Bustour in die Vergangenheit:Im Schatten des Gotteshauses

Kreisheimatpfleger Toni Drexler führt am "Tag des offenen Denkmals" auf die Spuren der Täufer. An die Reformbewegung erinnert nur wenig. Sichtbar sind hingegen die Bauten der kirchlichen und adeligen Macht, die sie vernichtet haben

Von Christian Lamp, Fürstenfeldbruck

Es sei mit den Täufern alles in allem eine eher "traurige Geschichte", begrüßt Kreisheimatpfleger Toni Drexler die gut 60 Teilnehmer. Er steht in der restaurierten Pfarrkirche St. Margareta in Günzlhofen, dem ersten Halt der von ihm und Sepp Kink anlässlich des Tages des offenen Denkmals organisierten Bustour "Orte zur Geschichte der Reformation in unserer Heimat". In einer Seitenkapelle sind zwei Epitaphe der adeligen Perwanger, mit denen die Geschichte der Täufer im Landkreis beginnt und endet, in die Wand eingelassen.

Die rotmarmornen Grabsteine sind "von äußerst hochwertiger Qualität", meint Drexler. Der erste zeigt eine abgemagerte Frau, eine Kröte auf ihrer linken Schulter und eine Schlange, die sich durch den Leib windet: Memento Mori. Anna, gestorben 1488, war die erste Frau von Hofmeister Jeronimus Perwanger. Der starb 1507, sein Grabstein ist entgegen dem seiner Frau ganz in der alten Tradition als Triumph des Lebens gehalten: Er ist als Ritter in vollem Ornat abgebildet.

Kirche Günzlhofen

St. Margareta in Günzlhofen.

(Foto: Günther Reger)

Nach dem Tod von Jeronimus erbten seine Söhne Augustin und Christoph die Hofmark Günzlhofen; laut Drexler "hochgebildete Menschen". Mit dem Pfarrer kam Augustin nicht zurecht und verfasste eine 16-seitige Polemik, die er gedruckt verbreiten ließ. Allerdings brachte diese Kampagne nicht den Pfarrer zur Aufgabe, sondern den Herzog von Bayern Wilhelm IV. auf seine Spur. Die beiden wären als "Revoluzzer" angesehen worden, erzählt Drexler, daraufhin hätten sie sich konsequent den Täufern angeschlossen, die sich zu dieser Zeit im Lechrain ausbreiteten.

Zur "Geschichte der Sieger", wie er es formuliert, gehört es, dass die Verlierer aus der Erinnerung verdrängt werden. Drexlers Beschäftigung mit den Täufern dient der Erinnerung der Unterlegenen. Die radikalreformatorische Bewegung hat ihren Namen von der Erwachsenentaufe: Ausdruck der freien Entscheidung zum Glauben. Viel wesentlicher sei anderes gewesen, so Drexler: "Friedfertigkeit", ein "sehr soziales Verständnis von Mitmenschlichkeit", die Ablehnung von Liturgie, Gemeinden und Priestern. Die Bauernkriege, deren Anführer Thomas Müntzer vom Philosophen Ernst Bloch nicht zufällig als revolutionär-messianische Gestalt gesehen wurde, seien an Bayern zwar vorbeigegangen. Aber das Gedankengut drang durch. Die Täufer waren mehr noch als eine religiöse eine "hauptsächlich soziale Bewegung", meint Drexler: beinahe schon ein sich vom Urchristentum her konstituierender "Ur-Kommunismus".

Täuferbrunnen Hörbach

Der Gedenkbrunnen bei der Pfarrkirche St. Andreas.

