Weißwürste, Bier und ein volles Haus: SPD-Parteivorsitzender Lars Klingbeil muss sich beim Wahlkampfauftritt in Germering gefühlt haben, als wäre er der Lokalmatador der CSU. Schätzungsweise 120 Besucherinnen und Besucher folgten der Einladung zum Gespräch mit ihm. Der Beginn der Veranstaltung verzögerte sich, weil aus angrenzenden Räumen der Stadthalle erst noch Stühle herangeschafft werden mussten. In Bayern gehe es ihm immer gut, sagte Klingbeil, und gab sich als Fan des FC Bayern München zu erkennen – ein Statement, das nicht nur Zustimmung im Publikum fand.
Vom Andrang zeigte sich der SPD-Parteichef nicht überrascht. Bei Wahlkampfveranstaltungen seien mehr Menschen anzutreffen als früher. Für Klingbeil ein Zeichen dafür, dass viele Wählerinnen und Wähler verunsichert sind, Fragen haben und nicht wissen, wo sie am kommenden Sonntag ihr Kreuz machen sollen. Deswegen wolle er auch keine lange Rede halten, sagte er, sondern möglichst rasch mit den Besuchern ins Gespräch kommen.

Ein paar Punkte sprach er dennoch an. Er erzählte von zwei Bekannten, beide haben Migrationshintergrund, leben und arbeiten aber schon lange Zeit in Deutschland. Die hätten ihn nach der Bundestagssitzung, in der Union und FDP einen CDU-Antrag zur Migration mit den Stimmen der AfD durchboxten, angerufen und gefragt: „Gehören wir eigentlich noch dazu?“ Ihenen und dem Publikum in Germering versprach Klingbeil, die SPD werde sich immer vor Menschen wie sie stellen.
Klingbeil lobte auch Carmen Wegge: „Ihr habt eine tolle Abgeordnete.“ Am Wahlsonntag hat Klingbeil Geburtstag. Einer seiner Wünsche für diesen Tag sei, dass Wegge auch die nächsten vier Jahre dabei sei, sagte er. Die 35 Jahre alte Juristin zog 2021 erstmals in den Bundestag ein. Sie hat sich unter anderem eingesetzt für die Abschaffung eines Strafrechtsparagrafen, der Ärztinnen und Ärzte mit Strafe bedrohte, wenn sie öffentlich Informationen zum Schwangerschaftsabbruch gaben. Die in Olching aufgewachsene Politikerin kandidiert im Wahlkreis Starnberg-Landsberg-Germering.
Wegge gehört auch zu den Initiatoren eines fraktionsübergreifenden Antrags zum Verbot der AfD. Weshalb der Verbotsantrag noch nicht auf den Weg gebracht worden sei, wollte ein Zuhörer wissen. Die SPD-Politikerin versprach, das sofort zu tun, wenn die AfD vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft werde. Dem schloss sich auch Klingbeil an. Der Antrag müsse aber für das Verfassungsgericht gut begründet sein, denn „wir haben nur einen Schuss“.
Weckruf für Europa
Die von der Trump-Regierung deutlich gemachte Abkehr der USA von Europa nannte Klingbeil einen Weckruf für eine engere Zusammenarbeit in Europa. Er forderte eine gemeinsame Verteidigungspolitik. Auch wirtschaftlich könnten die EU-Länder mit den USA mithalten, sagte der SPD-Chef. Er wolle den Amerikanern die Entwicklung der künstlichen Intelligenz nicht überlassen.
Auf die Frage nach roten Linien bei möglichen Koalitionsverhandlungen nannte Klingbeil den Erhalt des Rentenniveaus, der im Unionsprogramm nicht vorkomme, sowie die Verlängerung der Mietpreisbremse. Beides müsse rasch angegangen werden, sonst liefen die Regelungen aus, mahnte Klingbeil. Zu den Punkten, die zur Messlatte für Gespräche gehören, zählte der SPD-Chef auch eine Erhöhung des Mindestlohns und eine Reform der Schuldenbremse.
Was den Wahlausgang angeht, versprühte Klingbeil Zuversicht, noch viele bislang unentschlossene Wählerinnen und Wähler für die SPD gewinnen zu können. „Es kommt noch Bewegung rein.“