Brauchtum:Eine ganz besondere Wallfahrt

Jesenwang: WILLIBALDSRITT

Viele Pferde, viel Verehrung und noch mehr Tracht: Drei Reiter 2015 auf dem Weg durch die Felder zur Willibaldskirche.

(Foto: Johannes Simon)

Der Willibaldsritt führt nicht um, sondern mitten durch die gotische Kirche vor den Toren des kleinen Orts. Wohl nur dort wird des Viehpatrons mit einer eigenen Wallfahrt gedacht - seit drei Jahrhunderten. Mitmachen darf jeder

Von Ingrid Hügenell, Jesenwang

Der Willibaldsritt in Jesenwang ist etwas ganz Besonderes. Wallfahrten mit Pferden gibt es viele in Bayern, aber es sind in der Regel Georgi- oder Leonhardiritte oder -fahrten. Dass der heilige Willibald solcherart geehrt wird, ist wohl einzigartig. Dazu ist die Wallfahrt mehr als 300 Jahre alt, sie fand 1712 erstmals statt. Seither fiel sie nur verhältnismäßig selten aus, so dass sie an diesem Sonntag zum 296. Mal abgehalten wird.

Das Ziel ist die Kirche Sankt Willibald außerhalb von Jesenwang, als gotisches Gotteshaus eine Rarität in Bayern, wo barocke Kirchen überwiegen. Vermutlich weltweit einzigartig ist aber, dass Ross und Reiter durch die Kirche hindurch reiten. Die Wägen allerdings müssen draußen bleiben.

Dass der Ritt durch die Kirche hindurch führt, erklärt Martin Schmid, Vorsitzender des Freundeskreises der Wallfahrt so: "Dann ist man näher am heiligen Willibald." Genau kennt man den Grund aber nicht. Nicht ganz geklärt ist auch, warum die Bauern aus Jesenwang und Umgebung 1712, als eine Viehseuche wütete, dem Willibald eine Wallfahrt versprachen und nicht dem eigentlichen Tierpatron Leonhard. Vielleicht lag es einfach daran, dass dem Willibald schon lange eine Kirche in Jesenwang geweiht war.

Das 1478 in der jetzigen Form errichtete Gotteshaus ist auch architektonisch interessant. Es enthält zum Beispiel die größte und bedeutendste gotische Flachdecke Altbayerns. Über der Empore kann man ein Holzbild sehen, das das Gelöbnis zeigt. Die alten Votivtafeln, von Menschen gespendet, die glaubten, Willibald habe ihnen geholfen, sind leider nicht mehr vorhanden. Sie wurden in den Siebzigerjahren gestohlen, wie Schmid berichtet.

In den Sechzigerjahren wäre fast die ganze Wallfahrt verloren gegangen. Denn es gab kaum noch Pferde, nur noch Traktoren, wie Schmid berichtet. Einige Male fiel der Willibaldsritt damals aus. Bürgermeister und Pfarrer wollten die Tradition aber nicht aufgeben. 1979 wurde der Förderverein gegründet, der heute Freundeskreis heißt. Er unterstützte bis 1981 die Renovierung der Kirche und organisiert bis heute die Wallfahrt. So gehören zum Beispiel auch viele Wägen dem Verein - "eigentlich jedem Jesenwanger", sagt Schmid.

Der ganze Ort sei bei den Vorbereitungen dabei, berichtet Schmid. Die Frauen schmücken die Wägen, auch die Ministranten beteiligen sich. Auch die Pferde werden im Wortsinn herausgeputzt. Sogar die Hufe werden poliert. Schweif und Mähne werden geflochten und mit Blumen verziert.

Noch etwas zeichnet den Willibaldsritt aus: "Jeder darf mitmachen, es gibt keine strengen Vorschriften", erklärt Schmid. So sind jedes Jahr 220 bis 250 Pferde dabei, zwei Ehrenkutschen, etwa 30 Wägen, Reitergruppen und sogar Sulkyfahrer sowie vier Blaskapellen. Und auch bei den Pferden ist die Bandbreite groß: Da gibt es kleine Ponys und schwere Kaltblüter, Haflinger und Warmblüter. Voriges Jahr lief sogar ein Esel mit. Etwa 3000 Zuschauer werden erwartet. Die Mitfahrer kommen zum Teil von weit her, etwa Murnau oder Feldmoching, sogar eine Reiterin aus Aachen habe schon mitgemacht.

Willibaldsritt, Sonntag, 8. Juli; 8 Uhr Gottesdienst für die Wallfahrer, 10 Uhr Votiv am t; 13 Uhr Aufstellen; 13.30 Uhr Start am Gemeinschaftshaus; Route über Landsberger Straße, Pfarrkirche Sankt Michael, Römerstraße zu Sankt Willibald. Anschließend Essen, Getränke und Musik im Kastanienhain;

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