Die Männerhandtasche, ein hölzernes Tragerl für sechs Bierflaschen, also ein Sixpack zum Selbstfüllen, kommt aus der Caritas Werkstatt für Behinderte in Fürstenfeldbruck. Verkauft wird sie in Getränkemärkten. Die „Handtasche“ ist eins von vielen Produkten, die in dem Gebäude an der Maisacher Straße oder in der Zweigstelle am S-Bahnhof in Fürstenfeldbruck gefertigt, vormontiert, befüllt oder vollendet werden. Ein weiteres Beispiel sind die Kaffeebohnen für ein bekanntes Münchner Feinkostgeschäft: Die kleinen Gaben zum koffeinhaltigen Heißgetränk werden in Fürstenfeldbruck verpackt. Die Tätigkeiten und Aufgaben der derzeit 203 Beschäftigten dort sind vielfältig und haben ganz unterschiedliche Anforderungen. Und, besonders wichtig: Sie geben den Menschen eine Aufgabe, einen Sinn im Leben und Struktur. „Da ist ihr Leben. Da ist Arbeit, da sind Freunde, da ist Liebe“, fasst es Vertrauensperson Werner Käser-Draband zusammen.
Ganz ähnlich steht es im Leitbild: „Die Caritas-Werkstatt für behinderte Menschen in Fürstenfeldbruck, der Berufsbildungsbereich und die Förderstätte sind zweiter Lebensraum für diejenigen behinderten Menschen, die zumindest aktuell nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelbar sind.“ An diesem Samstag feiert die Einrichtung von zehn Uhr an ihr 50-jähriges Bestehen. Es soll ein großes Fest werden, mit Weißwurst-Frühstück und Blasmusik der örtlichen Kapelle, der Landrat kommt und hält eine Rede, es wird gespielt und gegrillt. „Und abends, wenn Thunderbird auftritt, rocken wir richtig einen ab.“ Thomas Heilmann blickt in die vier Augenpaare, die sich um den großen Tisch in seinem Büro reihen, er erntet zustimmende Begeisterung. Und viel Gelächter.
Heilmann leitet die Werkstatt seit vorigem Jahr. An diesem Mittwoch, wenige Tage vor der Feier, sitzt er mit Käser-Draband, der Frauenbeauftragten Jasmina Harcevic sowie Kerstin Schmitt und Lisa Gaubartz vom Werkstattrat bei einem Vorgespräch. Die Atmosphäre ist freundschaftlich-entspannt, es wird viel gelacht. Ihm sei wichtig, dass sie die Rede am Samstag zu viert halten und nicht er alleine auf dem Podium stehe, bloß weil er hier der Leiter sei, betont Heilmann. „Wir sind ein gutes Team, finde ich“, sagt er in die Runde. Die nickt enthusiastisch zurück.
„Die haben ein ganz gutes Verhältnis zu unserem Chef. Das ist das erste Mal so“, betont Käser-Draband. Seit 23 Jahren ist er in der Einrichtung Vertrauensperson und hat somit ein enges Verhältnis zu den physisch, geistig oder/und psychisch beeinträchtigten Beschäftigten. Er begleitet und unterstützt den Werkstattrat formal und inhaltlich und hält die Verbindung zum Chef. Bei dessen Vorgängern, berichtet Käser-Draband, sei die Beziehung nicht so vertrauensvoll und entspannt gewesen. „Der Werkstattrat ist hier kein Schimpfrat, sondern ein Mitwirkungsrat“, freut sich Heilmann. Er berichtet von dem Getränkeautomaten und dem Kiosk: Beides sei auf Drängen dieses Gremiums (wieder) in die Einrichtung gekommen.
Im Vergleich mit den Anfängen der Brucker Werkstatt 1974 im Gebäude der Alten Schule in Puchheim-Ort ist die Situation für Menschen mit Behinderung sicherlich etwas einfacher geworden, die Gesellschaft offener und auch sensibler für Vielfalt sowie die verschiedenartigen Bedürfnisse verschiedener Menschen. „Man merkt, dass es eine Entwicklung gibt.“ Wie Heilmann betont, hat jeder Mensch das Recht auf einen Arbeitsplatz. „Deswegen erweitern wir diesen Bereich“, sagt er und verweist er auf die noch für dieses Jahr geplante Vergrößerung der Förderstätte von zwölf auf 20 Plätze und die Teilnahme am Projekt begleiteter Übergang von der Werkstatt auf den ersten Arbeitsmarkt.
Denn eines der Ziele der Einrichtung ist es, die Beschäftigten in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Bereits 2007 wurde ein Stelle „Berufliche Integration“ in der Einrichtung geschaffen, um Beschäftigte der Werkstatt in Praktika, ausgelagerte Arbeitsplätze oder bestenfalls sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu vermitteln. 2010 wurde die Zweigstelle eröffnet, die Einrichtung von 140 auf 200 Beschäftigte vergrößert.
Dort sind nun die Gewerke Metallbearbeitung und Elektromontage ansässig, an der Maisacher Straße arbeiten rund 140 Menschen im Bereich Montage/Verpackung, Holzbearbeitung, Garten- und Landschaftspflege, Gastronomie-Hauswirtschaft, Küche, Berufsbildung und berufliche Integration sowie in der Leichtarbeits- oder Fördergruppe. Aus der dortigen Schreinerei stammt auch die Männerhandtasche. Dazu erzählt Heilmann, wie stolz die Beschäftigten sind, wenn sie dem hölzernen Accessoire im Alltag begegnen. Und dass er selbst einmal eines zum Geburtstag geschenkt bekommen hat – lange bevor er nach Fürstenfeldbruck kam und von seiner Herkunft erfuhr.