Die Bürgerinitiative Lebenswertes Germering hat einen großen Erfolg erreicht: Ihr Bürgerbegehren zur Bebauung des Kreuzlinger Felds ist mit 60,7 Prozent der Stimmen angenommen worden. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 44,5 Prozent. 13 406 der 30 138 Germeringer Wahlberichtigten gaben ihre Stimme ab, die weitaus meisten per Briefwahl. Dass alle Wahlberechtigten die Briefwahlunterlagen automatisch zugeschickt bekamen, hat wohl zur hohen Beteiligung beigetragen. 8105 Wähler stimmten mit Ja; das nötige Quorum von etwa 6000 Ja-Stimmen wurde leicht erreicht.
Der Bürgerentscheid entspricht einem Stadtratsbeschluss, den der Oberbürgermeister und die Verwaltung umzusetzen haben. "Dazu bin ich verpflichtet, und das werde ich auch tun", sagt OB Andreas Haas am Sonntagabend. Das laufende Planungsverfahren ist gestoppt. Bis erneut ein fertiger Bebauungsplan steht, werde es vier bis fünf Jahre dauern, schätzt er. Deshalb müsse die Stadt nun ihre Schulplanung anpassen. Denn auf dem Kreuzlinger Feld soll auch eine Schule gebaut werden - nicht nur für die Buben und Mädchen, die dort einmal wohnen könnten. Bis es soweit ist, müssen die Kinder anderswo unterrichtet werden.
Verschiedene Büros werden Haas zufolge mit der Umsetzung des Beschlusses betraut werden. Er sieht auch die Bürgerinitiative in der Pflicht, sich einzubringen. Die Mitglieder der BI "Lebenswertes Germering" feiern am Sonntagabend zunächst einmal das Ergebnis. BI-Sprecher Thomas Langnickel spricht von "großer Freude und Erleichterung" und dankt allen Unterstützern.
"Jetzt ist Zeit, nach vorne zu schauen." Es gelte, Architektenwettbewerb und Bürgerdialog vorzubereiten. "Wir wollen alle Themen aus der Frage angehen." Danach sollen ein offener städtebaulichen Ideenwettbewerb abgehalten, dauerhaft bezahlbarer Wohnraum geschaffen, die neuen Gebäude an die bestehende Bebauung angepasst, der Klimawandel "ernsthaft" berücksichtigt und der zusätzliche Verkehr minimiert werden. Die Bürger sollen "effektiv" beteiligt werden.
"Wir hätten uns ein anderes Ergebnis gewünscht", sagt Oliver Simon, der Orts- und Fraktionsvorsitzende der Germeringer CSU. Die CSU hatte für ein Nein beim Entscheid geworben. "Wir sind der festen Überzeugung, dass wir eine gute Planung geschaffen haben, um den dringend benötigten Wohnraum und die Grundschule zu bekommen." Das sieht die Mehrheit der Wähler offenbar anders.
Am Sonntag tröpfeln sie in die Stadthalle, um ihre Stimme abzugeben. Nur 362 ziehen die Abstimmung an der Urne der Briefwahl vor. Viele Eltern jüngerer Kinder sind darunter, auch einige Ehepaare im Rentenalter. Die meisten, die Auskunft geben, stimmen mit Ja, egal, in welcher Ecke Germerings sie leben. Und sie haben sich viele Gedanken gemacht.
Die meisten fürchten ein Verkehrschaos, "weil der Verkehr jetzt schon aus allen Nähten platzt". Sie wollen, dass weniger als die bislang maximal geplanten 600 Wohnungen gebaut werden, wünschen sich ein "vernünftiges Verkehrskonzept", wie ein Paar, 50 und 48, aus Harthaus sagt. Eine Familie mit einer dreijährigen Tochter, die in der Nähe des Baugebiets lebt, fürchtet um die Kinder, die mit dem Rad in die Schule fahren. "Die Radwege müssen für die Kinder sinnvoll geplant werden ", sagen sie. Sie alle stimmen mit Ja.
Ein 42-Jähriger aus Harthaus sagt, er habe viel diskutiert über den Entscheid. Nun habe er mit Ja gestimmt. Die Idee, das Feld gar nicht zu bebauen, habe er verworfen, denn es sei wichtig, dass Wohnungen gebaut werden. Vielleicht, meint er, könnte man genossenschaftlich bauen. "Da würden sich genug Leute finden, die mitmachen." Noch etwas habe ihn gestört: "Der Wahlkampf war nicht fair geführt" - wegen der finanziellen Mittel der Investoren.
Ein 77-Jähriger weist auf einen Aspekt hin, der nicht angesprochen werde: Die Menschen in den neuen Wohnungen müssten auch mit Trinkwasser versorgt werden. "Das Wasser wird uns ausgehen. Daran denkt niemand", schimpft er. Ein Paar aus der Salzstraße, 36 und 40 Jahre alt, fürchtet, die Investoren könnten, wenn umgeplant wird, noch weniger bezahlbaren Wohnraum schaffen und stimmt deshalb mit Nein. "Die Ärmeren werden ausgeschlossen."
Zunächst muss nun neu geplant werden. Das wollen alle Beteiligten rasch anpacken. CSU-Fraktionschef Simon weist darauf hin, dass das Verfahren viel Geld kosten wird. Und er hofft, dass der Stadtrat zu der "guten, vertrauensvollen Zusammenarbeit" zurückkehren wird, für die Germering bekannt sei.