Bundestagswahl:SPD sieht sich von der Stimmung getragen

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Fünf Tage vor der Bundestagswahl kommt Parteichef Norbert Walter-Borjans nach Olching. Am Wohnort von Michael Schrodi unterstützt er dessen Bemühungen um das Direktmandat im Wahlkreis Fürstenfeldbruck/Dachau

Von Ariane Lindenbach, Olching

Selbstbewusst und siegessicher präsentiert sich fünf Tage vor der Bundestagswahl die SPD. Bei einem Besuch von Parteichef Norbert Walter-Borjans in Olching, Heimat seines Parteifreunds Michael Schrodi, dem Direktkandidaten für den Wahlkreis Fürstenfeldbruck/Dachau, und seit 13 Jahren mit Bürgermeister Andreas Magg von einem weiteren Parteifreund regiert, ist die Stimmung am Dienstagnachmittag auf dem Nöscherplatz prächtig, fast schon euphorisch. Es sind zwar nur Parteimitglieder gekommen. Aber die berichten von einer völlig veränderten Stimmung im Wahlkampf: Der Wunsch nach einer politischen Veränderung - im Sinne eines Wahlsieges der Sozialdemokraten - sei spürbar, sagen sie. Und Schrodi und Walter-Borjans beschwören eine "Aufbruchstimmung".

Etwa zwei Dutzend Menschen - die Anzahl wächst in den nächsten Minuten weiter an - stehen an diesem Nachmittag zwischen der Kirche Sankt Peter und Paul und einem roten, parteieigenen Sonnenschirm mit zwei Bistrotischen darunter mit Wahlkampfmaterial der SPD - Flyer, Broschüren, Samenmischungen für Blumenwiese und Rosen. Es sind altgediente Genossen aus Olching, aber auch aus Puchheim und Eichenau, darunter der langjährige Kreis- und Gemeinderat Peter Falk sowie der frühere Kreisvorsitzende Alfred Münch. Zwei Beamte der Polizei Olching beobachten den entspannten Austausch unter Gleichgesinnten aus einiger Entfernung.

Als Walter-Borjans, der am Abend noch einen Termin mit Schrodis Kollegin Carmen Wegge in Gauting im Nachbarlandkreis Starnberg hat, mit Schrodi zu Fuß aus Richtung des Kreisverkehrs kommt, verstummen die Gespräche, Kameras und Handys werden gezückt, Applaus erklingt.

"Es ist mir eine große Ehre, dass du da bist, hier in meiner Heimatstadt", beginnt der 44-jährige Schrodi, dessen politische Karriere übrigens wie die seiner Konkurrentin von der CSU, Katrin Staffler, im Gemeinderat in Gröbenzell angefangen hat. Klimawandel, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Pandemie, bezahlbarer Wohnraum und die - vor allem weibliche - Altersarmut "das wird am Sonntag eine Richtungsentscheidung sein für Deutschland und auch für den Wahlkreis", stellt der Gymnasiallehrer und Vater von zwei Kindern mit wenigen Worten die Bedeutung dieser Bundestagswahl heraus. Und verweist auf den ungewohnten Umstand, dass die Sozialdemokraten in den Umfragen vor der Union liegen. Gewonnen sei die Wahl deshalb aber noch lange nicht, mobilisiert er die wahlkämpfende Basis noch einmal für den Endspurt: "Als Fußballer, wir spielen immer auf Sieg." Mit Blick auf den Kanzlerkandidaten der Union, Armin Laschet, der in den letzten Wochen kaum Präsenz gezeigt habe, erklärt er: "Das zeigt die Hilflosigkeit des politischen Mitbewerbers".

Walter-Borjans, der sieben Jahre lang als Finanzminister mit Laschet gearbeitet hat, wird noch konkreter. Dem großen Koalitionspartner jetzt eine Mehrheit an Stimmen abzujagen bedeute auch, "gegen einen, der es nicht kann" zu gewinnen, teilt er gegen den Konkurrenten aus und bescheinigt seiner Partei mit der Wahl von Scholz zum Kanzlerkandidaten "die richtige Entscheidung" getroffen zu haben.

"Wir erleben im Moment eine Aufbruchstimmung", berichtet der Parteichef von viel Zuspruch in den letzten Wochen, auch von Nichtwählern. Bei dieser Wahl "geht es wirklich um eine ganz wichtige Entscheidung, nicht nur für die nächsten vier Jahre". Mit der SPD würden die Weichen in Richtung soziale Gerechtigkeit gestellt, während die Union ihren bisherigen Kurs weiter fahre und die Reichen entlasten wolle. Aus Angst vor einem Wahlsieg der SPD hätten sie nun ihre Linksrutsch-Kampagne gestartet. "Ich bin der Linksrutsch", betont Walter-Borjans voll Ironie, während er das Revers seines grauen Jackets glättet. Aber dafür stehe er gerne, wenn Linksrutsch einen Mindestlohn von zwölf Euro und bezahlbaren Wohnraum bedeuteten.

Während Walter-Borjans von Bürgermeister Magg für einen Eintrag ins Goldene Buch der Stadt und dann von Parteigenossen für Fotos entführt wird, tauscht die Basis Erfahrungen aus dem Wahlkampf aus. "Es ist eine ganz andere Stimmung", schwärmt eine Frau. "Es tut schon sehr gut, wieder im Aufwind zu sein", statt an Infoständen kritisiert und beschimpft zu werden. Sie habe schon von mehreren CSU-Wählern "ungefragt und unaufgefordert", wie sie betont, gehört: "Diesmal wähle ich SPD." "Viele Jahre gab es nur Mitleid mit uns, jetzt redet man wieder mit uns", freut sich ein weißhaariger Herr.

© SZ vom 23.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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