Süddeutsche Zeitung

Bauerntag in Fürstenfeldbruck:Imagewerbung mit Traktor und Milchkanne

Die Landwirte-Lobby setzt sich zur Eröffnung des Bauerntags in Fürstenfeldbruck für die Medien professionell in Szene. Nur Oberbürgermeister Sepp Kellerer muss für die Fotografen zwei Gläser Milch trinken.

Stefan Salger

BBV-Kreisobmann Johann Drexl steht in seinem grauen Trachtenjanker mit den Hirschhornknöpfen ein wenig verloren neben der überdimensionalen Milchkanne. Die kräftigen Hände hat er hinter dem Rücken verschränkt, Erde unter den Fingernägeln zeugt davon, dass der Hattenhofener ein Praktiker ist. Er weiß, wie man einen Acker pflügt und wann es Zeit für die Ernte ist. Dienstagvormittag, Deutscher Bauerntag in Fürstenfeld. Die Landwirte wollen die Ernte einfahren. Wollen, dass ihre Vorderen in den Medien zu sehen sind. Wollen für ein besseres Image kämpfen, um nicht ständig in einem Atemzug genannt zu werden mit Überproduktion, Hofsterben, Tierseuchen, Futtermittelskandal oder Subventionen.

Die Brucker Landwirte haben ein Heimspiel. Aber Drexl und Kreisbäuerin Gabi Waldleitner warten am Spielfeldrand erst mal geduldig auf ihre Einwechslung. Noch spielt die Musik hinter dem undurchdringlichen Knäuel, aus dem Mikrofone, Kameras und Fotoapparate herausragen. Schulter an Schulter drängen sich die Kameraleute von ARD, ZDF und Sat1, und Agentur-Fotograf Sven Hoppe hat ein Fischauge auf seine Zweitkamera geschraubt, um möglichst nah rangehen zu können und trotzdem noch die Klosterkirche als Hintergrund drauf zu bekommen. Mitten drin: der Mann, in dem die einen in den vergangenen Jahren den Hoffnungsträger der Landwirtschaft sahen und die anderen - so wie der konkurrierende Bund Deutscher Milchbauern (BDM) - den Ausbund des Bösen: Gerd Sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbands. Er steht neben seinem Nachfolger an der Spitze des bayerischen Verbands, Walter Heidl. Das Amt des BBV-Präsidenten hat er schon abgegeben. Zumindest in den Kategorien des Bauernverbandes wird in Fürstenfeldbruck nun Geschichte geschrieben. Denn am Mittwoch um 10.40 Uhr wird Gerd Sonnleitner wieder ein normaler Landwirt sein. Zu den Wahlen tritt er nicht mehr an. 15 Jahre. Fast eine Epoche. Vielleicht eine Zeitenwende. Darauf jedenfalls hofft BDM-Kreischef Johann Schamberger, der dem medienwirksamen Auftrieb des BBV bewusst ferngeblieben ist. "Ich fühle mich gut", spricht Sonnleitner unbeirrt von allen Querelen ins ZDF-Mikro. Aus der riesigen Kanne werden erst einmal Gläser mit Milch gereicht. "Sepp, du bist auch g'fragt", sagt Sonnleitner und zieht den Brucker OB Kellerer mit dazu. Es zeigt sich, dass der nicht ganz so medienerfahren ist wie die Funktionäre des Bauernverbandes: Mit ein paar langen Zügen leert Kellerer das Glas. Zu früh für einige Fotografen. Und so wird ihm schnell wieder ein volles Glas in die Hand gedrückt. Immerhin hat der gelernte Landwirt zuvor bewiesen, dass er das Traktorfahren nicht verlernt hat. Drei riesige grüne Ungetüme hat ein Landmaschinenhersteller werbewirksam zur Verfügung gestellt. Sonnleitner (natürlich im größten Topmodell), Heidl und Kellerer - alle in dunklen Anzügen mit Krawatte - waren damit in einem Korso vom Haupteingang, ein Stück die Fürstenfelder Straße und wieder hinten herein, bis an die Gaststätte Fürstenfelder herangefahren.

Neben der Milchkanne nimmt DBV-Generalsekretär Helmut Born den BBV-Kreisobmann dezent zur Seite und klärt ihn darüber auf, dass sich die Bundeskanzlerin mitnichten verweigert habe. Sie könne zwar nicht, wie eigentlich erwartet, nach Fürstenfeldbruck kommen, habe sich aber zum offiziellen Sonnleitner-Abschied im September angekündigt. "Aber schad' is' halt trotzdem", brummelt Drexl. Immerhin ist Joachim Rukwied aus Baden-Württemberg da, der als Sonnleitners Nachfolger gehandelt wird. Den will Drexl bei der Gelegenheit gleich zum Bauerntag im Landkreis einladen, der im Winter ansteht. Es kann nichts schaden, die Vorderen persönlich zu kennen. Das weiß auch Josef Unglert, der Chef des Bauernmarkts. Er führt den Tross an den Ständen vorbei, preist den Erdbeerkuchen der Wagner Annemie, ermuntert seine Tochter, Sonnleitner mit einer ordentlichen Scheibe Glonntaler Käse zu füttern und preist die Nudeln vom Dinkelhof und die Kartoffeln vom Reichlmayrhof an - ebenso wie die Kandler Helene, die hinter Sellerie, Fenchel und Lauch steht und eine bodenständige und ausgesprochen fachkundige Bäuerin sei.

Bei Häppchen und Eierlikör geht es dann in der Tat noch ums Image der Landwirtschaft. Jenes profitiert nach Überzeugung Sonnleitners gerade von den Direktvermarktern. Kellerer, Drexl, Waldleitner und Heidl sehen aber auch in der Brucker Bürgermeisterwette einen wertvollen Beitrag. Alle Bürgermeister aus dem Landkreis, so hatte der OB mit Drexl und Waldleitner gewettet, würden einen Tag auf einem Bauernhof mitarbeiten. 22 machten das, lediglich Reiner Dunkel aus Althegnenberg hatte sich dem PR-Gag verweigert und lieber einen Tag auf einer Pflegestation gearbeitet. Alle sind sich einig, dass beide Seiten ihren Wetteinsatz leisten: Der OB spendiert beim Sommerfest der Ortsobmänner und -bäuerinnen ein Fass Freibier. Im Gegenzug darf er entscheiden, für welchen guten Zweck das Geld aus der nächsten Spendenaktion der Landfrauen verwendet wird. Und Drexl freut sich, dass Bauern und Politiker zumindest für einen Tag zueinander gefunden und einige Bürgermeister jetzt auch mal erfahren haben, wie schwierig es ist, mit Traktor und Anhänger durch einen sehr knapp geplanten Kreisverkehr zu fahren.

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SZ vom 27.06.2012
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