Süddeutsche Zeitung

Coca-Cola in Fürstenfeldbruck:"Selbst unsere Arbeitskleidung wird aus alten Flaschen hergestellt"

Im Coca-Cola-Werk läuft der Abfüllprozess inzwischen wieder auf Hochtouren, nachdem er in Lockdown-Phasen gedrosselt werden musste - und das aus einem kuriosen Grund.

Von Manon Harenberg, Fürstenfeldbruck

Um das Rezept von Coca-Cola drehen sich so einige Mythen. Streng geheim ist die Rezeptur der "Braunen Brause". Und auch über den Coca-Cola-Produktionsstandort Fürstenfeldbruck liegt der Schleier dieses Mysteriums, denn keiner der Mitarbeiter kennt die vertrauliche Zusammensetzung. Die braune Brause kommt nämlich bereits als Sirup an und wird vor Ort nur noch mit Wasser und Kohlensäure angemischt.

Doch in dem Brucker Werk wird weit mehr als nur der Klassiker Coca-Cola produziert. 15 verschiedene Getränke von Coca-Cola bis Fanta, Mezzo Mix und Sprite mit ihren jeweiligen zuckerfreien Varianten und speziellen Geschmäckern füllen die rund 400 Mitarbeiter vor Ort ab. "Wenn wir Vanilla produzieren, riecht man den Vanillegeruch auf dem gesamtem Werksgelände", sagt Patricia Irion, die erste Betriebsleiterin in Fürstenfeldbruck. Grundsätzlich sei zwar der Top-Wachstumstreiber in Deutschland "Coca-Cola Zero Sugar", doch regional gebe es Unterschiede. Während im Osten Deutschlands die besonders süßen Geschmacksrichtungen wie "Fanta Exotic Erdbeere" bei den Kunden gut ankommen, ist es im Süden vor allem das Mischgetränk "Mezzo Mix". In kleinen, mittleren und großen Flaschen werden die Getränke dann abgefüllt, von der 0,2-Liter-Glasflasche für die Gastronomie bis hin zur 1,25-Liter-PET-Pfandflasche für Zuhause.

Und hier liegt das Geheimnis der kohlensäurehaltigen Getränke verborgen: In dem sogenannten "Sirupraum", in dem ein brauseähnlicher Geruch in der Luft hängt. Die silbernen Tanks reichen bis unter die Decke. In ihnen werden die verschiedenen Komponenten zusammengemischt. Der größte Tank fasst eine Menge von 40 000 Liter. Diesen benutze man aber nur für besonders große Chargen, sagt Irion. In den zwei kleineren Tanks stehen bereits Coca-Cola Zero und Fanta Orange für die weitere Verarbeitung bereit. Durch silberne Rohre an der Wand, bahnen sich die Flüssigkeiten ihren Weg bis in die sich daneben befindende Produktionshalle. Die Halle wird durch den Lärm der Maschinen gefüllt. Geräuschschutz, Warnweste und Schutzbrille sind hier für die Mitarbeiter Pflicht. An drei Produktionslinien werden die Getränke in Einweg- und Mehrwegflaschen für Südbayern abgefüllt, im Jahr 2020 waren das 100 Millionen Liter.

Nacheinander laufen die Maschinen der Mehrwegproduktionslinie an. Pro Stunde gehen hier rund 65 000 Flaschen vom Band. Die gebrauchten Mehrwegflaschen landen in ihren gelben Getränkekisten zurück im Lager - dreckig und oftmals mit Müll vollgestopft. Denn die Flaschen kommen genauso an, wie der Kunde sie letzten Endes zurücklässt. Ob als Aschenbecher missbraucht oder voller Strohhalme. Gerade die 0,2-Liter-Glasflasche hält Überraschungen bereit, denn diese wird vor allem in der Gastronomie getrunken. "Man glaubt gar nicht, was die Leute alles in die Kästen schmeißen", sagt Irion. Also heißt es für die Flaschen: ab in die Dusche.

Als erster Schritt müssen sie raus aus der gelben Kiste, vollautomatisch versteht sich. Damit es auch schnell genug geht, befreit eine Maschine die 24 Flaschen gleichzeitig aus dem gelben Plastikkäfig. Bei 85 Grad werden die sie in der sogenannten "Waschmaschine" bei mehreren Waschprozessen grundgereinigt. Die Etiketten werden entfernt, genauso wie der hineingestopfte Müll. Quasi eine Spülmaschine, nur um einiges größer und schneller als man sie von zu Hause kennt. Blitzeblank kommen die Coca-Cola-Flaschen an der anderen Seite der Maschine heraus. Frisch geduscht, muss daraufhin jede einzelne Glasflasche auf mögliche Beschädigungen oder Verschleiß geprüft werden. Per Laser und Kameras wird jede einzelne abgetastet. Hat die Flasche die Kontrolle bestanden ist sie bereit, erneut befüllt zu werden.