(Foto: Günther Reger)

Insofern war es untypisch, dass Adlige sich den Täufern anschlossen. Das Gros bildete die dörfliche Unterschicht: Handwerker, Taglöhner und Kleinbauern. Der einzige bekannte Großbauer bei den Täufern sei Jörg Sedlmaier gewesen, laut Drexler gehört er wohl zum ehemaligen Sedlhof in Hochdorf. Das riesige Stallgebäude quer zur Straße ist noch gut in Schuss, die beiden Wohngebäude sind hübsch renoviert und gelb gestrichen. Auf dem erhaltenen Hoftor steht der heilige Nepomuk Wache, das ganze Dorf ist in Efeu gehüllt. Seldmaier habe gepredigt und getauft, nach der Flucht vor den Schergen des Herzogs verlöre sich in Augsburg seine Spur.

Ebenfalls in Hochdorf steht ein barocker "fast schlossartiger" Pfarrhof. Die Kirche wollte ein Bollwerk gegen die ketzerischen Täufer schaffen, berichtet Drexler, deshalb habe sie die Pfarrgemeinden Hörbach und Hochdorf zusammengelegt, um eine einträgliche Pfarrei zu schaffen. Der so ermöglichte starke Pfarrer scheint jedenfalls seine Gemeinde gut im Griff gehabt zu haben. Nach dem kurzen Aufflackern der Täufer sei nichts mehr überliefert, teilt Drexler den Teilnehmern mit. Deren Ende war im Frühjahr 1528, als Wilhelm IV. die beiden unbequemen Perwanger Augustin und Christoph für ihre revolutionären Umtriebe köpfen ließ. Dazu gehörte auch die Einrichtung einer unabhängigen Dorfschule in Günzlhofen, die noch lange nach dem Tod von Augustin in Bayern vorbildlich bleiben sollte. Eine "bewusste Machtdemonstration des Herzogs" also, schließt der Kreisheimatpfleger.

Bustour in die Vergangenheit: Der Innenhof von Schloss Hegnenberg.

Der Innenhof von Schloss Hegnenberg.

(Foto: Christian Lamp)

Mit dem Ende der Perwanger geht der Aufstieg eines anderen Adelsgeschlechts einher. Der Ritter Georg von Hegnenberg-Dux war ein unehelicher Sohn eben jenes Herzogs, der die Täufer hinrichten ließ. Dieser belehnte ihn 1542 mit Schloss Hofhegnenberg - damit sein "Söhnchen" gut versorgt sei und gleichzeitig im Lechrain für Ruhe sorge. Aus dem 16. Jahrhundert stammt deshalb auch der Großteil des mittlerweile in Privatbesitz befindlichen und originalgetreu restaurierten Renaissance-Schlosses, davon zeugen die einst vermauerte Arkaden im Innenhof. Das Grabdenkmal des Ritters steht heute in einem weißen Nebenraum der Schlosskapelle.

Wie die Grabsteine der Perwanger ist die fein gearbeitete Statue aus Rotmarmor gefertigt. Und wie Jeronimus ist auch der Ritter Georg in vollem Ornat dargestellt. An Augustin und Christoph erinnert immerhin eine rotmarmorne Inschrift in der Pfarrkirche Günzlhofen. An die vier 1528 hingerichteten Hörbacher Täufer dagegen gemahnt nur ein unscheinbarer steinerner Brunnen vor der Pfarrkirche St. Andreas.

Im Wasser unter dem steten Plätschern sieht man vier kleine Hände, die ineinander verschränkt ein Gitter bilden, in die Seitenwand sind ihre Namen gemeißelt. Der Brunnen entstand auf Initiative Drexlers und steht sinnbildlich für sein Vorhaben, die Geschichte der Sieger gegen den Strich zu bürsten, wie Blochs Freund Walter Benjamin es einmal formulierte, und an die Unterdrückten zu erinnern. Denn die Pracht im Landkreis, wie sie sich im Pfarrhof und dem Schloss Hofhegnenberg heute noch zeigt, zeugt nur von der Macht des Herzogs und der Kirche. Die Spuren der Täufer dagegen sind ebenso unscheinbar wie der kleine Brunnen. Aber dafür vielleicht umso wertvoller.

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