Brauchtum:Alle sieben Jahre

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Begrüßung durch den Bürgermeister: Norbert Seidl (rechts) mit Münchner Schäfflern und Kasperl. (Foto: Günther Reger)

Die Münchner Schäffler finden viel Publikum in Puchheim-Ort

Von Heike A. Batzer, Puchheim

Der Platz vor der Laurenzer Grundschule in Puchheim-Ort füllt sich. Etwa tausend Menschen mögen es gewesen sein, die sich am Sonntagvormittag in einem großen Rund vor der Schule aufstellen, um die Münchner Schäffler tanzen zu sehen. Die Gelegenheit bietet sich nicht oft, alle sieben Jahre nur treten die Schäffler mit ihrem Brauchtumstanz auf, der auf die Pestausbrüche im Mittelalter zurückgeht. 1517 waren sie die ersten gewesen, die sich wieder auf die Straßen trauten.

2019 ist wieder ein Auftrittsjahr für den Fachverein der Schäffler Münchens, der den Tanz seit 1871 organisiert und seine Protagonisten seit dem Dreikönigstag am 6. Januar losschickt, zunächst nur an den Wochenenden, seit Ende Januar dann täglich. Mehr als 220 Auftritte umfasst ihr Terminkalender in dieser Saison, allein vom unsinnigen Donnerstag bis zum Faschingsdienstag werden es mehr als 40 sein.

Mit fünfminütiger Verspätung trifft der Bus mit den Schäfflern und den "Holledauer Randstoasuzlern", die musikalisch den Takt vorgeben, in Puchheim ein. 20 Schäfflertänzer steigen aus und formieren sich. Sie geben ein farbenfrohes Bild ab in ihren roten Jacken, schwarzen Kniebundhosen, weißen Westen, grünen Schlegelkappen, dem Lederschurz, der - damit er beim Tanzen nicht stört - am linken Oberschenkel zu einem Dreispitz hochgeeschlagen wird, und den roten Schärpen, die das Wappen des Freistaats Bayern und das Zunftwappen der Schäffler zeigen. Zu den Klängen des Bayerischen Defiliermarsches ziehen sie der Reihe nach mit ihren Buchsbögen ein, dann steigt das sie begleitende Münchner Kindl auf ein Fass, begrüßt die Umstehenden und erzählt in Reimform davon, wie die Schäffler damals "nach dem schwarzen Tod" den Menschen neuen Mut gebracht hätten.

Und dann tanzen sie: Die Kapelle spielt auf, ein paar Zuschauer singen mit: "Aber heit is koid, aber heit ist koid". Die Schäffler formieren sich zu ihren Figuren, die sich Schlange, Laube, Krone oder Kreuz nennen. Der Schleifschritt, den sie dabei tun, ist aus der Nähe zu hören. Er setzt den Tanzschuhen ganz schön zu. Alle paar Tage müssten die Sohlen repariert werden, erzählt Christian Härtl, der Tourleiter. Den Asphalt der Puchheimer Tanzfläche zählt Härtl zu jener Art von Untergrund, der die Schuhe besonders schnell ramponiert. Die Zuschauer fotografieren und filmen. Derweil treiben die zwei Kasperl in ihren bunten Rautenkostümen ein wenig Unsinn. Christian Arbinger, einer der beiden, ist damit beschäftigt, die Nasen der Besucher zu schwärzen, auch Puchheims Bürgermeister Norbert Seidl (SPD), der in der ersten Reihe steht, bekommt einen dunklen Flecken ab.

Die Stadt habe in diesem Jahr ihren Stadtteil Puchheim-Ort im Fokus, deshalb habe es sich angeboten, die Schäffler hierher zu holen, sagt Seidl später der SZ. 550 Euro kostet deren Auftritt. Geschäftstüchtig tun die Schäffler währenddessen weitere Einnahmequellen auf, und so bringt Tourleiter Härtl eine Broschüre über den Schäfflertanz für fünf Euro und Postenkarten mit einem Gruppenfoto für einen Euro mit der Bitte um "eine kleine Spende für die Schäffler-Bierkasse" unters Volk. Bürgermeister Seidl hat bereits alle Hände voll zu tun mit Erinnerungsstücken, Henkeltassen, Krügen.

Das Mitmachen in der Schäffler-Tanzgruppe war vormals nur echten Fassmachern vorbehalten, mittlerweile sind auch Tänzer aus anderen Berufsgruppen dabei, denn Fassmacher gibt es nicht mehr sehr viele. Der Faschingssonntag ist zeitlich eng getaktet, insgesamt sieben Auftritte stehen an, im Landkreis neben jenem in Puchheim auch noch in Germering am späten Nachmittag. Für ein paar schnelle Selfies mit Besuchern nehmen sich einige Schäffler dennoch Zeit, während andere schon wieder in den Bus steigen.

Simon Schäfer und Paul Schnitzberger stehen noch davor. "Es ist eine Ehre, bei den Münchner Schäfflern tanzen zu dürfen", sagt Schäfer. Er ist heuer zum ersten Mal dabei, kann sich die Zeit einteilen, weil er gerade in Elternzeit ist. Schnitzberger ist schon ein alter Hase, gehört schon seit 1991 dazu. Es ist seine fünfte Schäffler-Saison. Man komme mit vielen Leuten in Kontakt, das mache den Reiz aus, sagt er, und der Aufwand hielte sich dann doch in Grenzen, weil man ja nur alle sieben Jahre auftrete. Dann steigen auch die beiden in den Bus. Wo es als nächstes hingeht? Schnitzberger überlegt kurz und sagt dann: "Jeden Termin kann man nicht wissen." Sie werden einfach alle wieder aussteigen, wenn der Bus anhält.

© SZ vom 04.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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