In der Woche vor dem Schulbeginn sind viele Eltern in Schreibwarenläden und Drogeriemärkten mit Listen unterwegs, um für ihr Kinder die benötigten Materialien einzukaufen. Vor allem Eltern der Erstklässler und Erstklässlerinnen sind dabei von den steigenden Preisen betroffen. Um ärmere Familien dabei finanziell zu unterstützen, gibt es Förderungen wie die „Leistungen für Bildung und Teilhabe“ oder lokale Projekte wie die „Aktion Schultüte“.
„Schreibmaterialien werden immer teurer“, sagt eine Mutter, die mit ihrer Tochter Wachsmalkreiden und Buntstifte in einem Drogeriemarkt in Fürstenfeldbruck kauft. „Oft kann man die Produkte ja zum Glück länger hernehmen.“ Etwa den Marken-Malkasten. „Wir versuchen aber schon, die Qualität zu vergleichen und dann die günstigere Alternative zu nehmen“, sagt sie. Auf den Listen werden immer wieder Marken genannt, die gekauft werden sollten. Wenn Eltern sich verpflichtet fühlen, das zu tun, kann es schnell teuer werden. So müssen Familien zur Einschulung laut der Antwort auf eine Anfrage der SPD-Fraktion im bayerischen Landtag etwa 300 bis 500 Euro ausgeben.
Das kann finanziell schlechter gestellte Familien vor Probleme stellen. Dabei sind Markenprodukte nicht zwingend. Anita Müller, Vorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) und Grundschullehrerin in Jesenwang, erklärt, es handle sich schlicht um Empfehlungen der Lehrer. Die empfohlenen Produkte böten meist eine bessere Qualität und könnten so auch zu besseren Ergebnissen führen. Zum Beispiel seien Marken-Farben häufig glänzender und deckender als die günstigeren.
Doch ihrer Meinung nach ist es zweitrangig, für Erstklässler teure Produkte für den Kunstunterricht zu kaufen. Denn erst ab der dritten Klasse gebe es Noten. „Bei Schreibwerkzeug sollte man schon auf Qualität achten, wegen der längeren Haltbarkeit und weil sich die Kinder damit leichter tun“, sagt sie. Müller sieht die Lehrkräfte in der Verantwortung, die Unterschiede zwischen ärmeren und wohlhabenderen Familien nicht zu verstärken. Die Nennung von Markenprodukten auf Materiallisten ist ihrer Meinung nach im Landkreis nicht üblich, sie trage zu einer Wettbewerbsverzerrung bei.
Sozial benachteiligte Kinder würden durch unterschiedliche Materialien noch mehr benachteiligt, sagt Sonja Schlünder. Die Sozialpädagogin leitet den Bereich Bildung und Beratung des diakonischen Werks Fürstenfeldbruck. Sie ist unter anderem zuständig für die „Aktion Schultüte“, eine Kooperation der Initiative zur Selbsthilfe für Betroffene mit geringem Einkommen (ISB), des Bereichs „Kinder Jugend und Familie“ der Johanniter-Unfall-Hilfe, des Sozialdiensts Germering und des diakonischen Werks Fürstenfeldbruck. „Seit 2008 unterstützen wir Familien mit geringem Einkommen. Wir können nach einer Einzelfallprüfung den Familien bis maximal 175 Euro zum Kauf von Material im Nachhinein zur Verfügung stellen“, erklärt Schlünder.
Um die Zuschüsse zu erhalten, müssten Einkommensbescheide, die Quittungen der Einkäufe und die Materiallisten der Schulen eingereicht werden. Der Betrag werde zeitnah an die Familien in bar oder auch per Überweisung ausbezahlt. In den vergangenen Jahren hätten jeweils 60 bis 70 Familien von der Aktion profitiert. „Die Zuschüsse gelten nicht als zusätzliches Einkommen und haben keinen Einfluss auf Leistungen des Staates.“ Sie werden also nicht auf Sozialleistungen wie das Bürgergeld angerechnet.
Zusammen mit den Leistungen für Bildung und Teilhabe der Arbeitsagentur könnten Familien bis zu 305 Euro an Zuschüssen zu Beginn des Schuljahres erhalten. Das deckt laut Schlünder einen großen Teil der Kosten. Die Aktion Schultüte finanziert sich aus Spenden. Als weitere Anlaufstellen empfiehlt sie das Hofcafé der Caritas in Fürstenfeldbruck, wo beispielsweise gebrauchte Schulranzen erworben werden können, oder die soziale Beratung der Caritas sowie schuleigene Stiftungen zur Unterstützung von Schülerinnen und Schülern in höheren Jahrgangsstufen.
Mengenrabatte durch Sammelbestellungen
Zuweilen gibt es an den Schulen eigene Projekte. „Ich habe zum Beispiel bei meinen Viertklässlern übrige Stifte und Wachsmalkreiden eingesammelt und die an Erstklässlern weitergegeben“, berichtet Müller und fordert zu mehr Eigeninitiative auf. Sie habe auch schon selbst Material für bedürftige Kinder gekauft.
An manchen Grundschulen würden zudem die Lehrerinnen und Lehrer in Absprache mit den Eltern und mit genauen Informationen über den ungefähren Preis alle Materialien im Voraus besorgen. So kämen den Eltern Mengenrabatte zugute, Unterschiede im Hinblick auf die Materialien könnten vermieden werden.
Müller sieht Bildung als einen Ausweg aus der Armutsspirale. Doch manchen Kindern fehle es an genügend Unterstützung seitens der Eltern, etwa beim Abfragen vor Proben oder bei der Betreuung der Hausaufgaben, sei es aus zeitlichen Gründen oder wegen sprachlicher Barrieren. Beide Frauen sind überzeugt, dass Projekte wie „Aktion Schultüte“ dabei helfen, Buben und Mädchen einen gelungenen Übergang in die Schule zu ermöglichen.