Katastrophenschutz:"Für die ersten Tage reicht auch kalte Küche"

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Ob es zu Lücken bei der Stromversorgung kommt, kann niemand sicher vorhersagen. (Foto: Christian Ohde/imago)

Was ist zu tun, wenn es zu einem Blackout kommt? Und noch wichtiger: Wie kann man sich vorbereiten? Die Notfall- und Krisenmanagerin Sandra Kreitner gibt Tipps.

Interview von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

10,7 Minuten mussten deutsche Haushalte im Jahr 2020 im Durchschnitt ohne Strom auskommen, meldet das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Sechs Tage dauerte es 2005 nach einem großflächigen Stromausfall während des Schneechaos' im Münsterland, bis alle Haushalte wieder mit Strom versorgt waren. Was aber passiert, wenn es zu einem Blackout kommt, also einem länger andauernden und regional nicht begrenzten Stromausfall? Sandra Kreitner, 39, aus Hohenpeißenberg berät Bevölkerung, Unternehmen, Einrichtungen der kritischen Infrastruktur und Kommunen als Notfall- und Krisenmanagerin, zum Beispiel auch das Landratsamt Fürstenfeldbruck. Die SZ wollte von ihr wissen, ob sich der einzelne darauf vorbereiten kann und wie er sich bei einem Blackout verhalten soll.

Sandra Kreiner berät Bevölkerung, Unternehmen, Einrichtungen der kritischen Infrastruktur und Kommunen in Sachen Notfall- und Krisenmanagement. (Foto: Sandra Kreitner/oh)

SZ: Ob es zu einem Blackout kommen wird, ist nicht die Frage, schreiben Sie auf Ihrer Internetseite, sondern wann. Woher wissen Sie das?

Sandra Kreitner: Man weiß es nicht. Aber die Risiken sind im vergangenen halben Jahr gestiegen: die Risiken von Cyberattacken oder Sabotage, auch die Wetterextreme werden mehr. Deshalb darf man nicht fragen, wann es zu einem Blackout kommt. Sondern im Fokus sollte stehen: ob wir darauf vorbereitet wären.

Sie empfehlen, dass die Menschen für einen möglichen Blackout Vorräte anlegen sollen. Reicht das nicht, was man so daheim hat?

Leider nicht bei allen. Eine Umfrage hat ergeben, dass ein Drittel der Bevölkerung nur für drei Tage Vorräte daheim hat, ein weiteres Drittel für eine Woche, und wiederum ein Drittel für länger als eine Woche. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfiehlt, Vorräte für zehn Tage anzulegen. Das aber ist nur bei 15 Prozent der Bevölkerung erfüllt. Wir müssen deshalb krisenfitter werden, damit man eine Katastrophe besser überstehen kann.

Was unterscheidet einen Blackout von einem normalen Stromausfall?

Ein Blackout ist langandauernd und überregional. Im ganzen Land und in Teilen Europas ist dann die Stromversorgung unterbrochen. Bei einem regionalen Stromausfall ist das nicht der Fall. Bei einem Blackout ist dann keine Hilfe von außen möglich. Der Staat aber kann nicht 83 Millionen Menschen für zwei Wochen mit Lebensmitteln versorgen.

Die Vorräte sollen zehn Tage überbrücken helfen. Was ist dabei am wichtigsten?

Wasser und länger haltbare Lebensmittel. Dafür gibt es Basischecklisten: also Nudeln, Reisen, Lebensmittel in Dosen - auch nach persönlichen Vorlieben. Eben alles, was Oma damals in der Speisekammer hatte. So kenne ich das noch. Auch wer Medikamente nehmen muss, sollte rechtzeitig Nachschub besorgen.

Die meisten Menschen hierzulande kennen nur ein Leben, in dem ständig alles verfügbar ist. Wie überzeugt man sie davon, größere Vorräte anzulegen und beispielsweise künftig einen Campingkocher zu Hause zu haben?

Die Menschen von heute haben hier eine krisenfreie Zeit erlebt. Sie sind es nicht gewöhnt, dass es sinnvoll sein kann, Vorräte zu Hause zu haben. Das war bei unseren Omas noch anders. Die haben noch Krisen und Kriege erlebt. Wir aber kennen tatsächlich, dass alles verfügbar ist und wir jederzeit einkaufen können. Viele Leute aber sind seit einem halben Jahr schon auf eine andere Situation sensibilisiert. Es gab auch schon Informationen von den Behörden dazu. Vorräte beispielsweise für eine fünfköpfige Familie anzulegen wie bei mir - ich habe drei Kinder -, das kann man aber nicht mit einem einzigen Einkauf machen, das muss man Schritt für Schritt tun. Und ja, ein Campingkocher ist nicht unbedingt notwendig. Für die ersten Tage bei einem Blackout reicht auch kalte Küche, etwa Müsli oder Brot mit Wurst. Auch ein Grill kann nützlich sein, aber man muss es immer wieder betonen: nur draußen verwenden!

Lebensmittelvorräte für zehn Tage bereit zu halten, lauten die Empfehlungen. (Foto: Jochen Tack/imago)

Wie muss ich mich als einzelner verhalten, wenn es zu einem Blackout kommt?

