Buchpremiere:Fertig-Pudding für die Katze

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Martina Bergmann liest aus ihrem Roman. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Martina Bergmann schildert den Alltag mit einer Demenzpatientin

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Martina Bergmann hat sich bewusst dafür entschieden, mit einer dementen Frau jenseits der 80 zusammen zu leben. Sie ist 39 und betreibt einen Buchladen im ostwestfälischen Burgholzhausen. "Wir gehören zusammen wie Kaffee und Kuchen", sagt Martha, so heißt die demente Frau in Bergmanns Erstlingsroman "Mein Leben mit Martha". Roman ist möglicherweise das falsche Etikett für das Buch. "Alles, was darin steht", führt Bergmann bei ihrer Premierenlesung in der Germeringer Buchhandlung "Lesezeichen" ein, "ist passiert." Sie ist seit sechs Jahren über Facebook mit Katrin Schmidt befreundet, die sie zu einer Lesung in ihre Buchhandlung eingeladen hat. Das Buch erscheint am Freitag.

Bergmann dokumentiert die autobiografische Dominanz des Buches auch mit ihrem Gesicht auf dem Buchcover. Sie erzählt anschaulich, enthält sich komplizierter Satzkonstruktionen, so dass der Zuhörer den vielen Dialogen gut folgen kann. Sie schreibt amüsant. Demenz ist auch eine Sache der Pflegekasse. "Martha hat Pflegegrad drei", erläutert die Autorin. Das bedeute, sie brauche drei Stunden Aufmerksamkeit pro Tag. Die 30 Zuhörerinnen der Lesung lachen an einigen Stellen laut auf. Vergnügen bereitet in diesem Buch besonders Martha. "Wer sagt, dass sie (Demenzpatienten) nicht noch scharfsinnig und witzig sein können und man mit ihnen keinen Spaß haben kann?", fragt Bergmann auf dem Klappentext des Buches. Sie hatte die schon erkrankte Martha zusammen mit deren langjährigen Lebenspartner Heinrich kennengelernt. Als er starb, zog Bergmann zog mit Martha zusammen und übernahm die rechtliche Betreuung von Martha, aber nicht die Finanz- und Vermögensverwaltung.

So muss Bergmann immer wieder beim Vermögensbetreuer von Martha um Geld nachsuchen, was aber keine Probleme macht. So bekommt die stark sehbehinderte Martha auch eine Lupe. "Die ist fast so groß wie ein Pflasterstein, aber leicht", schreibt Bergmann. Und liegt zusammen mit Marthas Personalausweis, einer Nagelschere und den Betreuungsunterlagen in einer Schublade, die für die Frau tabu ist. Die Autorin fügt witzig an: "Wie bei Heinrich, sagt Martha manchmal, der hatte auch so eine Wichtig-Schublade, wo ich nur heimlich drangegangen bin."

Martina Bergmann, studierte Geisteswissenschaftlerin, schreibt auf 223 Seiten, wie das Zusammenleben der Generationen möglich sein kann. Es ist ein Plädoyer dafür, demente Menschen nicht in Heimen unterzubringen oder wegzusperren. Dass das Zusammenleben alles andere als leicht ist, schildert sie ausführlich. Marthas einseitige Ernährung mit Fertig-Pudding ist da noch das kleinste Problem, sogar amüsant, weil sie auch die Katze mit Pudding füttert. Es gab ständige Anfeindungen einer Nachbarin, so dass die WG umziehen musste. Bergmann geht sechs Tage in der Woche arbeiten und lässt kurzzeitig einen Pflegedienst kommen, der die heute 84-jährige Martha ebenfalls betreut. Die kennt bestimmte Begriffe nicht mehr, was den Lesern wiederum Vergnügen bereitet. "Ich kenne keinen Stress", antwortet Martha einer sie aufsuchenden Sozialarbeiterin, "wer ist dieser Stress?" Die Autorin unterstreicht ihr politisches Anliegen mit dem Buch und kritisiert die gängige Praxis, dass zumeist osteuropäische Frauen Tag und Nacht in Deutschland für billiges Geld alte Menschen pflegen. "Dieser Menschenhandel passt mir nicht", positionierte sie sich in der abschließenden Diskussion eindeutig.

"Mein Leben mit Martha", Eisele-Verlag München 2019, im Handel erhältlich ab Freitag, 22. Februar.

© SZ vom 21.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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