Süddeutsche Zeitung

Besuche in alten Gemäuern des Landkreises:Villa und Stadl, Post und Mühle

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Eine ganze Reihe von historischen Gebäuden sind sensibel saniert und damit der Nachwelt erhalten worden

Von Katharina Knaut, Fürstenfeldbruck

An der Villenstraße in der Nähe der Schienen steht mitten in Grafrath ein fast 90 Jahre altes Haus. Von der Straße aus ist es kaum zu sehen, so verdeckt ist es von Bäumen und Büschen. Nur durch das verschlungene Tor ist ein wenig zu erkennen: Eine weiße Hauswand, an der eine altmodische Laterne befestigt ist. Ein zufällig vorbeifahrender Autofahrer würde das Anwesen kaum beachten. Niemand würde vermuten, dass es sich hierbei um ein Baudenkmal handelt, ein frühes Werk des Architekten Franz Josef Ruf, der mit seinen Bauten die Architektur der deutschen Nachkriegszeit prägte.

Es sind Bauten wie diese, auf die Kreisheimatpflegerin Susanne Poller und Kreisbaumeisterin Karin Volk an diesem "Tag des offenen Denkmals" aufmerksam machen wollen: Anlässlich des Mottos "Modern(e): Umbrüche in Kunst und Architektur" führen sie in einer Bustour 54 Teilnehmer zu Baudenkmälern im Landkreis, die einen Neubeginn markieren, vom ehemaligen Postamt in Fürstenfeldbruck bis hin zur Furthmühle in Egenhofen. Darunter zeigten Poller und Volk auch Baudenkmäler, die nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen waren.

So wie eben das Garfrather Beispiel, entworfen von Franz Josef Ruf, der mit schnörkellos wirkenden Bauten einen Kontrast zur traditionellen bayerischen Architektur setzte. Das Haus in Grafrath, das Ruf Anfang der Dreißiger Jahre mit gerade 24 Jahren baute, sei dafür ein schönes Beispiel, erklärt Volk. Prägend ist vor allem das Satteldach, das kaum über die Wände übersteht, sodass eine geschlossene Einheit entsteht. Auch die Fenster, die zum Teil über Eck laufen, seien ein besonderes Merkmal. Zur Veranschaulichung zeigt sie der Gruppe Fotos und Pläne. Näher lässt sich das Haus nicht betrachten: Die Eigentümer, ein älteres Ehepaar, lehnten eine Besichtigung ab. Lediglich der Blick durch das Tor vermittelt einen vagen Eindruck von dem schlichten Gebäude mit den klaren Linien.

Die Villa im Jugendstil, die kaum 50 Meter weiter erbaut wurde, könnte mit ihren geschwungenen Linien und den Erkern kaum gegensätzlicher wirken. Hausbesitzer Marcus Müller erlaubt der Gruppe sogar einen Blick ins Erdgeschoss. Ausgestattet mit leuchtend blauen Schuhüberziehern streifen die Leute neugierig durch die Räume. 2002 übernahmen Müller und seine Frau das Anwesen von Gertrud Wirschinger, die als Schlagersängerin "Penny McLean" bekannt wurde. Sie war die Urenkelin des Erbauers Heinrich von Wirschinger, dessen zweite Frau die Villa 1908 in Auftrag gab. Etliche historische Gegenstände seien im Haus gelagert worden, erzählt Müller. Das meiste habe die Sängerin mitgenommen, so Müller. Geblieben ist jedoch die Möblierung des Esszimmers, darunter ein Tisch, Stühle und ein Sideboard. Gefertigt wurden sie von der Firma Neubauer, die bis 1919 in der Löwengrube in München ansässig war. "Es ist selten, dass die Möbel so vollständig vorhanden sind", sagt die Kreisheimatpflegerin Poller.

Doch Poller und Volk führen nicht nur zu Denkmälern, die einen Neubeginn markieren. Sie zeigen auch Denkmäler, die sich einem Umbruch unterzogen oder sich noch in einem befinden. So führten sie die Gruppe zum ehemaligen Postamt in Fürstenfeldbruck. Das Haus sei ein typisches Beispiel für die Postbauten, die in den Zwanzigern und Dreißiger Jahren entstanden sind, erklärt Poller. Die Post in Fürstenfeldbruck wurde 1928 von dem Architekten Georg Werner errichtet, 1958 wurde es durch einen Anbau erweitert. Dorthin wurde schließlich der zentrale Funktionsbereich der Post ausgelagert. Poller, Volk und Architekt Peter Ottmann zeigen vor allem den Eingangsbereich mit der schmalen Treppe, die sich das runde Treppenhaus emporschwingt. Der ganze Bau sei als Gelenkpunkt zu verstehen, erläutert Ottmann. Er stehe in Beziehung zur Altstadt, zum Kloster sowie zum Bahnhof. Das ursprüngliche Hauptgebäude wurde 2016 saniert, dort sind nun Arztpraxen untergebracht.

Auch in Adelshofen war 2016 ein Umbruchsjahr. Damals übernahm Joseph Merkl den sogenannten Pschorrstadl. Das Gebäude war Teil des einstigen Dreiseithofes, ein U-förmiger Hof, der sich zum ehemaligen Schloss- und Klostergelände öffnete. 1993 kaufte die Gemeinde Adelshofen das Anwesen. Das ehemalige Wohngebäude wurde saniert, dort ist nun das Rathaus untergebracht. Für die Sanierung des Stadls fehlten jedoch die Mittel. Als Adelshofener habe ihn der Anblick geschmerzt, daher habe er den Stadl von der Gemeinde gekauft, erklärt Merkl, als er die Gruppe durch das Gebäude führt. Seit 2016 baut er den Stadl um. Ursprünglich waren im 1871 erbauten Stadl Kühe untergebracht. Nun soll in dem Gebäude mit der geschwungenen Decke, den noch nackten Backsteinwänden und den gusseisernen Säulen Veranstaltungsräume entstehen. "Ein Baudenkmal im Umbruch", so Poller.

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SZ vom 10.09.2019
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