich?", fragt er. Doch seine Frage bleibt unbeantwortet. Der anonyme Anrufer weiß es nicht.

Seit dem Test von Laura und ihrem Freund sind nun genau 21 Tage vergangen. Laura hat seitdem nichts mehr gehört, sie weiß immer noch nicht, ob ihr Testergebnis positiv oder negativ ist. Ihr Freund ist in der Zwischenzeit allerdings schon zum zweiten Mal über seines informiert worden. "Und so vermute ich, dass ein positives Ergebnis bei mir sehr unwahrscheinlich ist", sagt sie, "schließlich waren wir zusammen im Urlaub und wohnen auch zusammen." Trotzdem fragt Laura sich, ob ihr das Ergebnis überhaupt noch mitgeteilt wird und vor allem: wann.

Fragt man direkt bei der Pressestelle der 11 61 17, des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes, nach, so verweist diese sofort auf die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB). Jedes Bundesland sei schließlich für die Tests der eigenen Bürger zuständig, heißt es. Und tatsächlich reagiert die KVB schon ganz anders, als sie von Lauras Testerfahrung liest. Diese sei "leider kein Einzelfall", lässt der Pressesprecher per Mail ausrichten. Allein seit 2. März habe die KVB mehr als 37 268 Tests unternommen und befinde sich in einer "aktuellen Ausnahmesituation, die nicht nur die KVB, sondern alle Organisationen und Einrichtungen im Gesundheitswesen an ihre Grenzen bringt." Nach einer Abstrichentnahme durch den Arzt werden die Tests an private Labore innerhalb und außerhalb Bayerns geschickt. Das sind laut KVB im Moment so viele, "dass sich manche Labore für die Annahme von Abstrichen vorübergehend auch abmelden." Bei einem positiven Test, das betreffe "zum Glück" nur zehn Prozent, würde sich das zuständige Gesundheitsamt bei Laura melden und vermutlich Quarantäne anordnen. Bei einem negativen Test meldet sich die KVB.

Sollte Lauras Ergebnis also negativ sein, wartet sie im Moment neben ungefähr 33 000 anderen Personen in ganz Bayern auf einen Anruf der KVB. Das ist nicht überall in Deutschland so. Würde Laura nicht in Bayern, sondern in einem anderen Bundesland leben, könnte sie "nach ein paar Tagen ohne Info davon ausgehen, dass sie negativ ist", schreibt Axel Heise, Pressesprecher der KVB. Dass es in Bayern anders sei, liege am bayerischen Infektionsschutzgesetz und so kann Laura eigentlich nur eines tun - warten. Ist ihr Ergebnis positiv, wird sie das Gesundheitsamt des Landkreises anrufen und sich auf die Suche nach den sogenannten Testpersonen der Kategorie 1 machen.

Das sind all jene Menschen, die in den letzten 14 Tagen mit einer positiv getesteten Person in engem Kontakt gestanden sind. Diese, "nur diese", betont die Sprecherin des Landratsamtes Ines Roellecke, werden dann vom Gesundheitsamt getestet und über ihr Ergebnis informiert. "Sich an das Gesundheitsamt zu wenden, nur weil man Symptome hat und nicht weiß, ob man überhaupt getestet werden soll, ist also nicht richtig", sagt Roellecke. "Dieses wird nämlich nur von selbst aktiv und testet ausschließlich Kontaktpersonen." Der erste Schritt solle vielmehr, wie bei Laura, entweder ein Anruf bei der 11 61 17 sein oder, "noch besser", wie Roellecke findet: zu einem der niedergelassenen Ärzte im Landkreis führen.

Auch diese entscheiden nämlich, ebenso wie die KVB, nach den Richtlinien des Robert-Koch-Instituts, ob eine Person getestet werden sollte oder nicht und informieren im Falle eines Tests auch über das Ergebnis. Ob Laura ihr Ergebnis schon erfahren hätte, wenn sie sich nicht an die 11 61 17, sondern stattdessen an ihren Hausarzt gewendet hätte? Das kann wohl niemand richtig beantworten. Denn seit Ausbruch der Corona-Krise kommt es auch bei den Hausärzten immer wieder zu Kapazitätsengpässen und längeren Wartezeiten. Um das zu verhindern, hat Andreas Forster, Vorsitzender des ärztlichen Kreisverbandes, schon vorletzte Woche angekündigt, die Testung und Behandlung von infizierten Patienten künftig auf einzelne, wenige Praxen im Landkreis aufteilen zu wollen, allen voran auch deswegen, weil es den Praxen an Schutzkleidung fehle und diese sinnvoll eingesetzt werden sollte. Wie viele und vor allem welche Praxen für die Tests und Behandlung zuständig sein werden, ist allerdings noch nicht bekannt.

Bis dahin haben Menschen wie Laura jedenfalls noch die Möglichkeit sich an der Drive-Through-Station des Landratsamtes testen zu lassen. Die wird im Moment von einem Arzt und drei medizinisch vorgebildeten Helfern besetzt. 978 Personen im Landkreis haben sich mittlerweile schon an besagter Drive-Through-Station testen lassen (Stand: Freitagnachmittag) und davor eine Genehmigung beim Landratsamt eingeholt. Nur dann ist ein Test an der Station auch erlaubt. Über das Ergebnis informiert ein Team im Landratsamt, das aus Ärzten, medizinisch geschultem Personal und Assistenzkräften besteht. Sollte das Ergebnis an der Teststation positiv ausfallen, informiert ein Arzt des Teams, bei negativen Ergebnissen ein Teammitglied.

Laura fühlt sich mittlerweile besser, sie hat kein Fieber mehr und auch keinen Husten, kann das Haus zum Einkaufen verlassen. Ob sie das überhaupt darf, obwohl sie immer noch kein negatives Testergebnis bekommen hat, weiß sie nicht. Und auch die KVB, welche Laura vor etwa zwei Wochen getestet hat, kann darauf keine Antwort geben, schließlich "macht die KVB nur Abstriche und kann in diesem Sinne auch nichts anordnen, vor allem keine Quarantäne." Das, schreibt Pressesprecher Heise, könne nur das Gesundheitsamt. In Lauras Fall scheint das kein Problem zu sein, denn ihr Freund ist negativ und sie somit ziemlich sicher auch. Wie aber sollen sich etwa alleinstehende Menschen verhalten, die nach wochenlangem Warten immer noch kein Testergebnis haben und auch nicht wissen, wann es kommt? Dürfen sie einkaufen, spazieren gehen, das Haus verlassen? Darauf scheint im Moment niemand eine Antwort zu haben.

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