Brucker Jugendzentren:Chillen, spielen, fürs Leben lernen

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Die zwei Brucker Jugendzentren bieten Raum für die Freizeitgestaltung, helfen aber auch bei Problemen in der Schule oder beim Berufseinstieg. Alternativen sind ein selbstverwaltetes Café, Vereine und kirchliche Gruppen.

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

"Weggehen?" Niklas und Tobias sehen sich einen Augenblick ratlos an. Sie sind 16 und 20 und haben an diesem frühlingswarmen Wintertag auf der Skaterbahn hinterm Brucker Feuerwehrhaus ihre Runden gedreht. Für eine kurze Pause steigen sie von BMX-Rad und Board - und grübeln über diese Frage. Jugendzentren, so viel ist schnell klar, sind eher nicht so ihr Ding. Wo also treffen sie sich mit ihren Freunden? Eher in der Jugendgruppe der Gnadenkirche. Ansonsten gibt's ja noch den Squash-Palast, Konzerte im alten Schlachthof oder Privatpartys - im Sommer an Amper oder See. Den ultimativen "In-Treffpunkt" gibt es nicht in der Kreisstadt. Tobias und Niklas vermissen so etwas gar nicht und verspüren auch keinen Drang, nach München zu fahren - viel Fahrerei, außerdem teuer.

Eine Rundfahrt zu einigen Treffpunkten zeigt, dass die Jugendlichen sich keineswegs hinter den heimischen Computer verzogen haben, wie dies mancher Erwachsene vermutet. Sie nehmen die Angebote von Sportvereinen oder kirchlichen Gruppen wahr oder treffen sich eher "informell", wie etwa abends am Silbersteg, auf dem Geschwister-Scholl- oder auf dem Niederbronner Platz. Allzu viel hat sich offenbar also gar nicht geändert. Dieses Gefühl hat auch der 34-jährige Tobias Schünke, der mit seinen beiden Kindern auf der BMX-Bahn des TuS Fürstenfeldbruck unterwegs ist. Eine ausgeprägte Discoszene habe es in der Stadt nie gegeben. Früher ging man ins Palm Beach, ins Halligalli, in den Römerkeller. Behauptet hat sich vor allem das Buck Rogers in der Hasenheide. Aber es gibt ja die Szene im Kloster, die Live-Konzerte, die Red-Light-Partys und es gibt die Subkultur. Klar kennt Schünke die Jugendzentren. Aber auch als er noch ein Teen war, in den Neunzigerjahren, da schaute er dort nur ein paar Mal vorbei. Im Juz West seien eher die türkischstämmigen Jugendlichen gewesen, die wohl auch eher unter sich bleiben wollten. "Und im Juz Nord waren die Punks."

Gernot Welsch schmunzelt ein wenig, wenn er darauf angesprochen wird. Okay, da wurden früher schon mal die Musiker, die auf der Bühne oder im Proberaum des Jugendzentrums an der Theodor-Heuß-Straße immer schon auftraten, pauschal mit den Punks in einen Topf geworfen. Aber ein wahrer Kern ist schon dran. Der Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund liegt im Juz West bei etwa 90 Prozent, im Juz Nord bei etwa 80 Prozent. Auch deshalb liegen die beiden Jugendzentren eben dort und nicht im Zentrum.

Das Juz West gibt es seit etwa 40 Jahren (hier ein Foto aus den Achtzigern). (Foto: oh)

Welsch ist Chef der städtischen Jugendsozialarbeit. Bereitwillig führt er durch die beiden Zentren. Man merkt, dass der Sozialpädagoge mit den nach hinten gekämmten Haaren und dem dünnen Bart einen guten Draht zu den Teenagern hat: alle sind per du und Welsch tritt schon mal am Kicker oder der Tischtennisplatte an. Auch das Haus an der Cerveteristraße kann sich sehen lassen. Es ist schon erstaunlich, dass nicht noch viel mehr Jungen und Mädchen die einmaligen Bedingungen in den beiden offenen Häusern nutzen. Wobei Welsch mit den durchschnittlich etwa 40 Gästen pro Tag im Juz West durchaus zufrieden ist. Im Sommer sind es schon mal 90. Dass so ein Treff nichts für jeden der wohl 5000 14- bis 18-jährigen Brucker ist, sei okay.

