Passiert man die geschwungene und üppig bestückte gläserne Tortentheke des Café Wiedemann und nimmt auf einer der halbrunden gepolsterten Bänke Platz, kann man sich mit Blick auf Kristall-Lüster, einen großen Spiegel mit barock anmutendem, goldfarbenen Rahmen und einem offenen Kamin (der an kalten Tagen auch in Betrieb ist) durchaus ans Café Dommayer erinnert fühlen.

Das gehört zu den Top Ten der Kaffeehäuser in der österreichischen Hauptstadt. An der Schöngeisinger Straße in Fürstenfeldbruck punktet das "Conditorei-Café" nicht nur mit einer gehörigen Portion Wiener Charme, sondern ebenso mit einem vielseitigen und umfangreichen Angebot.

Neben einer großen Frühstücksauswahl - vom Croissant mit Butter und Marmelade bis hin zur herzhaften Schlemmervariante - gibt es Dutzende hausgemachte Kuchen und Torten. Besonders stolz sind die Chefs Johann, 71, und Martin Wiedemann, 42, sowie ihre 18 Mitarbeiter auf Eigenkreationen wie die Bananentorte oder die Fürstenfelder Torte, die es nur hier gibt - ein vertikal geschichtetes Mokka-Baiser-Kunstwerk.
Es geht noch aufwendiger: Die Konditoren beliefern regelmäßig Hochzeitsfeiern und Betriebsjubiläen. Die Torten sind schon mal mehrstöckig und für 300 Personen dimensioniert. Wie lange die Herstellung einer Torte dauert, könne man nicht so einfach sagen, so Martin Wiedemann. Denn die Verarbeitung der Zutaten kann sich etappenweise schon mal über eine Woche hinziehen.

Welche himmelstürmenden Bauwerke aus Zuckerguss und feinen Zutaten wie Butter und spezieller Schokolade möglich sind, ist auf Veranstaltungen wie der Hochzeitsmesse "Glücksmomente" im Veranstaltungsforum zu sehen. Einmal wurde sogar ein Meeting des Bayerischen Rundfunks mit Thomas Gottschalk beliefert, jüngst auch Jubiläumsfeiern des Bayerischen Roten Kreuzes und des Jugendamts in München. Der Familienbetrieb hat sich über die Grenzen der Kreisstadt hinaus einen Namen gemacht.
Als weitere Parallelen zum Wiener Dommayer gibt es im Café Wiedemann Konditorpralinen sowie - jeden Freitag - Mehlspeisen wie Kaiserschmarrn. Und Eis, natürlich ebenfalls hausgemacht.

Mit Eis fing 1949 in Bruck alles an: Max und Pepi Wiedemann eröffneten an der Augsburger Straße die erste Eisdiele der Stadt. 1958 folgte der Umzug an die Schöngeisinger Straße. Anfang der Achtzigerjahre übernahm Johann Wiedemann mit seiner Ehefrau Anita Café nebst Konditorei von den Eltern. Der heutige Senior-Chef bezeichnet sich als "Konditor aus Leidenschaft" und lässt sich den Spaß am Beruf auch nicht verderben durch einen bisweilen überbordenden Paragrafendschungel mit Dokumentationspflichten, die bis hin zum detaillierten Putzplan reichen.


Mittlerweile ist sein Sohn, ebenfalls zertifizierter Handwerksmeister seines Fachs, mit in die Geschäftsführung eingestiegen - tatkräftig unterstützt wird das Vater-Sohn-Gespann von seinen Frauen. "Martin ist ein super Nachfolger, wir verstehen uns gut", sagt Johann Wiedemann. Der Juniorchef wurde in das Handwerk "hineingeboren", wie er es ausdrückt. Er hatte zwar nach der Schule kurz überlegt, ob der Beruf des Elektrikers was für ihn sein könnte. Nach ein paar Schnuppertagen in einem Betrieb war für ihn dann aber klar, dass das nicht die erhofften Möglichkeiten bieten würde, "etwas zu gestalten, zu bewegen und immer wieder das fertige Produkt zu sehen".

Der stete Wandel und der Wille, Neues auszuprobieren, lässt sich beim Blick auf die Frühstückskarte nachvollziehen. Wenn es Nachfrage gibt, wird auch mit "Nischenprodukten" experimentiert. Vollkorn und Veganes haben sich hingegen längst etabliert. So gibt es das "Fit-und-vital"-Frühstück ebenso wie den Cappuccino mit aufgeschäumter Hafermilch.
Dass die der Kuhmilch geschmacklich nicht nachsteht, davon kann man sich auch im lauschigen Wirtsgarten an der Rückfront überzeugen - eingerahmt von viel Grün und mit Blick auf einen plätschernden Springbrunnen sitzt dort am Vormittag ein generationsübergreifendes Trio - eine Frau mit Tochter und Enkeltochter - und genießt unter dem orangefarbenen Sonnenschirm ein spätes Frühstück.
Wochentags politisieren acht Freunde am Stammtisch
Was wäre ein echtes Kaffeehaus ohne Stammtisch, an dem ordentlich politisiert wird? Den gibt's natürlich auch. Acht Freunde treffen sich regelmäßig an Wochentagen im Café Wiedemann, um sich in gemütlicher Runde über Gott und die Welt auszutauschen - ein paar Hundert Jahre Lebenserfahrung kommen da schon zusammen. An Wochenenden geben in dem Kaffeehaus dann eher Familien mit Kindern den Ton an.
Eine Tasse Cappuccino gibt es im Fürstenfeldbrucker Café Wiedemann , Schöngeisinger Straße 28, für 2,90 Euro (klein) oder 3,90 Euro (groß). Das Croissant kostet 2,20 Euro, ein Stück Kuchen um die 3,80 Euro. Geöffnet ist Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag und Samstag jeweils von 9 bis 17 Uhr, Sonntag und Feiertag von 10 bis 17 Uhr. Reservierungen unter Telefon 08141/122 50.