Das Leergut kam nicht zurück

Bei der Mehrwegproduktion sind die Mitarbeiter auf den Leergutrücklauf angewiesen. Im Jahr 2020 bis Anfang 2021 habe der Standort die Folgen der Pandemie stark zu spüren bekommen, erzählt Irion. Nicht nur, weil das Werk für vier Wochen auf Kurzarbeit runtergefahren wurde, auch beim Leergutrücklauf kam es zu Problemen. "Die Leute haben das Pfand in ihrem Keller gehortet", sagt Irion. Über die sozialen Netzwerke hat Coca-Cola dann seine Kunden dazu aufgerufen, das Pfand beim nächsten Einkauf zurückzubringen. "So stark haben wir das noch nie erlebt", sagt sie.

Durch die Öffnung der Gastronomien habe sich die Situation mittlerweile normalisiert. Der Füllprozess kann wieder in seiner ursprünglichen rasenden Geschwindigkeit ablaufen. Für das menschliche Auge nur schwer zu verfolgen, tanzen die Flaschen in der Maschine auf und ab, der Schraubverschluss wird ein weiteres Mal gesäubert und dann heißt es: Deckel drauf. Zu guter Letzt trägt eine Maschine auf dem Bauch der Flasche Leim auf, damit das Etikett haften bleibt. Irion nimmt eine frisch produzierte Coca-Cola-Flasche aus der Produktionslinie und streift mit ihren Fingerspitzen über die Naht: "Die ist perfekt", sagt sie.

Wie alle Mitarbeiter trägt auch sie neonfarbene Arbeitskleidung. Auf der Rückseite ihres Oberteils befindet sich ein Schriftzug mit "made partly from", dahinter die Umrisse einer Flasche. "Selbst unsere Arbeitskleidung ist recycelt, sie wird aus unseren alten Flaschen hergestellt", erklärt sie. Roland Schneider ist Umwelt- und Energie-Koordinator bei Coca-Cola in Fürstenfeldbruck. "Wir möchten unseren Ressourcenverbrauch stark reduzieren, dazu gehört es, den Energie- und Wasserverbrauch zu senken", sagt er. Dafür bezieht der Standort 100 Prozent Fernwärme von den Brucker Stadtwerken. Auch werden die 0,5-Liter-Flaschen bereits aus 100 Prozent recyceltem Material hergestellt und auch das Reinigungswasser in der Produktion wird recycelt. "Für die Reinigung der Getränkekästen verwenden wir bereits genutztes Wasser. Ziel ist es, unsere Mitarbeiter für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren und den Gedanken voranzutreiben", erklärt Schneider.

Die Produktionslinie für die PET-Einwegflaschen befindet sich auf der anderen Seite der Halle. Sie läuft bereits auf Hochtouren. Irion steht vor einer Maschine, die für die spätere Form der Flasche sorgt. Gerade werden die 0,5-Liter-Coca-Cola-Flaschen hergestellt. "Das ist meine absolute Lieblingsmaschine", sagt sie. "Die Flasche bläst sich auf wie ein Luftballon". Irion hält eine "Preform" in der Hand, als eine solche beginnt der Lauf der Einwegflasche. Auf 120 Grad wird die Preform erhitzt und in eine Negativform geblasen. "Den Prozess kann man sich wie beim Kuchenbacken vorstellen. Genauso wie der Kuchen in der Backform seine Form finden, finden die Flaschen in der Negativform ihre spätere Gestalt", erklärt sie. Herauskommt die fertige Flasche, für sie geht es nun weiter zum Befüllen. Bis sie bei der nächsten Maschine ankommt, hat sie Zeit etwas abzukühlen. "Von da an ist der Füllprozess der gleiche wie bei den Mehrwegflaschen nur etwas langsamer, hier werden etwa 30 000 Flaschen pro Stunde befüllt", erklärt Irion.

Jetzt müssen die Flaschen nur noch bereit für den Vertrieb gemacht werden. In Paketen mit jeweils zwölf Flaschen werden sie einfoliert und auf einer Europalette gestapelt. Damit die Ware während des Transports nicht runterrutscht, wird auch die Palette gesichert. In einer Maschine dreht sich die Palette schnell um die eigene Achse, während sich eine Folie um sie und die Flaschen wickelt. "Das ist wie auf dem Jahrmarkt", sagt Irion.

"Jetzt bekommt das Lager ein Signal und schickt einen Gabelstapler, der die Palette zu ihrer vordefinierten Lagerfläche bringt," erklärt sie. Die Lagerregale ragen bis unter die hohe Decke. Wegen des regen Staplerverkehrs ist es den Mitarbeitern nur auf den gelb gekennzeichneten Wegen gestattet sich aufzuhalten. "Hier werden die vorgegebenen Aufträge zusammengestellt, die dann von unserer roten Flotte ausgeliefert werden", erklärt die Logistikleiterin Franziska Hübner. Die "rote Flotte"? Das sind die 23 roten Coca-Cola-Lastwagen, die im Lieferradius von rund 200 Kilometern etwa 2000 Kunden versorgen.

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SZ vom 10.11.2021/vewo
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