Süddeutsche Zeitung

Beerdigungen:Für einen schönen Abschied

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Bestatter Ralf Hanrieder arbeitet mit viel Einfühlungsvermögen dafür, dass die Beerdigung für die Angehörigen ein positives Erlebnis ist - trotz aller Trauer. Sein Schlüsselerlebnis war der Tod des Großvaters

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Überdurchschnittlich viele Verstorbenen werden im Landkreis im Sarg in der Erde begraben. Ralf Hanrieder schätzt den Anteil auf etwa die Hälfte - die andere Hälfte sind Feuerbestattungen. Der Prozentsatz an Feuerbestattungen liege in Oberbayern sonst bei etwa 75 Prozent beträgt. Hanrieder hat keine statistischen Erhebungen angestellt, sondern einfach geschätzt. Seine Einschätzung ist durchaus belastbar: Der 41-Jährige leitet in vierter Generation das Bestattungsunternehmen Hanrieder. Einen guten Einblick in die Bestattungsgepflogenheiten darf man ihm also getrost unterstellen kann.

Den hohen Anteil an Erdbestattungen führt der 41-Jährige darauf zurück, dass im Landkreis viele Katholiken leben. "Hier haben wir eine sehr starke traditionelle Verwurzelung." In den anderen Wirkungsgebieten des Familienunternehmens wähle der Großteil, 70 bis 80 Prozent, eine Form der Feuerbestattung; in Norddeutschland sei deren Anteil noch höher.

Vor allem Empathie benötige eine Bestattungsfachkraft, sagt Hanrieder. In seinem Beruf gehe es vor allen Dingen darum, zuzuhören und zu erfassen, was genau einem die Angehörigen vermitteln wollen. "Ich versuche, das in Worte zu fassen", sagt Hanrieder. "Ich versuche diesen Schmerz zu verwandeln in glückliche, schöne Erinnerungen." Sich selbst müsse man dabei sehr zurücknehmen.

Das Unternehmen Hanrieder geht auf den Urgroßvater zurück; er stellte in Dachau Särge her. "Der Grundstock war eine Schreinerei", erzählt der Urenkel. Inzwischen gibt es sechs Niederlassungen in Fürstenfeldbruck, Germering, Dachau, zwei in München und eine in Unterschleißheim. Knapp 50 Mitarbeiter sind dort beschäftigt. Das Angebot der Bestattungsformen reicht von der klassischen Erdbestattung über die Feuerbestattung bis zu eher ungewöhnlichen Formen wieder See- oder Weltraumbestattung oder einer Diamantbestattung.

Dabei werden aus dem Haar oder der Asche des Verstorbenen ein Diamant oder anderer Edelstein gepresst. Das kostet etwa 2000 Euro, nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Auch solche Wünsche gebe es, wenn auch eher selten, sagt Hanrieder. Immer häufiger wünschen Menschen eine Baum- oder Naturbestattung.

Dass er selbst einmal das Familienunternehmen leiten würde, hätte Ralf Hanrieder als Kind und Jugendliche nicht erwartet. Er habe überhaupt nicht daran gedacht, die Familientradition fort zu setzen. "Ich wollte immer in den Marketingbereich." Doch mit etwa 18 Jahren machte er eine einschneidende Erfahrung. Sein Großvaters väterlicherseits starb 90-jährig. Die Beisetzung erfolgte im Sinne des Opas, mit vielen persönlichen Details - was damals noch eher selten vorkam. "Wir haben selbst dekoriert, wir haben die Musikauswahl verändert, ich habe die Trauerrede gehalten", erzählt er mit glänzenden Augen. Kurzum: Es war ein schöner Abschied.

Diese Erfahrung brachte Hanrieder einige Erkenntnisse. "Ich habe schnell gemerkt, dass Liebe und Trauer ähnlich starke Gefühle sind und auch zusammen gehören. Ich traure, nur wenn ich vorher geliebt habe", sagt er. Und mit einem Mal habe er den Wunsch verspürt, "Menschen, die in der gleichen Situation sind wie ich, einen geglückt den Abschied zu ermöglichen". Hanrieder machte eine kaufmännische Ausbildung und legte die Prüfung zum Bestatter ab - den dreijährigen Ausbildungsberuf Bestattungsfachkraft gab es noch nicht.

Mehrere Monate arbeitete er bei einem Bestattungsunternehmen in Köln, wo er alle Facetten des Berufs - Särge holen, Leichen transportieren, waschen, anziehen, herrichten, Gräber öffnen, Trauerfeiern organisieren - und die Gepflogenheiten eines anderen Betrieb kennenlernte. Sein Beruf stellt Hanrieder immer wieder vor neue Herausforderungen.

Gelegentlich müsse er versuchen, die Streitigkeiten von Angehörigen zu schlichten, berichtet er. Und einmal sei für die Beerdigung vorgesehen gewesen, dass ein Pianist auf einem Flügel spielet. Nur dass das Instrument vor Ort noch gestimmt werden musste, war nicht eingeplant. Hanrieder hatte vier Stunden, um einen Klavierstimmer aufzutreiben. "Ich habe es geschafft", berichtet er.

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Quelle:
SZ vom 31.10.2020
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