Bundestagskandidatur:Chaotisch wie in den Anfangsjahren

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Es braucht zwei Anläufe, damit die Grünen Beate Walter-Rosenheimer als Direktkandidatin nominieren können. Doch der Begeisterung für die 47 Jahre alte Abgeordnete aus Germering tut das keinen Abbruch

Heike A. Batzer

- Diese lästigen Formalien. Dabei war doch im Vorfeld alles klar. Beate Walter-Rosenheimer will wieder in den Bundestag und ihre Partei will das auch. Doch dann passte die Zahl der abgegebenen Stimmzettel nicht zur Zahl derer, die sich auf der Anwesenheitsliste eingetragen hatten. Eine junge Sympathisantin, die noch kein Mitglied der Grünen war (aber hinterher gleich ihren Mitgliedsantrag unterschrieb), hatte unerlaubterweise mitgestimmt, ein anderer Nachwuchsgrüner stand nicht auf der Liste und ein Dritter hatte gewählt, obwohl er kürzlich umgezogen ist. Als den Grünen dann auch noch dämmerte, dass sie vergessen hatten, ein Wahlgremium einzusetzen, konnte man die Sorge, die Wahl könne vielleicht ungültig sein, nicht mehr kokett als grüne Nonchalance weglächeln. Beate Walter-Rosenheimer plädierte für Wiederholung. Neue Wahlzettel wurden ausgeteilt und am Ende hatten sich 27 von 28 Wahlberechtigten bei einer Enthaltung dafür ausgesprochen, die 47 Jahre alte Germeringerin wieder mit der Bundestagskandidatur für den Wahlkreis Fürstenfeldbruck/Dachau zu betrauen.

Mit 96,4 Prozent fiel der Vertrauensbeweis der Versammlung am Dienstagabend im Olchinger Kolpingheim dann so deutlich aus wie das sonst nur die CSU hinbekommt. Doch die Grünen wären nicht die Grünen, würden sie ihre Kandidaten nicht wenigstens auch kritischen Nachfragen aussetzen. Warum sie sich denn "bei erstaunlich vielen Dingen" im Bundestag enthalten hätte, wollte Walter Voit, Grünen-Sprecher aus Gröbenzell, wissen. Früher seien Enthaltungen für sie Ausdruck von "Schlappschwanz-Mentalität" gewesen, erwiderte Walter-Rosenheimer, doch sie habe gelernt, dass dies auch bedeuten könne, der Fraktion nicht in den Rücken zu fallen. Bei der Fiskalpakt-Entscheidung habe sie wegen der Abiturfeier ihrer Tochter gefehlt, was der Fraktionsvorstand einstimmig goutiert habe. Und die Abstimmung über das Afghanistan-Mandat habe sie drei schlaflose Nächte gekostet und hinterher zur Erkenntnis geführt, dass sie es doch "blöd fand", sich enthalten zu haben.

Beate Walter-Rosenheimer erzählte, wie das Bundestagsmandat ihr gesamtes Leben umgekrempelt hat, und ganz nebenbei auch das ihrer fünf Kinder, ihrer Freunde und der Grünen vor Ort, seit sie ihre Anwesenheit mit 21 Sitzungswochen in Berlin koordinieren muss. Mitten in der Legislaturperiode war die ausgebildete Psychologin aus Germering im Januar in den Bundestag nachgerückt. Neben Gerda Hasselfeldt (CSU) ist sie die einzige Abgeordnete aus dem Wahlkreis Fürstenfeldbruck/Dachau. Zu Beginn sei sie morgens um fünf Uhr "in völliger Panik aufgestanden" und habe erst mal drei Stunden gelesen, "damit ich das Gefühl habe, ich weiß auch was". Nach der turbulenten Anfangszeit findet sie sich mittlerweile im Berliner Politikbetrieb zurecht und würde ihre Arbeit deshalb "sehr gerne fortführen", rief sie der Versammlung in Olching zu.

Sie streift die Themen Finanz- und Wirtschaftskrise ("Es ist legitim, hier heftig und kontrovers zu diskutieren"), Klimawandel, Flächenversiegelung, Energiewende und fairen Handel und geißelt den "irrsinnigen Wachstumswahn". Sie gibt sich als Verfechterin der Quote zu erkennen und als Frau, die "es einfach leid ist", dass Frauen immer noch 23 Prozent weniger verdienten als Männer. Die Anbindung an die Kreisverbände und die Kommunalpolitik will sie nicht vernachlässigen und als Beweis führt sie an, wegen ihrer Abgeordnetentätigkeit nur einmal in einer Sitzung des Fürstenfeldbrucker Kreistags gefehlt zu haben. Allerdings habe sie auch erkennen müssen, "dass man sich nicht in alle Themen tage- und monatelang einlesen kann, sondern auch der Debatte vertrauen muss". Es sind Sätze wie diese oder das Eingeständnis um ihre Enthaltungen, die die grüne Basis beeindrucken. Ingrid Jaschke, Grünen-Sprecherin des Fürstenfeldbrucker Kreisverbands, ist es deshalb ein spontanes Anliegen, die Kandidatin als "authentisch und ehrlich" zu loben: "Es ist sehr angenehm, dass du eine gewisse Bescheidenheit hast." Allzu bescheiden hatte Beate Walter-Rosenheimer zuvor von Platz fünf gesprochen, den sie auf der Landesliste zur Bundestagswahl anpeile, obwohl man sie "bedrängt, auf die Drei zu gehen". "Warum eigentlich nicht?", fragt Elke Struzena. In typisch weiblichem Understatement antwortet Beate Walter-Rosenheimer, dass sie sich schon gefreut habe, dass man sich das vorstellen könne: "Aber ich bin nicht diejenige, die gleich sagt, ich kann das und ich bin die Tollste."

© SZ vom 11.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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