Energiewende:Das Kraftwerk für den Balkon

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Eineinhalb Meter lang und einen Meter breit sind die Solarpanels, die an die Brucker Bürger geliefert werden. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Erneut liefert das Fürstenfeldbrucker Bürgerprojekt Solar 50 Miniphotovoltaikanlagen aus. In Zeiten von Klimawandel und Energiekrise steigt das Interesse an der Aktion von FW-Stadtrat Markus Droth.

Von Noah May, Fürstenfeldbruck

Strom verteuert sich immer weiter. Vor zehn Jahren zahlte ein Haushalt noch knapp 26 Cent pro Kilowattstunde, mittlerweile sind es im Schnitt 37 Cent. Das fand die Strompreisanalyse des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft heraus. Eine Belastung für viele Haushalte, zumal in diesen Zeiten ohnehin steigender Preise. Daher beschloss eine Bürgerinitiative in Fürstenfeldbruck, selbst tätig zu werden. Bürger sollen durch die Beschaffung von Miniphotovoltaikanlagen entlastet werden, aber auch die Umwelt soll davon profitieren. Schon 130 Stück wurden ausgeliefert und erzeugen nun, auf Balkonen und Dächern montiert, Strom durch Sonnenergie für den Eigenbedarf. Hinter dem Bürgerprojekt Solar stehen Susanne und Markus Droth, der Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Stadtrat ist.

Vorigen Mittwoch erfolgte erneut eine Lieferung einer Sammelbestellung. So fanden sich einige Bürger, nach mehreren Monaten Wartezeit, auf dem Brucker Volksfestplatz ein, als der Lastwagen 50 Anlagen entlud. Hauptsächlich ältere Menschen waren es, die sich so ein Set zum Aktionspreis von 750 Euro bestellt hatten. Sie alle wollen autarker werden. Der hohe Strompreis habe so manchen bewegt, sich nach Alternativen zu erkundigen, erzählt Markus Droth, bei dem eine Bestellung nach der anderen einging. In diesem Jahr seien es so viele gewesen wie in den zwei Jahren davor zusammen.

"Die Bürger sind schon viel weiter als die Politik", sagt der Lokalpolitiker Markus Droth. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Doch Lieferengpässe betreffen auch das mittelfränkische Partnerunternehmen der Initiative, Sunset Energietechnik. Droth muss eine Frau vertrösten, die eine Bestellung aufgeben wollte. Für viele spielt Nachhaltigkeit neben finanziellen Motiven ebenso eine Rolle, auch für die Fürstenfeldbruckerin: "Ich will auch meinen Beitrag zum Klimaschutz leisten." Droth weiß schon lange: "Die Bürger sind schon viel weiter als die Politik." Zu schleppend laufe die Dezentralisierung des deutschen Stromverteilernetzes, deswegen initiierte der Kommunalpolitiker die Sammelbestellungen.

Nun stehen etwa 20 Menschen auf dem Volksfestplatz und verfrachten die Solarpanels in ihre Autos, um sie nach Hause zu bringen. Für ihn ein Zeichen, dass es möglich ist, etwas zu verändern, wenn man die Bürger zum Mitmachen animiere: "Wir müssen jetzt rasch von Tempo zehn auf hundert kommen." Doch Optimismus scheint für viele Anwesende in Zeiten der Inflation zu einem teuren und raren Gut geworden zu sein. Es gehe auch darum, ein sichtbares Stück Selbstversorger-Sicherheit auf dem Balkon stehen zu haben, so der Tenor. Die Sonne scheint unabhängig von Pandemien und Energiekrisen in den eigenen Vorgarten, so die Vorstellung.

Die eineinhalb Meter langen und einen Meter breiten Solarpanels können zu Hause im Regelfall selbst montiert werden. Ein Wechselrichter wird an die Anlage angeschlossen und wandelt den erzeugten Gleichstrom in Wechselstrom um. Ebenso nötig ist eine Anschlussvorrichtung, um den Strom ins Hausstromnetz einspeisen zu können, erklärt Mitarbeiterin Anja Apelt. Ein Set, das in der Regel aus zwei Solarmodulen besteht, könne somit bis zu 300 Kilowattstunden im Jahr erzeugen, also den durchschnittlichen Verbrauch eines Kühlschranks oder einer Waschmaschine decken. Die Leistung variiere je nach Jahreszeit und Wetter, daher ist die Minianlage am besten für den Balkon oder das Hausdach geeignet und sollte in einem Winkel von 30 Grad auf der Südseite angebracht werden, empfiehlt sie.

Die anmeldepflichtigen Minisolaranlagen, die auf der Webseite des Bürgerprojekts Solar bestellt werden können, dürfen in Deutschland 600 Watt ins Netz einspeisen, der Grenzwert der EU liegt jedoch bei 800 Watt. Für Markus Droth ist diese Regelung auf die "German Angst" zurückzuführen. Dabei hebt er die Arme und stellt fest: "Durch die Lethargie von Berlin haben wir 16 Jahre verschlafen." Ihm sei es wichtig "die Leute mitzunehmen und den Nachhaltigkeitsgedanken zu vermitteln."

Über 70 Bestellungen stehen noch aus, und es werden wohl noch viele weitere dazukommen - mit Lieferzeiten von bis zu einem Jahr. Das könne auch zu Frustration bei Bürgern führen, weiß Markus Droth. Am Mittwochnachmittag sind die neuen Besitzer der Miniphotovoltaikanlagen hingegen zufrieden, nur die Jahreszeit könnte die Freude an der Anschaffung trüben. Die Sonnenstunden schwinden in den nächsten Monaten, jedoch handelt es sich bei den Anlagen um eine langfristige Investition in den Klimaschutz: Bei einer Nutzung von 20 Jahren werden bis zu 2,5 Tonnen Kohlendioxid eingespart und somit schon nach ein paar Jahren die durch die Herstellung entstandenen Emissionen ausgeglichen. Mit dieser Bilanz kann man sich auch etwas Optimismus leisten, eine ältere Frau ist sich deshalb sicher: "Eine Kleinigkeit bei jedem Einzelnen bewirkt schon etwas Großes für uns alle."

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