Bauernhofmuseum Jexhof:"... was Menschen fähig sind"

Bruch mit Tabus: Eine Ausstellung im Jexhof über den Nationalsozialismus nennt Täter, Mitläufer und Opfer beim Namen.

Peter Bierl

Wasil Schugaljuk war 16 Jahre alt, als ihn die Deutschen aus dem besetzten Ostpolen zur Zwangsarbeit verschleppten. 1942 musste er bei einem Bauern im Landkreis Fürstenfeldbruck arbeiten, der zugleich Bürgermeister des Dorfes war. Nach einiger Zeit, inzwischen hatte er Deutsch gelernt, wurde der Junge denunziert, weil er angeblich jemanden auf der Straße als "deutsches Schwein" beschimpft hatte. Schugaljuk kam ins KZ Flossenbürg, wo er vermutlich ermordet wurde.

Jexhof

Kontrolle ohne Ende - daran erinnern in der Ausstellung im Jexhof Stempel.

(Foto: Günther Reger)

Die Geschichte des Jungen haben die Mitarbeiter des Bauernhofmuseums Jexhof bei Fürstenfeldbruck fragmentarisch recherchiert und in der Ausstellung "...was Menschen fähig sind. Nationalsozialismus im Brucker Land" dargestellt. Behandelt werden fast alle Abschnitte und Aspekte des Nationalsozialismus im ländlichen Raum.

Gezeigt werden rund 200 Exponate, von Wahlplakaten und Blutorden, einer Standarte des Reichsnährstandes bis zu einer Sammlung von Stempeln der Ortsbauernführer, dazu Ausschnitte aus Propagandafilmen und Hörstationen mit Interviews von Zeitzeugen und einer Live-Reportage des Rundfunks über das Reichserntedankfest von 1933 in Bückeburg.

Zwar ist der Nationalsozialismus das am intensivsten bearbeitete Thema der modernen Geschichte, wie der Historiker Klaus Hildebrand feststellte, gleichwohl ist eine solche Ausstellung in der Region etwas Besonderes. Denn obwohl das Thema mittlerweile Bibliotheken füllt, ist es immer noch mit Tabus behaftet, je konkreter es wird.

Das Tabu wirkt besonders in der lokalen Geschichtsschreibung, dort wo Täter und Mitläufer lebten. Manches Ortsarchiv im Landkreis Fürstenfeldbruck wurde noch zu Beginn des 21.Jahrhunderts von ehemaligen HJ- und BDM-Mitgliedern geführt, die sich freuten, wenn der Bürgermeister im Mai 1945 die Akten verbrannt hatte.

Die Ausstellung im Jexhof signalisiert einen gewissen Wandel. Die Namen von Tätern, Mitläufern und Opfern werden genannt, die NSDAP-Kreisleitung und lokale Verfechter der Rassenlehre dargestellt oder erläutert, wie die Ideologie in den Schulunterricht einfloss. Erinnert wird an das fördernde Mitglied der SS, den Maler Franz Gräßl, der in den Münchner "Großen Deutschen Kunstausstellungen" vertreten war, nach dem bis heute ein Straße benannt ist und dessen Enten-Gemälde in manchen guten Stuben hängen, sowie an seine Kollegin Johanna Oppenheimer, die wegen ihrer jüdischen Herkunft von den kommunalen Behörden überwacht, nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet wurde.

Gut aufgearbeitet ist im Bauernhofmuseum die Entwicklung der Landwirtschaft im Nationalsozialismus, vom gezielten Werben der NSDAP um die Bauern, der Verherrlichung von Blut und Boden als Quelle der arischen Rasse, dem umfangreichen Kontrollsystem der Ortsbauernführer, Kreis- und Ortshofberater, den Appellen zur "Erzeugungsschlacht", um Deutschland autark und kriegsfähig zu machen, bis hin zur Realität einer unverminderten Landflucht. Denn trotz Erbhofgesetz und Neubauernhof-Programm für fortpflanzungsfähige Paare blieb die Einkommenssituation schlecht.

Ein großes Manko der Ausstellung ist, dass der Katalog erst im August erscheinen soll. Das hat beim Jexhof-Museum leider Tradition, ist aber den knappen finanziellen und personellen Möglichkeiten geschuldet. Die Dokumente aus einer damals vorwiegend bäuerlich-katholischen Region über antisemitische Propaganda, Verfolgung und Terror gegen Sozialdemokraten, Kommunisten und Arbeitersportvereine, das KZ-Außenlager in Germering widerlegen jene, die später behaupteten, sie hätten von nichts gewusst.

Jexhof, "...was Menschen fähig sind." Bis 7. November 2010, täglich außer montags von 13 bis 17 Uhr.

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