Biergeschichten:Der Radius um den Schornstein wird größer

Lesezeit: 4 min

Die Brauerei gilt als Wahrzeichen der Gemeinde Maisach (Foto: Günther Reger)

Die Brauerei Maisach kann auf eine Jahrhunderte alte Firmengeschichte zurückblicken. Doch erst seit zwei Jahren mit der Übernahme der Braustätte durch Michael Schweinberger wird das Vetriebsgebiet stark erweitert und die Marke auch über den Landkreis hinaus bekanntgemacht

Von Erich C. Setzwein, Maisach

Es gibt ein "Opfer" zu beklagen an diesem Abend im Maisacher Festzelt. Ein Wirtshaustisch geht zu Bruch bei dem Versuch zweier Männer, sich beim Fingerhakeln über den Tisch zu ziehen. Der Tisch stammt aus der Maisacher Brauerei, dessen Chef Michael Schweinberger den Totalverlust des alten Möbels aber locker wegzustecken scheint. An diesem Abend geht es um die Gaudi, die Show muss weitergehen. Zeigen, dass man mit dem Ort verbunden ist. Beweisen, dass es eine Brauerei am Ort gibt, die mehr tut, als nur die gefüllten Flaschen in die Getränkemärkte zu bringen. Michael Schweinberger ist Marketingfachmann genug, um zu wissen, wie er seine Marke in Maisach und Umgebung am besten platzieren kann.

Am 1. Januar 2016 hat der 56-Jährigemit einem Pachtvertrag die Braueien übernommen in der seit fast fünf Jahrhunderten Bier gebraut wird. Jetzt ist er mit vielen per Du, kennt die Vereine, die Macher und lobt beim Bierzelt-Wettbewerb ein Spanferkel und 100 Liter Bier für den Sieger aus. Auch so schafft man Nähe und Identifikation.

Schweinberger sagt, es gebe "Flaschenbrauereien" und "Kistenbrauereien". Mit den Flaschenbrauereien meint er jene Start-ups, die auf der derzeit offenbar gut vermarktbaren Craft-Bier-Welle mitschwimmen. "Wir sind eine Kistenbrauerei", betont der Bräu von Maisach. Damit macht er klar, dass in der Braustätte an der Hauptstraße Mengen produziert werden, mit denen im Getränkehandel und in der Gastronomie Umsatz gemacht werden kann. Schweinberger weiß, dass es inzwischen immer mehr der kleineren Flaschenbrauer gibt, er sieht darin eher einen Ansporn als eine Konkurrenz. Denn auch wenn die vielen, vor allem jungen Brauer der Craft-Bier-Szene mittlerweile einiges bewegen, so sieht sich der 56-Jährige in der Tradition der Maisacher Brauerfamilien. "Uns gibt es seit 462 Jahren."

Führungen durch die Brauerei sind möglich, und einmal im Jahr können Besucher beim Fasspichen zuschauen. (Foto: Johannes Simon)

Als die Brauerei Maisach ihr Gründungsjahr zum 460. Mal beging, stieg Michael Schweinberger ein. Er kam nicht direkt aus der Bierbranche, aber seine zehnjährige Tätigkeit in Kitzingen hatte auch mit einem besonderen Getränk zu tun. Er war Geschäftsführer der dortigen Weingenossenschaft, davor internationaler Marketingdirektor der Paulaner Brauerei und Geschäftsführer der Paulaner-Tochter Bräuhaus Consult GmbH. Und noch weiter davor war er bei Feinkost Kattus, auch in Maisach. So schloss sich nach vielen Jahren in der Lebensmittelbranche ein Kreis an dem Ort, an dem die "Perle" aus dem Sudkessel kommt und das Dunkle nach dem zur Legende gewordenen Kriminellen Mathias Kneißl benannt ist.

Schweinberger hat die Brauerei auch deshalb übernommen, weil er darin eine Chance sieht, sie als Familienunternehmen weiterzuführen. Sein Sohn Tim Nürnberg soll in ein paar Jahren die Geschäfte übernehmen, schon jetzt ist er an der Seite des Vaters zu sehen. Der 24-Jährige studiert Betriebswirtschaft und hat sich als Biersommelier ausbilden lassen. Er betreut den Auftritt der Brauerei in den sozialen Medien und kümmert sich um die Kontakte zu den Getränkemärkten.