An diesem Tag sitzt eine Gruppe von Mädchen zwischen acht und elf an einem Tisch und faltet unter Anleitung von Katharina Weyer buntes Papier zu kunstvollen Figuren (insgesamt sind in den Jugendzentren drei von vier Besuchern Jungs). Etwas später wird es Pizza für alle geben - es ist so etwas wie der offizielle Neujahrsempfang. Bis es so weit ist, drängt sich eine Gruppe Jungs auf Polstermöbeln vor einer Leinwand. Darauf flimmert ein Fußball-Computerspiel. Welsch sieht den fragenden Blick des Reporters. Computerspielen? Verträgt sich das mit dem pädagogischen Konzept? Aber Welsch hat natürlich recht: Die Angebote in einem Jugendzentrum dürfen sich nicht ausschließlich am Idealbild orientieren, die Zielgruppe muss ein Mitspracherecht haben. Die Betreuer diskutierten dennoch kontrovers, bevor sie das Spiel im November anschafften. Es habe sich gezeigt, so Welsch, dass gemeinsam, interaktiv und lebhaft gespielt werde, Befürchtungen erwiesen sich als grundlos. "Ballerspiele sind aber weiterhin tabu", sagt Welsch. In den Achtzigerjahren wurde vor manchem Jugendzentrum noch am Moped oder Auto herumgebastelt, heute stehen eben eher Computer und Handy im Blickpunkt.

"Super" sei es hier, meint der 16-jährige Thomas. Er trifft seit fast zwei Jahren regelmäßig seine Freunde in dem einstöckigen Gebäude am Rande des Sportgeländes - coole Betreuer, kein Stress, jeder kennt jeden, Kicker und Billard, ein kleines Musikstudio im Keller. Der gleichaltrige Eray sieht das genau so. Er hat sich hier verabredet, später geht's ins Scala-Kino, da läuft "96 Hours". Braucht man dafür das Juz? Brauchen nicht, aber es ist schon praktisch. Zudem hat Eray hier im Büro schon mindestens zehn Bewerbungen geschrieben.

Das Angebot wird kontinuierlich weiterentwickelt: So gibt es seit einem Jahr zweimal die Woche das Kinderprogramm Juzolino. (Foto: Günther Reger)

Spaß und Spiel, Ausflüge und Erlebnisangebote, Partys und Workshops sind schon wichtig und gut, aber hier geht es um mehr. In der Kellerdisco, die heutzutage eher als "Chill-Area" genutzt wird, und in dem kleinen Raum, in dem zwei Computer und ein Drucker stehen, erklärt Welsch das: Jugendliche bekommen hier auch Unterstützung, wenn es um Probleme mit der Schule oder dem Elternhaus geht oder um den Einstieg in den Beruf. Ärger gibt es selten, Hausverbote sind die absolute Ausnahme. So etwas wird nur ausgesprochen, wenn jemand sich partout nicht an die Regeln halten will, die etwa harte Alkoholika, Zigaretten, Drogen, grobe verbale Ausfälle und natürlich Pöbeleien oder Erpressung verbieten. Insgesamt werden die JUZ-Besucher jünger. Das fängt schon bei acht Jahren an. Almedin ist elf, sein Kumpel Edi 13. Sie kickern am späten Nachmittag im Juz Nord. Zu Hause sei es langweilig. Im Jugendzentrum aber sei immer was los - auch wenn sie sich mehr PC-Spiele wünschen würden.

Für Philipp Fester, 22, war ein JUZ noch nie eine echte Option. Er ist Vorsitzender des hundert Mitglieder zählenden Vereins, der seit 2011 das Jugendcafé Brucklyn im Mehrgenerationenhaus am Niederbronner Platz betreibt und dabei von der Stadt unterstützt wird. Hierher kommen eher Leute, die auch in den kirchlichen Gruppen vertreten sind, oder ehemalige und aktuelle Rasso-Gymnasiasten. Die meisten sind zwischen 17 und 25 - allein schon deshalb glaubt Fester, dass man besser ohne Betreuer auskommt. Jeden zweiten Samstag ist von 19 bis 1 Uhr geöffnet, meistens kommen 30 bis 70 Gäste. Geboten sind Fußballübertragungen, Schafkopfrunden, Kickerturniere oder Live-Gigs. Insgesamt, findet auch Fester, gebe es in der Kreisstadt für alle Bedürfnisse passende Angebote: "Da gibt's keinen Grund, sich zu beschweren".

Juz West (Cerveteristraße 8) Dienstag: 13 bis 17 Uhr für Acht- bis Zwölfjährige, 17 bis 19 Uhr offener Betrieb; Mittwoch: 13 bis 19 Uhr offener Betrieb; Donnerstag: 13 bis 17 Uhr für Acht- bis Zwölfjährige, 17 bis 20 Uhr offener Betrieb; Freitag: 14 bis 20 Uhr offener Betrieb; Juz Nord (Theodor-Heuß-Straße 20) Dienstag bis Donnerstag 14 bis 20 Uhr, Freitag bis 21 Uhr

© SZ vom 17.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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