Erst mal ruhig bleiben, den Sicherungskasten checken. Dann alle Geräte, die mit Strom betrieben werden, ausschalten, zum Beispiel die Herdplatte oder das Bügeleisen. Sonst gibt es ein Problem, wenn der Strom irgendwann wieder da ist. Leuchtmittel wie Taschenlampen oder Kerzen bereitstellen, Kerzen aber bitte nur in Gläsern! Wasser auffüllen, in Behälter und Eimer, nicht in die Badewanne! Und sich erkundigen, wo die Anlaufstellen in der Gemeinde sind, denn man kann dann ja nicht mehr telefonieren. Für Informationen und Nachrichten das batteriebetriebene Radio einschalten. In der Nachbarschaft zusammenhelfen, wenn sich zum Beispiel jemand, der pflegebedürftig ist, nicht selbst helfen kann. Und bitte nicht den Notruf wählen, weil kein Strom verfügbar ist und man etwas wissen möchte! Dessen Leitungen sollen für die echten Notfälle frei bleiben.

Solche Notfallszenarien und Ratschläge machen vielen Menschen aber auch Angst. Was sagen Sie denen?

Das ist verständlich. Aber die Angst wird kleiner, je mehr man selbst tun kann. Wenn man vorgesorgt hat für zehn Tage - und das ist nicht schwer -, ist die Angst relativ schnell wieder weg.

Auf Ihrer Website empfehlen Sie Familien ein paar schöne Brettspiele oder das Kasperltheater bereit zu halten, damit es bei einem längeren Stromausfall nicht langweilig wird. Wörtlich heißt es: "Machen Sie es sich romantisch und sehen Sie es als Abenteuer." Ist das in einer als möglicherweise bedrohlich empfundenen Situation tatsächlich der richtige Ratschlag?

Ja, davon bin ich überzeugt. Einem Kind wird es dann schnell langweilig oder einem selbst vielleicht auch. Für die meisten Menschen ist der Blackout ja nicht lebensbedrohlich. Die meisten - außerhalb der kritischen Infrastruktur - werden nicht mehr arbeiten können und sitzen dann daheim. Da kann man dann lesen oder Gesellschaftsspiele machen. Aber lieber nicht so etwas wie Schlitten fahren, wo man sich verletzen kann. Es wird eine entschleunigte Zeit sein.

Licht ins Dunkel können während eines Blackouts Kerzen oder Teelichter bringen. (Foto: Jessica Lichetzki/dpa)

Sind die Menschen generell ein bisschen zu sorglos?

Sorglos ist vielleicht ein falsches Wort dafür. Das Risikobewusstsein ist nicht so da, weil die meisten von uns so etwas noch nicht erlebt haben und davon ausgehen, dass es so nicht kommen wird. In anderen Ländern gibt es solche Szenarien häufiger, deshalb ist für die Menschen dort Vorsorge selbstverständlich. Wir haben eher eine Vollkaskomentalität, das aber hilft bei einem überregionalen Krisenfall nicht.

Sie empfehlen, nicht nur materielle Vorräte anzulegen, sondern sich auch mental vorzubereiten. Wie macht man das?

Man sollte sich organisatorisch vorbereiten und das Szenario mental durchspielen. Etwa wie komme ich, wenn ich bei der kritischen Infrastruktur arbeite, bei einem Blackout überhaupt dorthin? Wo sind die Familienmitglieder vormittags, nachmittags und muss ich jemanden abholen? Wenn die Kinder in der Stadt leben: Bleiben sie dort oder soll man sie einstweilen zurückholen? Antworten auf solche Fragen kann man sich vorher überlegen.

Sie sind Chemikerin und promovierte Biophysikerin. Wie wurden Sie zur Notfall- und Krisenmanagerin?

Durch Zufall. Ich bin eine Quereinsteigerin und habe vor zwei Jahren angefangen, mich mit dem Thema Blackout zu befassen. Mein Mann hatte sich Bücher gewünscht zum Thema Stromausfall und die habe ich auch gelesen. Dann habe ich mal an meinem Wohnort nachgefragt: Wie ist das eigentlich bei uns? Wie sind wir vorbereitet? Das Ergebnis war eher ernüchternd. Das Landratsamt bei uns in Weilheim-Schongau hatte allerdings schon seit 2019 dazu eine Arbeitsgruppe. Ich habe mich dann zur Notfall- und Krisenmanagerin fortgebildet.

Sie beraten das Landratsamt Fürstenfeldbruck und andere Kommunen. Was raten Sie diesen?

Die Kommunen haben mehr Aufgaben in der Vorbereitung als die Bevölkerung. Städte und Gemeinden müssen Anlaufstellen für die Bevölkerung einrichten, in Bayern heißen sie Leuchttürme. Sie müssen klären, wie internes und externes Kommunizieren im Blackout-Fall noch möglich ist, etwa über den alten Analogfunk. Ob Wasser- und Abwasserversorgung noch funktionieren. Und die wenigsten Gemeinden haben bislang einen administrativen Krisenstab. Der aber ist notwendig, denn, wie gesagt, bei einem großflächigen Ereignis gibt es keine Hilfe von außen.

Ausführliche Tipps zum richtigen Verhalten bei einem Blackout liefern auch staatliche Institutionen wie etwa das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Warum brauchen Kommunen dann Ihre Beratung?

Das BBK kann ja nicht in jede Kommune kommen. Ich bin sozusagen eine Ergänzung. So referiere ich unter anderem vor Gemeinderäten, auch bin ich viel in der kritischen Infrastruktur unterwegs: bei Feuerwehren, Kliniken. Bei den Kliniken ist es so, dass die zwar Notstromaggregate haben, aber oft nur Lebensmittel für die nächsten zwei Tage. Einen Versorgungsausfall haben nicht so viele auf dem Schirm.

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Von Heike A. Batzer und Erich C. Setzwein

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