Lesenswert:Empfehlung abseits des Mainstreams

Lesezeit: 2 Min.

"Die Spielerin" von Isabelle Lehn, erschienen bei S. Fischer, 25 Euro (Foto: Nicola Bräunling)

Zu Weihnachten stellt Buchhändlerin Nicola Bräunling mit „Die Spielerin“ von Isabelle Lehn einen Roman vor, der fesselt und zum Nachdenken anregt – über das Spiel des Lebens und die Suche nach sich selbst.

Kolumne von Nicola Bräunling

Lange habe ich diesen Monat überlegt, ob ich ein schön geländegängiges Weihnachtsbuch vorstellen soll oder ob ich meinen Leserinnen und Lesern lieber etwas Außergewöhnliches ans Herz lege. Ich habe mich schließlich für Variante zwei entschieden. Es gibt dieses Jahr sehr viele prima Romane und Krimis, die wir stapelweise im Laden haben und die wir der Kundschaft als Geschenk für diese und jenen empfehlen. Ein paar Sätze reichen aus und – zack – weiß man Bescheid und kann entscheiden, für wen das Geschenk geeignet ist. Und dann gibt es die Bücher, die etwas abseits des Mainstreams im Regal stehen und erst entdeckt werden müssen, weil wir ein wenig mehr dazu sagen müssen und weil sie vielleicht nicht für alle geeignet sind. „Die Spielerin“ von Isabelle Lehn ist so ein außergewöhnliches Buch, das ich voller Bewunderung, aber auch mit etwas Verwirrung, gelesen habe.

Die junge A. wächst in den Neunzigerjahren in der niedersächsischen Provinz auf. Sie kommt aus einer normalen Familie, es gibt keine besonderen Vorkommnisse. Sie merkt aber schnell, dass sie in einer Form unsichtbar ist, die sie sich gut zunutze machen kann. Nach Schule und Studium steigt sie in das Finanzwesen ein und arbeitet sich unauffällig als einzige Frau weit und breit immer weiter nach oben. Sie ist fachlich hervorragend und anerkannt in ihrem Job, hält sich aber grundsätzlich sehr zurück und hinterlässt ein Bild von sich, das – wie man als Leserin und Leser immer mehr merkt – vollkommen falsch ist. Beileibe ist sie nicht das Hascherl, das von der Männerwelt benutzt und ausgenutzt werden kann. Im Gegenteil: Mehr und mehr taucht sie ein in die Geschäfte der auch in der Finanzwelt mächtigen Mafia und lässt sich ihre Dienste gut bezahlen. Irgendwann fliegt sie allerdings auf und wird vor Gericht gestellt. Aber auch dort ist sie nicht zu greifen und ihre Machenschaften bleiben nebulös oder gar unbekannt.

Das Buch erzählt die Geschichte der A. in Rückblicken ihrer Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter während des Prozesses. Jede oder jeder hat eine andere Sicht auf sie, keine davon scheint die Realität widerzuspiegeln.

Und auch als Leserin konnte ich die Person nicht fassen, was auf mich eine große Faszination ausgeübt hat. Es blieben immer wieder schwarze Stellen, die ich nicht füllen konnte. Für mich eine irritierende, aber auch sehr spannende Erfahrung. Isabelle Lehn gelingt darüber hinaus auch noch eine großartige Verbindung zwischen Inhalt und Stil. Selten habe ich es in einem Roman so erlebt und ich bin voller Hochachtung für diese schriftstellerische Leistung. Über Weihnachten werde ich nun auch die vorherigen Bücher der Autorin lesen und bin gespannt, welche anderen Meisterwerke ihr gelungen sind.

Nicola Bräunling ist Inhaberin der Buchhandlung Bräunling in Puchheim. Regelmäßig stellt sie im Wechsel mit Katrin Schmidt und Helen Hoff von der Buchhandlung Lesezeichen in Germering ihr aktuelles Lieblingsbuch vor.

Der Laden von Nicola Bräunling ist als "Bayerns Buchhandlung des Jahres 2021" ausgezeichnet worden. (Foto: Nicola Bräunling)
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