Süddeutsche Zeitung

Biergärten in Corona-Zeiten:Disziplin unter Kastanien

Vor allem abends füllen sich nun die Biergärten wieder. Die Gäste genießen die wiedergewonnene Freiheit, müssen dafür aber Hygiene- und Abstandsregeln einhalten. Ob sich das Geschäft für die Wirte lohnt, ist noch nicht abzusehen

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Es muss dieses Gefühl sein, draußen zu sein und wieder anderen Menschen, als der eigenen Familie, gegenübersitzen zu können. Es muss nicht Schunkelstimmung sein und auch kein Kontakt Rücken an Rücken, wenn es im Biergarten dunkel und immer voller wird. "Biergarten ist Freiheit", sagt der Disponent der Brauerei Maisach, der mit fünf seiner Kollegen am runden Holztisch in der Mitte des Biergartens sitzt und Mittag macht.

Seit Montagvormittag dürfen die Menschen im Landkreis wieder die sogenannte Außengastronomie aufsuchen, sie müssen sich dabei aber an strenge Regeln halten, ebenso wie die Wirtsleute, die versuchen, ihre Gäste zufrieden zu stellen. Die ersten beiden Tage und der erste Abend haben den Gastronomen gezeigt, wie ein Biergarten in der sogenannten neuen Normalität funktioniert und wie diszipliniert und umsichtig die Gäste sind. Allen ist dabei klar: Die ersten Tage sind nur der Testlauf für den Vatertag am Donnerstag, aber auch da wird es heißen: um 20 Uhr ist Schluss.

Auch wenn der Biergartenbesuch Freiheit bedeuten kann, so frei sind die Gäste dann doch nicht, wenn sie spontan auf eine Halbe kommen. Biergarten in Corona-Zeiten heißt: am besten vorher online oder telefonisch einen Tisch reservieren, seine Daten angeben. Wer das nicht getan hat und zum Beispiel mittags im Biergarten hinter der Maisacher Brauerei bei Maria Tucaliuc vorbeischaut, der muss zunächst die Hände desinfizieren und darf sich in eine Liste eintragen, bevor er sich seine Brotzeit an ihrem Selbstbedienungsstand abholt. Maria Tucaliuc ist seit mehr als 30 Jahren im Maisacher Bräustüberl beschäftigt und jeden Sommer im Biergarten. Sie weiß, dass immer viele Stammgäste da sind, die den urigen Charakter des Gartens zu schätzen wissen. Zur Mittagszeit kommen Angestellte der Brauerei, Arbeiter verbringen dort ihre Pause, und am Dienstagmittag sitzt auch Maisachs Zweiter Bürgermeister Roland Müller an einem Biertisch. Nicht dienstlich, sondern privat. Er wartet auf sein Mittagessen, das er im Bräustüberl zum Mitnehmen bestellt hat. "Am Montagabend war es hier voll", erzählt Müller, "draußen stand Fahrrad an Fahrrad." Müller hat großes Verständnis, dass die Maisacher jetzt nach so vielen Wochen wieder raus wollen. Er selber hat es ja auch gerne gesellig. Roland Müller hat beobachten können, dass die Abstände - zwischen den Biertischen ist immer ein Tisch frei - schon dazu beitragen, dass "die Leute vernünftig sind". Damit sich das Geschäft auch rentiert, hat Maria Tucaliuc Biertischgarnituren extra aufstellen lassen. Derzeit passen eben nur halb so viele Menschen in den Biergarten wie sonst.

Platz für mehr als 200 Menschen hat auch Maho Gerzic, der neue Wirt im Fürstenfeldbrucker Marthabräu. Auch er berichtet über einen Montagabend, an dem der Biergarten voll gewesen sei. 208 Plätze hat er unter den mächtigen schattenspendenden Kastanien zur Verfügung und noch eine Reserve, falls mehr Leute kommen wollen. So wie vielleicht am Vatertag, den die Wirte im Blick haben. Im Marthabräu-Biergarten versorgen sich die Gäste mit Kaltenberger Bier und Hendl, Leberkäs und feinen Salaten an der Selbstbedienungstheke, ihr Tisch ist für sie reserviert. "Entweder über die Homepage oder über Open Table melden sich die Gäste an", nennt Gerzic die Möglichkeiten, zu einem Tisch zu kommen.

Doch die Zeit ist begrenzt. Erlaubt ist der Biergartenbetrieb nur bis 20 Uhr, die letzte Runde muss deshalb bis spätestens 19.30 Uhr bestellt werden. In der kommenden Woche, wenn auch die Gaststätten wieder ihren Betrieb aufnehmen können, dürfte sich das noch nicht ändern, meinen die befragten Gastronomen. Im Lokal selbst darf dann bis 22 Uhr bedient werden.

Doch Maria Tucaliuc, Maho Gerzic und die anderen, die jetzt schon die Gärten geöffnet haben, müssen auf mehr achten, als nur auf die Sperrstunde. Da sind die Wege, die die Gäste gehen sollen, die sie ausschildern müssen, es müssen Wartezonen bezeichnet werden, Händedesinfektion für die Gäste muss bereit stehen, die Angestellten müssen jeden Tisch nach der Benutzung mit Flächendesinfektionsmitteln reinigen, und selbst darauf, dass stets nur einer die Toilette benutzt, muss geachtet werden.

Birgit Bartels-Peter, die zusammen mit ihrem Mann Martin Peter das Brucker Klosterstüberl führt, hat all diese neue Hygieneregeln sowie alles Wichtige rund um Corona am Montag in einer Mitarbeiterschulung gelernt. Sie hatte einen Arzt des arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaften eingeladen, und die mehr als 20 Mitarbeiter wissen nun, wie sie sich und die Gäste am besten schützen können. Die Wirtin selbst ist skeptisch über die weitere Entwicklung und hat lieber noch eine Woche zugewartet, bis sie am kommenden Dienstag Gaststätte und Wirtsgarten wieder öffnet. Aus Vorsicht lässt sie sich sogar das Vatertagsgeschäft entgehen. Ihre Gäste, das zeigt sich bei den Abholungen der Mittagsmahlzeiten, würden lieber gleich sitzen bleiben.

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Quelle:
SZ vom 20.05.2020
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