Kunst im Kloster FürstenfeldBeziehung und Identität – was den Menschen definiert

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"Junge Helden", Diptychon von Stefan Juttner.
"Junge Helden", Diptychon von Stefan Juttner. (Foto: Johannes Simon)

Stefan und Béla Juttner stellen gemeinsam im Haus 10 aus. Mit ihrer „Punktlandung“ liefern Vater und Sohn ein starkes Statement. Sie schenken sich dabei nichts.

Von Johannes Simon, Fürstenfeldbruck

Zwei jüngere Männer sitzen sich gegenüber, Zigarette rauchend, einer fast nackt, sanguinischer Typ, lässig – um Coolness bemüht, beide. Männer, die in irgendeiner Weise um Interaktion bemüht sind, aber vielleicht gar nicht wissen, wie das eigentlich geht. Ihre Begegnung erschöpft sich in angestrengten Gesten des Beeindrucken-Wollens. Im Hintergrund explodiert irgendetwas, rote Farbe, Farbrausch, Blutsturz, bestürzende Assoziation von Gewaltereignis, traumhafte, albtraumhafte Szenerie.

Was sich wie die Szene eines Tarantino-Filmes anhört, ereignet sich, zum Still gefroren, in dem Gemälde „Junge Helden“ von Stefan Juttner, das derzeit in der Kulturwerkstatt Haus 10 in Fürstenfeldbruck ausgestellt ist. Das Gemälde, souverän in fotorealistischer Technik gemalt und in surrealistischer Manier umgesetzt, hat beachtliche Dimensionen, es ragt fast bis zur Decke des Ausstellungsraumes und empfängt die Besucher als Diptychon, im 90-Grad-Winkel zueinander aufgestellt, sodass man gleichsam in das Gemälde hinein schreitet, das Gemälde also zu einem Teil der Wirklichkeit wird.

Stefan Juttner (links) und sein Sohn Béla stellen gemeinsam im Haus 10 aus - "Punktlandung" heißt die Schau.
Stefan Juttner (links) und sein Sohn Béla stellen gemeinsam im Haus 10 aus - "Punktlandung" heißt die Schau. (Foto: Johannes Simon)

„Punktlandung“ heißt die Duo-Ausstellung, die von dem Fürstenfeldbrucker Maler Stefan Juttner und seinem Sohn Béla, einem unlängst mit dem Leonhard- und Ida-Wolfs-Gedächtnispreises der Stadt München ausgezeichneten Multimedia-Künstler, gemeinsam präsentiert wird. Vater Stefan, Jahrgang 1966, verfügt über beachtliches malerisches Können. Mit seinen psychologisch hoch aufgeladenen Bildfindungen lässt er durchaus an den Maler-Star Neo Rauch denken.

Der 28-jährige Béla, einst Jungstudent der Heinz-Bosl-Ballettakademie, zeigt sich als vielseitige künstlerische Persönlichkeit, bei der Gattungsgrenzen kaum noch eine Rolle spielen. Die Übergänge von Installation, Performance, Mode, Design, Malerei und Film sind fließend. Es ist eine Haltung, die extrovertiert bis hin zur Aggressivität auftritt, schrill, provokant – sie kommt ohne die geringste Beschaulichkeit daher.

Die Besonderheit dieser als mutig zu bezeichnenden Schau ist die Vater-Sohn-Beziehung und die daraus resultierende Frage nach einem geschlechtsspezifischen Rollenverständnis. Männlichkeit – Weiblichkeit – Vater-Rolle – Sohn-Rolle – alles wird grundsätzlich und radikal in Frage gestellt. Worum es im Kern geht, macht Béla Juttner bei der Vernissage mit einer beeindruckenden Solo-Performance deutlich: Körperverwandlung, Häutung, Auflösung von Geschlechtsidentität, mit deutlichen Anleihen bei burlesker Ästhetik.

Béla Juttner beeindruckt bei der Vernissage mit seiner Performance.
Béla Juttner beeindruckt bei der Vernissage mit seiner Performance. (Foto: Johannes Simon)
Nach der Verletzung erscheint nach und nach ein neues Gesicht - die wahre Identität? Die Ausstellung fordert zum Nachdenken heraus.
Nach der Verletzung erscheint nach und nach ein neues Gesicht - die wahre Identität? Die Ausstellung fordert zum Nachdenken heraus. (Foto: Johannes Simon)

Die Ausstellung verlangt weniger danach, kontemplativ zu betrachtet, als vielmehr aktiv gelesen zu werden: Ein Bild steht nicht für sich allein als Einzelobjekt, sondern quer über den Raum mit anderen Gegenständen in Beziehung. So korrespondieren drei durchlöcherte Schießscheiben, die beklemmend an ein Exekutionsgeschehen denken lassen, mit drei Gemälden im selben Raum. Der imaginierte Tod bringt ein geschminktes Gesicht zum Vorschein. Man denkt an Häutungen, man denkt daran, dass der Tod möglicherweise eine Verwandlung bewirkt, die andere Identitäten erst möglich macht.

Der mittlere Raum der Kulturwerkstatt ist von einer surreal anmutenden Boxszene dominiert. Als würde man in ein Gemälde von Salvador Dalí blicken, steht da eine kopflose Gestalt in Frauenkleidung, maskuline Schultern und trotzdem geschlechtlich nicht einzuordnen. Zwei weitere Gestalten liegen am Boden wie nach einem Knockout. Und trotzdem ist allen drei Figuren zu eigen, dass ihre Boxhandschuhe, ursprünglich Symbole der Stärke, wirkungslos an schlaffen Armen baumeln.

Eine surreale Boxszene dominiert den mittleren Raum der Kulturwerkstatt.
Eine surreale Boxszene dominiert den mittleren Raum der Kulturwerkstatt. (Foto: Johannes Simon)

Es erscheint etwas Albtraumhaftes in dieser Szene, etwas zutiefst Tragisches, auch hier wird das Thema Inter-Relationalität und Rollenverständnis thematisiert, es wird deutlich, dass es im Menschlichen nicht ohne Kampf geht, nicht ohne Abgrenzung, und vielleicht sogar ohne Gewalttätigkeit, und sei es nur auf einer abstrakten Ebene.

Stefan und Béla Juttner liefern mit ihrer Doppelausstellung ein starkes und wirklich beeindruckendes Statement. Sie schenken sich nichts, sie gehen an ihre Grenzen und zeigen dadurch auf, was Vertrauen bewirken kann. Eine wirklich berührende Ausstellung.

Stephan und Béla Juttner, „Punktlandung“, Ausstellung im Haus 10, Kloster Fürstenfeld 10 b, Fotografie, Film, Malerei, Installation und Performance von Vater und Sohn, zu sehen bis 3. November, immer freitags von 16 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von zehn bis 18 Uhr, der Eintritt ist frei.

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