Die sind wichtig, weil die Maisacher eben eine "Kistenbrauerei" ist. Das Bier wird auch nicht mehr nur "um den Schornstein herum" verkauft, sondern zum Beispiel auch in Märkten in Memmingen. Die Zahl der belieferten Getränkemärkte konnte Schweinberger von 85 auf 120 steigern. "Wir sind ziemlich gut unterwegs", sagt der studierte Betriebswirt, "der Zuspruch wird deutlich stärker".

Seit 1907 ist die Brauerei im Besitz der Familie Sedlmayr, zuletzt führte Martina Wieser-Sedlmayr die Geschäfte, ehe sie an Schweinberger verpachtete. Als kuriose Geschichte kursiert heute noch der Kauf der Maisacher Brauerei vor 111 Jahren. So soll Josef Sedlmayr, der Urgroßvater Wieser-Sedlmayrs, mit der Bahn von München Richtung Westen gefahren sein und dabei ein Gespräch über den Verkauf der Brauerei mitgehört haben. Die Notbremse habe er vor Maisach gezogen, sei zur Brauerei geeilt und habe sie für 335 000 Mark gekauft, bevor die eigentlichen Interessenten eingetroffen waren. In den Jahrhunderten zuvor hatten die Besitzer oft gewechselt, wie es in der Chronik der Gemeinde festgehalten ist.

Ursprünglich eine Taverne, entstand im 16. Jahrhundert dort eine Brauerei, die in den Sommermonaten aber vor allem Wein ausgeschenkt haben muss, weil das Bier in der Sommerhitze verdarb. Es wurden wohl auch die Zutaten wie Gerste und Hopfen in und um Maisach angebaut. Bis 1772 ist der Hopfenanbau nachgewiesen.

Die Zutaten und das Reinheitsgebot sind in der Brauerei auch noch das Wichtigste. Es sei eine "Genussbrauerei", die er übernehme, sagte Schweinberger im Dezember vor drei Jahren, als er zum ersten Mal öffentlich über den Pachtvertrag sprach. Tradition ist aber nach wie vor wichtig, zum Beispiel bei den Betriebsführungen. Deren Ablauf hat Schweinberger etwas geändert, er wirbt mit den historischen Dampfmaschinen von 1898 und 1920, dem Sudkessel aus dem Jahr 1901, einer Zwei-Horden-Malzdarre und dem Bierlaster aus dem Jahr 1950. Einmal im Jahr wird gepicht, das heißt, dass die Eichenfässer innen mit Pech abgedichtet werden, bevor sie wieder befüllt werden. Das ist altes Handwerk, aber keine museale Vorführung, sondern ein notwendiger Schritt in der Produktion.

Seit 2016 verantwortet Michael Schweinberger die Produktion. (Foto: Robert Haas)

So ganz nebenbei hat sich Schweinberger eine Filiale zugelegt. In der alten Brauerei Stegen am Ammersee war zwischen 2011 und 2017 das "Echt Ammerseer" gebraut worden, dann zog sich der Besitzer zurück. Sudkessel und Tanks blieben dort, der Eigentümer der Brauerei und Schweinberger kamen ins Gespräch, und ein Jahr später eröffnete ein bayerischer Wirt das Braugasthaus neu - mit einem "malzig-süffigen Brauhausbier", wie Schweinberger das Produkt seines Braumeisters bezeichnet. Nach diesem ersten seit Mai ausgeschenkten Bier soll es in diesem Jahr noch zwei weitere Biere geben, die nur in Stegen zu haben sein werden. Wegen des kleineren Sudkessels von nur zehn Hektoliter, also 1000 Liter im Gegensatz zum 7000 Liter fassenden Maisacher Exemplar, könne man Rezepte in kleineren Mengen probieren. Im August soll ein Grünhopfenbier eingebraut werden, was insofern besonders ist, als dass frische Hopfendolden direkt aus dem Anbaugebiet verarbeitet werden. Kein Trocknen, keine Pellets, nur die aromatische, saftige Pflanze. Das soll, so Schweinberger, ein fruchtiges Honigaroma ergeben in einem leichten Sommerbier.

Und wenn es in die kühlere Jahreszeit geht, dann wird es ein etwas dunkleres Vollbier geben, "ein Helles von malziger Farbe, mit wenig Bittere und sehr trinkbar". Ein Bier aus einer "Flaschenbrauerei" mit dem Hintergrund der "Kistenbrauerei".

© SZ vom 05.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: