Bavaria Studios ziehen aufs Land:Maßarbeit für "Wetten dass...?"

German TV show host Lanz balances on a rubber band during the German game show 'Wetten Dass' (Bet it...?) in the western German town of Duesseldorf

Wackelige Angelegenheit: Markus Lanz vor den Kulissen, die in den Bavaria Studios entstanden sind.

(Foto: REUTERS)

Die Werkstätten der ehemaligen Schreinerei Kiser sind der ideale Ort zum Bau von Dekorationen für Fernseh- und Filmproduktionen.

Von Erich C. Setzwein

Auf der riesigen Leinwand im Fürstenfeldbrucker Scala-Kino sehen die Bartstoppeln im Gesicht des Hauptdarstellers aus wie ein abgeerntetes Getreidefeld. Jede Pore ist zu sehen, jedes Detail erscheint überscharf. Das mögen manche zu viel des Guten finden, andere als realistisch betrachten und für wieder andere ist das genau die Herausforderung, die alle an einem Film Beteiligten heute zu bewältigen haben: die Unerbittlichkeit der digitalen Aufnahmetechnik. "Früher", sagt Michael Klee in seinem neuen Büro in Unterschweinbach, "haben wir Abweichungen von einem halben Zentimeter toleriert, heute darf es höchstens ein halber Millimeter sein."

Klee muss es wissen, kennt er doch alle Aufnahmetechniken für Kino und Fernsehen aus der Perspektive der Produktion. Er ist Geschäftsführer der Bavaria Studios und Production Services GmbH, die gerade ihren Sitz von Unterföhring (Landkreis München) nach Unterschweinbach verlegt. Die Firma, die für Film- und Fernsehproduktionen die Bauten und Einrichtungen fertigt und für Markus Lanz das "Wetten dass..?"-Studio immer wieder neu dekoriert, hat in den Hallen der 2012 insolvent gewordenen Firma Kiser Ladenbau eine neue Unterkunft gefunden, "die perfekt ist für uns", wie Michael Klee schwärmt. Dort, wo bis zum Frühjahr vergangenen Jahres Schreiner feine Regale und Einbauten für exklusive Geschäfte fertigten, stehen jetzt wieder Maschinen, und es sind auch wieder Schreiner da, die sie bedienen.

Bavaria-Film

Jesko Sasse (links) und Matthias Tischmacher prüfen in den neuen Räumen der Bavaria eine Bühnenausstattung.

(Foto: Günther Reger)

Zum Beispiel Jesko Sasse, der bei Kiser die Abwicklung miterlebte und nun bei der Bavaria Bauten aus Holz fertigt. Und das mit nur feinsten Abweichungen eben, höchstens den tolerierten halben Millimeter. Für Sasse hat sich in dieser Beziehung also kaum etwas geändert, genau arbeiten musste er schon immer. Er ist nicht der Einzige, der zurückkehrt an den Arbeitsplatz, den er letztes Jahr verlassen musste. Unter den acht neu eingestellten Mitarbeitern sind auch ehemalige Kiser-Schreiner, die zwar im Frühjahr 2012 "schon nach zwei Wochen" einen Anschluss gefunden hatten, wie Sasse berichtet, nun aber wieder nach Unterschweinbach zurückkehren konnten.

Einen, den das ganz besonders zu freuen scheint, ist Anton Kiser, der frühere Besitzer. Er hat ein Jahr lang versucht, die Halle im kleinen Gewerbegebiet an der Kahrstraße zu verkaufen - vergeblich. Denn das Gebäude ist für eine Schreinerei gebaut worden, allein die Heizung funktioniert am besten mit Holzabfällen. So habe sich auch der Insolvenzverwalter recht schwer getan, einen Käufer zu finden, sagt Kiser. Bis durch einen Zufall die Bavaria Studios aufmerksam wurden, die Hallen langfristig von Anton Kiser mieteten und ihn auch gleich anstellten. Kiser und die Schreiner, Maler und Dekorationsbauer werde in den neu ausgestatteten Werkshallen an Maschinen arbeiten, die es ihnen und der Firma ermöglichen sollen, eine Führungsrolle im Dekobau für Film und Fernsehen einzunehmen. So stellt sich das zumindest Michael Klee vor. Im Blick hat Klee dabei das Fernsehgeschäft, für das die bislang in Unterföhring und Geiselgasteig angesiedelte Firma die Bühnen und Dekorationen bauen will. Rund fünfeinhalb Millionen Euro Umsatz machten die Bavaria Studios im vergangenen Jahr.

Ursprünglich habe der Plan vorgesehen, in Geiselgasteig die Werkstatt einzurichten, sagt Theatermeister Matthias Tischmacher. Um Dekorationen und Material auszulagern, habe man Räumlichkeiten gesucht, die Hallen in Unterschweinbach gefunden und erst dabei festgestellt, dass dort im Grunde alles für eine Werkstatt vorbereitet war. Dort, zwischen dörflicher Wohnbebauung und Ackerrändern sollen nun hochpräzise gefertigte Dekorationen vorwiegend aus Holz und Farbe entstehen, die in Kinofilmen zum Beispiel eine nüchterne Halle zum Krönungssaal machen oder die Kulissen eines Musicals werden, das Hunderte Male aufgeführt wird.

Bavaria-Film

Maßarbeit wird von den Schreinern der Kulissenpoduktion verlangt.

(Foto: Günther Reger)

Im vergangenen Jahr etwa hat Klees Mannschaft die Münchner Residenz für den neuen Ludwig-Film nachgebaut - so wie sie zu Zeiten Ludwigs gewesen sein soll. Und weil der Regisseur Detailtreue verlangte, haben ihm die Schreiner der Bavaria einen Kassettenboden verlegt, der auch noch alle Unregelmäßigkeiten aufwies, wie sie vor Jahrhunderten beim Bau der Residenz üblich waren. Überhaupt die Regisseure: Sie haben ihre Vorstellungen, wie es am "Set" auszusehen hat. Das muss der Architekt umsetzen. Auch der hat so seine Entwürfe und Ideen und dann kommt noch der Kameramann, der mit der Präzision des Objektivs Details wahrnimmt und seine Meinung zur Ausstattung sagt - und dann sind die Dekobauer an der Reihe und erfüllen all diese Wünsche.

"Es ist alles machbar, die Grenze ist nur das Geld", sagt Michael Klee. Und er sagt auch: "Film ist Illusion." Der Geschäftsführer findet nicht nur, dass er sich kaum einen schöneren Ort zum Arbeiten als Unterschweinbach vorstellen kann und denkt noch weiter. Vielleicht wären die sanften Hügel um Unterschweinbach auch mal eine Filmkulisse, weil ja Filme aus Deutschland mit deutschen Landschaften, vor allem bayerischen, derzeit so gut ankommen beim Publikum. Doch bis dahin werden noch viele Dekorationen in der neuen Werkstatt entstehen - teils ein Jahr im Voraus. Das Arbeiten in den ehemaligen Kiser-Hallen bedeutet für die Mitarbeiter auch eine gewisse Verpflichtung zur Verschwiegenheit.

"Fotos dürfen nicht gemacht werden", stellt Klee kategorisch fest, denn zum einen gebe es da das Urheberrecht, zum anderen wolle man nicht verraten, für welche Produktionen man die Bauten mache. Was in Unterschweinbach produziert und an irgendeinem Drehort aufgebaut wird, kommt auch in den seltensten Fällen wieder zurück. "Nach der Produktion kommt das in die Mülltonne", sagt Klee.

Eine einmalige Sache also, wie eben ein Film, der keine weitere Folge hat. Manchmal aber kann es vorkommen, dass es nach gutem Erfolg wider Erwarten zu einer Fortsetzung kommt. So ähnlich wie in Unterschweinbach, wo nach über einem Jahr wieder Leben in die Kiser-Hallen eingezogen ist.

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