Bundestagswahlkampf :Genug Akademiker

Bundestagswahlkampf : FW-Bundestagskandidat Harald von Herget (links) versucht, sich im Wahlkampf als Bildungspolitiker zu profilieren.

FW-Bundestagskandidat Harald von Herget (links) versucht, sich im Wahlkampf als Bildungspolitiker zu profilieren.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Freie Wähler wollen die praktischen Berufe stärken

Von Christian Lamp, Germering

Er sei doch, so sagt Michael Piazolo zu den Anwesenden, hier, um von ihnen zu lernen: Vergangenen Montag fand im Restaurant Mythos eine bildungspolitische Wahlkampfveranstaltung der Freien Wähler (FW) statt. Zur Unterstützung von deren Bundestagskandidat, dem Anwalt Harald von Herget, hat der Landtagsabgeordnete dort das Parteikonzept für sachbezogene, nicht ideologische Bildungspolitik mit Wählern diskutiert. Im Wesentlichen ein konservativer Blick zurück: Das traditionelle deutsche Bildungssystem sei Garant wirtschaftlicher Prosperität, zu deren Bewahrung allerdings ein behutsamer Abbau bürokratischer Hindernisse nötig sei. Diese (wirtschafts-)liberalen Positionen der Parteivertreter stoßen im Saal auf merkbar weniger Befürwortung als die konservativen.

Die FW sind laut Piazolo immer schon eine "Bildungspartei" gewesen, schließlich gelten "Köpfe" als wichtigster Rohstoff in Bayern. Als besonderen Erfolg verbucht er das von den FW initiierte Volksbegehren zur Rückkehr zum G 9, auch wenn die geplante Umsetzung unter Federführung der CSU inhaltlich suboptimal bleibe. Piazolo ist sich sicher: "Wir hätten das besser gemacht." Probleme sieht er zusätzlich bei Kita- und Kindergartenplätzen, Ganztagsangeboten, den Übertrittsmechanismen sowie allgemein dem Lehrermangel.

Die FW bekennen sich laut Piazolo immer noch klar zum dreigliedrigen Schulsystem. Jeder brauche eben die Bildung, die ihm aufgrund gesellschaftlicher Voraussetzungen wie Elternhaus et cetera "gemäß" sei. Von Herget, der sichtlich um Redeanteile bemüht ist, moniert deshalb das "starke Streben in Richtung Akademisierung". Die beiden Akademiker Herget und Piazolo sind sich darin einig, dass zu viel Wert auf das Studium als Selbstzweck gelegt werde. Gerade weil, wie der Ökonomieprofessor Piazolo bemerkt, das duale System ein weltweiter Wettbewerbsvorteil sei und Deutschland erst stark gemacht habe: "Exportweltmeister sind wir nicht geworden, weil wir so viele Germanisten und Theaterwissenschaftler haben." Damit erntet er Beifall. Man müsse die Mittel- und insbesondere die Realschulen ebenso wie die praktischen Berufe im öffentlichen Bewusstsein wieder stärken. Berufliche Bildungsmaßnahmen, die Kooperationen von (Hoch-)Schulen mit der Wirtschaft, sowie duale Studiengänge sollten ausgebaut werden.

Gerade den Eltern komme bei dieser konservativen Umwertung eine wesentliche Rolle zu. Schon bei der Sprache müsse man darauf achten, dass die Begriffe nicht automatisch alles außer Gymnasium und Studium negativ konnotierten und die Kinder unbewusst konditionierten. Den entrüsteten Verweis einer Mutter, "die Politik" sei doch an dieser Drucksituation Richtung Hochschule hauptverantwortlich, wendet der Bundestagskandidat in eine gesellschaftliche Perspektive: Dass, solange die ökonomischen Tendenzen klar für einen akademischen Abschluss sprechen, die Eltern logischerweise den Übertritt aufs Gymnasium forcieren würden. Langfristig bräuchte es auch eine wirtschaftliche Aufwertung praktischer Berufe, insbesondere in der Pflege, die von Herget staatlich garantiert sehen möchte. Die FW würden versuchen, den systemischen Lehrermangel zu bekämpfen. Eine subtile Liberalisierung des Arbeitsmarktes solle die "absurde" Situation von fertig ausgebildeten, aber nicht festangestellten Lehrkräften beheben. Grund seien Bürokratie und Sparzwänge.

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