Christian Ude auf Wahlkampftour in Fürstenfeldbruck:Der Muntermacher

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Der SPD-Spitzenkandidat gibt sich bei seinem Informationsbesuch im Fliegerhorst erst staatsmännisch, danach erweist er sich im vollen Zelt des Volksfestes als pointenreicher Wahlkampfredner

Christian Hufnagel

Diese Wahlkampftour nimmt auf ihrer ersten Station geradezu staatsmännischen Charakter an. Der SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahlen ist mit einem kleinen Tross seiner Fürstenfeldbrucker Parteifreunde und ein paar Medienvertretern alleine unterwegs. Da das Gelände, das er an diesem Spätnachmittag mit dem Bus erkundet, ein militärisches ist, bleibt potenzielles Wahlvolk natürlich ausgeschlossen. Niemanden muss Christian Ude hier im Fliegerhorst von seinen Fähigkeiten überzeugen. Es ist für ihn eine reine Informationsfahrt. Gleichsam einem künftigen Landesvater hört er aufmerksam zu und stellt er einige wenige, aber durchaus prägnante Fragen, um sich ein Bild über die künftige Nutzung des Fliegerhorstes und die Einrichtung einer Gedenkstätte für die Opfer des Olympia-Attentats von 1972 zu machen.

Was der 65-jährige Hoffnungsträger der SPD zunächst im Tageszentrum der Offiziersschule für die Luftwaffe über die Umwandlungspläne erfährt, versetzt ihn in Staunen. Brigadegeneral Bernhardt Schlaak und Oberst Stefan Scheibl haben ihm gerade detailreich geschildert, wie der Übergang des 2,2 Millionen Quadratmeter großen Areals aus der militärischen in die zivile Nutzung die nächsten vier bis sechs Jahren schrittweise erfolgen soll. "Woher kommt es, dass Sie so vernünftig sind?", fasst der Gast nach. Er kenne die Bundeswehr nur so, dass sie bis zum letzten Tag bleibe und "mit einem Hauruck" ausziehe. Schlaak geht darauf nicht näher ein und begründet die aufgeschlossene Vorgehensweise mit der jahrelangen guten Zusammenarbeit mit den angrenzenden Kommunen. Was der dritte Bürgermeister der Kreisstadt gerne bestätigt. Und zudem versichert Ulrich Schmetz dem möglichen künftigen bayerischen Ministerpräsidenten, dass Fürstenfeldbruck "keine Trabantenstadt mit 10 000 Einwohnern" plane.

Den zweiten inhaltlichen Grund seines Besuches erschließt sich Ude ein paar Minuten Busfahrt später in einem "geschichtsträchtigen Gebäude", wie ein Kompanieführer dem Oberbürgermeister einen Ort erklärt, den dieser freilich nicht zuletzt durch die Gedenkfeier im vergangenen September zum 40. Jahrestag des missglückten Befreiungsversuches der israelischen Geiseln kennt. Trotzdem erfasst den Wahlkämpfer beim Blick aus dem ersten Stock des alten Towers auf die Betonpiste des ehemaligen Militärflughafens spürbar die Unmittelbarkeit der tragischen Ereignisse, da kann diese verheerende Nacht auch Jahrzehnte zurückliegen. Ob es nicht gut wäre, ein wenig von dem Umfeld zu erhalten, von diesem Ort, der nicht in Vergessenheit geraten sollte, will der Politiker leise wissen. Doch mehr als die bekannten Absichtserklärungen, den denkmalgeschützten alten Tower in eine Erinnerungsstätte umzuwandeln, können seine Gesprächspartner ihm nicht bieten.

Die Nachdenklichkeit, die Ude übermannt hat, bleibt am Schauplatz eines Massakers naturgemäß zurück. Als er eine halbe Stunde darauf ins volle Zelt des Volksfestes zum Defiliermarsch einzieht, strahlt er wie ein bayerischer Sonnenkönig: von Kamerateams umringt, die Entourage im Schlepptau, bejubelt und beklatscht von Hunderten von Parteimitgliedern aus dem Landkreis, die Veranstalter werden am Ende von gut 1800 Besuchern sprechen.

Das Publikum muss sich indes noch ein wenig gedulden. Wie bei einem Popkonzert dürfen erst ein paar Anheizer ran, bevor der Star auftritt. In der Politik übernehmen dies die heimischen Kandidaten der anstehenden Wahlen, eine solch große Bühne bekommen sie schließlich nicht wieder. Herbert Kränzlein will in den Landtag und ruft sogleich Ude als seinen künftigen Chef und "unseren künftigen Ministerpräsidenten" aus. Michael Schrodi sagt dem Neofaschismus den Kampf an, verspricht "guten Lohn für gute Arbeit" und empfiehlt sich selbst als "jungen spritzigen Roten" für Berlin. Und Landtagsabgeordnete Kathrin Sonnenholzner gibt dem Hauptredner die ultimative Vorlage: "Wir wollen nach 56 Jahren regieren."

Frenetischer Applaus brandet auf und trägt den Mann für diese Herkulesaufgabe geradezu auf das Podium. Ude nimmt die Stimmung sofort auf, zollt dem Publikum ein "riesiges Kompliment" , lobt die "ganz hervorragenden Kandidaten hier im Landkreis" und erfüllt in der Folge alle Erwartungen an ihn als ein Rednertalent, das jeden Satz druckreif formuliert und jede Passage gleich einem guten Kabarettisten zur Pointe mit beißender Ironie treiben kann. Bestes Beispiel sein Leitmotiv: "Die CSU macht ihr Regierungsprogramm wie ihre Doktorarbeiten." Wer die Anspielungen auf die Plagiatsfälle nicht versteht, bekommt es veranschaulicht: Ausstieg aus der Atomenergie, Energiewende oder das Abschaffen von Studiengebühren sind alles Ziele, die die SPD längst verfolgt habe, ehe der Ministerpräsident sie plötzlich für seine Ideen ausgegeben hätte, ätzt dessen Herausforderer. Dem Versagen der Landesregierung setzt er seine Erfolge als Münchner Stadtoberhaupt entgegen und zählt etwa Schuldenabbau, wirtschaftliche Gewinne bei der Energieversorgung oder den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs entgegen: 40 Prozent mehr U-Bahn-Strecken stünden zwei Prozent "und ein Bahnhof" bei der S-Bahn gegenüber.

Eine Stunde malt er dieses Schwarz-Weiß-Bild so überzeugend, dass seine Rede im Stakkato der Rufe seines Namens endet. "Die Stimmung ist riesig", gibt sich der SPD-Kandidat zurück auf seiner Bierbank mit sich und der Veranstaltung äußerst zufrieden. Sein Blick geht noch einmal über die ersten vier "begeisterten" Reihen mit den Parteimitgliedern hinweg über die roten Luftballons auf die acht gut gefüllten dahinter: "Auch die waren aufmerksam", gibt er die Atmosphäre im Zelt während seiner Rede im Gespräch treffend wieder. Und aus seiner Wirkung auf die zumeist eher zufälligen Volksfestbesucher scheint er nach diesem Auftritt seine Hoffnung zu schöpfen für die Erfüllung der selbstbewussten Losung auf dem Wahlplakat, das über der Bühne hängt: "Jetzt ist alles drin."

© SZ vom 03.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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