Bundestag:"Da passt die Jogginghose nicht"

Carmen Wegge bei der Wahl von Olaf Scholz zum Bundeskanzler

Carmen Wegge bei der Wahl von Olaf Scholz zum Bundeskanzler.

(Foto: privat)

Germerings Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge (SPD) erzählt, wie eine Kanzler-Wahl abläuft

Von Carolin Fries, Germering/Berlin

Mittags hat Carmen Wegge (SPD) kurz Zeit, um aus dem Bundestag anzurufen. Am Vormittag hat die 32 Jahre alte Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Starnberg-Landsberg-Germering für Olaf Scholz als Bundeskanzler gestimmt - als eine von 395 Mandatsträgern. Am Nachmittag soll die Wahl fraktionsintern noch gefeiert werden - doch wie genau läuft das überhaupt ab, und welche Fehler gilt es tunlichst zu vermeiden?

SZ: Anstatt Jeans, Sakko und Sneakers heute ein schwarzes Kleid!

Carmen Wegge: Saskia Esken hat mich heute Morgen auch schon darauf angesprochen. Ich hatte mich tatsächlich eigens erkundigt, ob für die Kanzlerwahl eine Kleiderordnung gilt, aber das ist nicht so. Tatsächlich haben sich aber alle ein bisschen rausgeputzt. Es gilt ja auch die Würde des hohen Hauses zu wahren, wie es so schön heißt. Da passt die Jogginghose nicht.

Wie genau lief die Wahl denn ab?

Bärbel Bas hat die Sitzung als Bundespräsidentin eröffnet. Wir alle mussten dann aufstehen und "Guten Morgen" sagen, ein bisschen wie früher in der Schule. Sie hat dann vorgeschlagen, Olaf Scholz zum Kanzler zu wählen. Es gab keine Aussprache dazu wie sonst üblich, sondern das wurde dann gemacht. Die Wahl ist geheim und wir wurden ermahnt, keine Fotos von den Stimmzetteln zu machen. Dann wurden alle Abgeordneten namentlich zur Wahl aufgerufen.

Insgesamt waren eineinhalb Stunden angesetzt, W ist recht weit am Ende des Alphabets. Was haben Sie solange gemacht?

Ich hatte mir morgens noch Frühstück besorgt, im Plenarsaal ist Essen und Trinken aber verboten. Also hab ich draußen meine Breze gegessen und eine Cola getrunken. Sonst steht man rum und unterhält sich.

Bis der eigene Name fällt. Waren Sie aufgeregt?

Ich war gar nicht so aufgeregt, auch weil ich den Ablauf von der Wahl der Bundestagspräsidentin schon kannte. Gegenüber des Plenarsaals gibt es nach Fraktionen geordnet Fächer, in denen für jeden eine Wahlkarte liegt mit Name, Nummer und QR-Code. Damit geht es zu den zehn bis zwölf Wahlkabinen, wo man Stimmzettel und Kugelschreiber gereicht bekommt. Man kann eigentlich gar nicht viel falsch machen. Im Zweifel kann man auch jemanden fragen.

Mussten Sie Kreuzchen machen oder den Namen schreiben?

Kreuzchen. Entweder Ja, Nein oder Enthaltung. Dann den Stimmzettel in einen blauen Umschlag mit Reichsadler und draußen nach Abgabe der Wahlkarte in die Urne.

Hat es vorher einen Appell oder eine E-Mail aus der Parteizentrale gegeben, um die Fraktion einzuschwören?

In der Fraktionssitzung morgens um halb acht hat Olaf gesagt: "Danke, dass ihr mich alle wählen wollt." Ich glaube, aus unserer Fraktion gab es keinen Abweichler.

Sie duzen sich?

Ja klar, wir sind Genossinnen und Genossen, in unserer Partei duzt man sich. Kanzler Olaf, Minister Karl. Wäre ja auch komisch, wenn nicht - wir arbeiten schließlich zusammen.

Scholz hat bei seiner Vereidigung auf den Zusatz "so wahr mir Gott helfe" verzichtet. Was sagen Sie dazu?

Das ist sein ganz persönlicher Eid, den er da geleistet hat. Wenn er der Überzeugung ist, Gottes Hilfe nicht zu brauchen, dann akzeptiere ich das so. Ich vertraue ihm.

Kein Minister aus Bayern. Die CSU ist empört. Und Sie?

Die Repräsentanz nur in Ministerposten zu denken, ist zu kurz gedacht. Drei Staatssekretäre sind aus Bayern und mit Claudia Roth eine Staatsministerin für Kultur und Medien. Und auch ich vertrete Bayern in Berlin. Die CSU hat mit 45 Direktmandaten die meisten aus Bayern geholt, ist also gut vertreten.

Wird denn jetzt noch gefeiert?

Bei der Fraktionssitzung werden wir bestimmt anstoßen.

Sekt oder Champagner?

Sekt. Den Champagner hat die Sozialdemokratie noch nicht für sich entdeckt.

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