Beispielhafte Patenschaften:Angst vor dem Fremden

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Das Projekt "Wohnen für Hilfe" konnte seit seinem Start im April 2017 bisher nur 15 junge Menschen zu Senioren vermitteln. Das Landratsamt führt aber die Koordination fort und übernimmt nun auch die Kosten

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Lediglich 15 Wohnpartnerschaften hat das Projekt "Wohnen für Hilfe" in Fürstenfeldbruck seit April 2017 arrangieren können. Das größte Problem für die Vermittlungsstelle: Viele Senioren, die von dem Projekt profitieren könnten, zögern. "Die Angst davor, einen Fremden Zuhause aufzunehmen, ist oft groß", sagt Koordinatorin Verena Bauer. Die Idee hinter den Wohnpartnerschaften ist, dass ältere Menschen Wohnraum für Studierende oder Auszubildende zur Verfügung stellen. Statt Miete zu zahlen, helfen diese den Senioren im Alltag. Dabei kann es sich um Haus- und Gartenarbeit, Unterstützung beim Einkaufen oder die Begleitung zum Arzt handeln. "Das hilft nicht nur den jungen Menschen, die oft verzweifelt bezahlbaren Wohnraum suchen. Senioren können dadurch zum Beispiel auch länger in ihrem eigenen Haus bleiben", erklärt Bauer.

In den vergangenen eineinhalb Jahren haben sich bei der Koordinatorin 117 junge Menschen gemeldet, die im Landkreis Wohnraum suchen. Dem gegenüber stehen 45 Senioren, die Räume zur Verfügung stellen wollten. Von den bisher 15 vermittelten Wohnpartnerschaften (stand Januar 2019) bestehen derzeit noch neun. Tatsächlich ergibt sich also nur aus einem kleinen Teil der Anfragen eine feste Wohnpartnerschaft. "Das liegt etwa daran, dass die Erwartungen bei vielen Senioren zu hoch sind", erklärt Bauer. Das Projekt sei zwar grundsätzlich für viele Menschen geeignet, es gebe aber auch Grenzen. Menschen mit Pflegebedarf können durch das Projekt etwa nicht unterstützt werden. "Einige haben die Vorstellung, dass jemand bei ihnen einzieht, der dann immer für sie da ist", sagt Bauer. Das kann das Projekt aber nicht leisten. Immerhin richtet sich das Angebot gezielt an junge Menschen, deren Fokus auf Ausbildung oder Studium liegt.

Die Unterstützung der Wohnraumsuchenden sollte ein gewisses Maß nicht übersteigen. Als Faustregel für das Projekt gilt: ein Quadratmeter Wohnfläche entspricht einer Stunde Hilfeleistung im Monat. In der Regel werden die Nebenkosten in Form einer monatlichen Pauschale abgegolten. Sämtlichen individuellen Abmachungen werden in einem Vertrag zwischen Wohnraumgeber und Wohnraumnehmer festgehalten.

Zu Beginn jeder möglichen Wohnpartnerschaft stattet Bauer den Interessenten Hausbesuche ab, füllt Fragebögen aus und prüft, ob Wohnraumgeber und -suchende zusammenpassen. Ein langwieriger Prozess, der mitunter mehrere Wochen Arbeit in Anspruch nimmt. Auch wenn die Vermittlung abgeschlossen ist, betreut Bauer die Teilnehmer weiter, spricht regelmäßig mit ihnen und hilft, wenn Probleme auftauchen.

Obwohl der Vermittlungsaufwand hoch ist und die Zahl der vermittelten Gemeinschaften relativ gering, will der Landkreis an dem Projekt weiter festhalten. Die Erfahrungen anderer Wohnen-für-Hilfe-Anbieter, etwa in München, zeige, dass es meist mehrere Jahre dauere, bis ein solches Projekt an einem Ort etabliert ist. So heißt es in einem Sachstandsbericht des zuständigen Referats in der Kreisbehörde. Wobei Jürgen Weise, der zuständige Referatsleiter im Landratsamt, während einer Kreisausschusssitzung im Dezember auch erklärt hatte, dass das Projekt im Landkreis Landsberg ähnlich gestartet sei wie in Bruck, derzeit aber lediglich eine bestehende Wohnpartnerschaft habe. Bisher wurde das Projekt mit rund 40 000 Euro vom Freistaat gefördert. Das Programm läuft im März aus. Dann wird der Landkreis die Kosten für das Projekt tragen.

In den kommenden Monaten soll nun an einigen Stellen nachjustiert werden. So will man sich nun etwa vor allem auf Auszubildende als Zielgruppe konzentrieren, da sich gezeigt habe, dass das Projekt in der Region westlich von München für Studenten weniger attraktiv ist. Derzeit steht Bauer deswegen im Kontakt mit Gewerbeverbänden und Ausbildungsbetrieben. Außerdem soll ein Stammtisch ins Leben gerufen werden, bei dem sich teilnehmende Senioren mit interessierten Wohnraumgebern austauschen können. Von dem direkten Austausch verspricht sich Bauer, dass falsche Erwartungen ausgeräumt und bestehende Ängste bei Senioren abgebaut werden können.

Weitere Information zum Projekt "Wohnen für Hilfe" gibt es telefonisch unter 08141/519 5632 oder via E-Mail unter wohnen-fuer-hilfe@lra-ffb.de.

© SZ vom 14.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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