Bericht der Obdachlosen-Fachstelle:Angst um die Wohnung

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Weil sie fürchteten, obdachlos zu werden, haben etwa 500 Haushalte im Landkreis im vergangenen Jahr Hilfe beim Caritas-Zentrum gesucht. Dort ist man überrascht von der Vielzahl der Anfragen.

Von Julia Bergmann

Von Julia Bergmann

Fürstenfeldbruck - Wie viele Menschen im Landkreis von Obdachlosigkeit bedroht sind, war sogar für Ralf Grath, den Leiter der Sozialen Dienste des Caritas-Zentrums Fürstenfeldbruck, eine Überraschung. Man hatte mit etwa 250 Fällen gerechnet. Die Beratung der Fachstelle Wohnen wurde im vergangenen Jahr aber von 498 Haushalten in Anspruch genommen.

Am 1. Januar 2013 wurde die Fachstelle gegründet. Sie ist dem Caritas-Zentrum unterstellt und wird gemeinsam mit dem Kooperationspartner Arbeiterwohlfahrt-Kreisverband (Awo) Fürstenfeldbruck als beauftragte Stelle des Landratsamtes betrieben. Ein notwendiges wie auch erfolgreiches Projekt. Denn in 95 Prozent aller Fälle konnte die Fachstelle die Obdachlosigkeit ihrer Klienten verhindern.

Bei der Präsentation des Jahresberichts im Landratsamt sagte Grath, man habe bereits im Jahr 2012 eine Ahnung von der steigenden Zahl der Wohnungsnotfälle in der Wohnungslosenhilfe der Caritas bekommen: "Es kamen immer mehr Menschen in die Teestube, teilweise ganze Familien oder allein erziehende Mütter, die bisher ein ganz geregeltes Leben geführt hatten."

Denn die Gründe, warum Menschen plötzlich mit der Angst vor Wohnungsverlust konfrontiert werden, sind vielfältig. Da sei nicht nur der Jobverlust, sondern auch eine Trennung vom Partner, der aus der gemeinsamen Wohnung auszieht oder der Tod des Gatten, der eine Witwe zurücklässt, deren Rente für die Miete nicht mehr ausreicht.

Weil bereits bestehende Hilfsangebote nicht mehr ausreichten, war die Gründung der Fachstelle Wohnen, die für den gesamten Landkreis zuständig ist, notwendig, betont Dieter Müller, der Referatsleiter des Amts für Soziales. Bereits vom ersten Tag an wurde das Angebot sehr gut angenommen.

Wendet sich ein Klient an die Fachstelle, versucht man zunächst, ihm den Erhalt der bestehenden Wohnung zu ermöglichen. Im vergangenen Jahr ist das in 321 Fällen gelungen. Oft werden die Mitarbeiter der Stelle als Vermittler zwischen Mieter und Vermieter tätig. Denn meist mangle es schon an der fehlenden Kommunikation zwischen beiden Parteien, sagt Daniela Massias-Proft von der Awo. Man suche dann in einem Gespräch nach einer guten Lösung.

"Die Vermieter zeigen sich häufig bereit dazu, das Mietsverhältnis aufrechtzuerhalten. Teilweise können Ratenzahlungen vereinbart oder eine Monatsmiete erlassen werden", sagt Rath. Wenn es gelingt, das bestehende Mietverhältnis aufrecht zu erhalten, bedeutet das für den Landkreis eine hohe Kostenersparnis. Im Falle eines Umzugs sozial schwacher Klienten müsste dem Betroffenen nämlich vom Sozialamt ein Kautionsdarlehen gewährt werden.

"Die Rückholquote bei diesen Darlehen ist sehr gering, weil die Klienten ohnehin finanziell eingeschränkt leben", sagt Müller. Durch das Projekt spare sich der Landkreis etwa 200 000 Euro pro Jahr, schätzt er. Genaue Zahlen werden im Jahresbericht der Fachstelle Wohnen jedoch nicht genannt. "Darauf habe ich bewusst verzichtet, da es schwierig ist, die genauen Kosten zu beziffern", sagt Grath. Diese seien von Fall zu Fall verschieden.

Tritt jedoch die Situation ein, dass der Klient nicht in seiner Wohnung bleiben kann, steht die Fachstelle vor eine besonders schwierigen Aufgabe. Auf die Suche nach einer neuen Wohnung müsse man sich dann machen, wenn ein Klient in einem "nicht erhaltenswerten Wohnraum" lebt. Wenn etwa siebenköpfige Familien in einer Zweizimmer-Wohnung wohnen oder die Wohnung für eine Person allein viel zu teuer und viel zu groß ist. Günstigen Wohnraum zu finden sei gerade in prosperierenden Ballungsräumen schwierig. Vor allem für Alleinerziehende oder große Familien, sagte Grath.

Und oft kämen die Klienten erst, wenn der Leidensdruck schon groß ist. Wenn die Mietschulden sich schon angehäuft haben. Und häufig haben die Menschen auch mit anderen gravierenden Problemen zu kämpfen. Ein Vorteil der Fachstelle, sei die gute Vernetzung zu psycho-sozialen Beratungsstellen, Schuldner- und Suchtberatung. "Je früher die Menschen kommen, desto höher sind die Chancen, ein Abrutschen in die Obdachlosigkeit zu verhindern", sagte Grath. "Aber es ist nie zu spät, etwas zu tun."

© SZ vom 03.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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