Ein lauter Knall ertönt. Er übertönt das fröhliche Treiben auf dem Jexhof – schnell blicken diejenigen, die sich nicht ohnehin schon in der Nähe befinden, auf und suchen nach der Quelle des Geräusches. Und dann noch ein Knall. Und noch einer. Es ist das Geräusch einer Pulverwaffe, abgefeuert von Dieter Schowalter während einer Vorderlader-Vorführung. Der 51-Jährige ist einer der zahlreichen Darsteller, die für die „Räubertage“ zum Bauernhofmuseum bei Schöngeising angereist sind. Vier Tage lang versetzten die Künstler und Hobbyräuber die Besucher mit Vorführungen, historischen Utensilien, Mitmachaktionen und Vorträgen in die Zeit der Gauner und tauchen das gesamte Gelände in eine besondere Atmosphäre. Museumsleiter Reinhard Jakob zufolge zogen die zahlreichen Aktionen an beiden Wochenendtagen jeweils etwa 500 Besucher an.
Eine Räuberbande bestand aus mehreren Einzeltätern, die sich für ihre Überfälle zusammenschlossen, erklärt Katrin Freund bei ihrem Vortrag über den schwarzen Veri, einem Räuber aus Baden-Württemberg. „Eigentlich kann man sagen, dass diese Räubertage wie eine Bande organisiert sind. Wie sind alle Einzeldarsteller und machen unser eigenes Ding, aber kommen für die große Sache zusammen“, sagt Dieter Schowalter. Gemeinsam mit anderen Darstellern entführen der Hobbyräuber Schowalter und Freund, Künstlerin am Augsburger Puppentheater, die Besucher in die Zeit der Gauner und Diebe. „Jeder von uns möchte Wissen mit einer Unterhaltungsform verknüpfen“, sagt Freund.
Im Innenhof wurde ein voll ausgestattetes Räuberlager aufgeschlagen, das die Besucher sogleich in ein anderes Jahrhundert katapultiert. Das Lager ist liebevoll bis ins kleinste Detail durchdacht und vermittelt das Gefühl, sich tatsächlich in der Raststätte einer Gaunerbande aufzuhalten. Originell gestaltete Fahndungsplakate enthalten Inhalte über die Biografien bekannter Räuber. Kleidung, Waffen, Kochutensilien und vieles mehr schaffen ein authentisches Gesamtbild. In traditionellen Zelten demonstrieren die verkleideten Darsteller, wie Räuber lebten, wie sie beispielsweise Lebensmittel zubereiteten oder wie sie Licht entfachten.
Schowalter und seine Frau aus Speyer haben ihr Lager im vorderen Teil des Räuberlagers aufgeschlagen. Unter ihrem Zelt befinden sich zahlreiche Gegenstände: Von Hand fertigte Kleidungsstücke, alte Waffen und nachgebildete Lampen. Die Szenerie sieht perfekt aus. Auch bei den Schowalters kann man theoretisches Wissen erlangen. In eigens erstellten Büchern hat der 51-Jährige Biografien bekannter Räuber zusammengefasst und die Bedeutung von Symbolen, die Räuber an Häuser von Bauern anbrachten, erklärt. Eine gezackte Linie bedeutete zum Beispiel, dass auf dem Hof ein Hund lebt, ein auf dem Kopf stehendes T, dass eine alleinstehende Person im Haus wohnt. Die Waffen der Räuber sind eine besondere Leidenschaft des Speyrers. Beim Schwarzpulver ballern demonstriert er die Funktionsweise der Waffe, ohne die Zuschauer zu gefährden. Diese Vorführung zieht viele Besucher an. „Seitdem er Playmobil für sich entdeckt hat, ist unser Junior total fasziniert von Räubern und kann jetzt hier einmal in die richtige Welt eintauchen. Die Waffenvorführung ist natürlich das totale Highlight“, sagt Brigitte Juna, die mit ihrer Familie für die Räubertage aus Augsburg angereist ist.
Ob man selbst als Räuber geeignet ist, kann man in verschiedenen kleinen Tests, die auf dem Gelände verteilt sind, herausfinden. Mit einer Angel Vorräte aus einer Box klauen, ohne sie fallen zu lassen oder etwas stehlen, ohne ein Geräusch auszulösen, ist gar nicht so leicht, wie es scheint.
Aus dem hinteren Teil ertönt unterdessen Musik und Gelächter. Stündlich führt ein Duo des Theaters Zeitensprung aus Mainz Räuberlieder auf. Andreas und Jürgen Thelen benutzen historische Instrumente und tragen sowohl traditionelle Räuberlieder als auch moderne Filmsoundtracks vor. Ihre Vorführungen sind eine Kombination aus Gesang, Geschichte und Moritat. „Wir wollen die Vergangenheit anhand von Liedern nachvollziehbar machen“, so die Darsteller.
Auch Freund trägt eine Moritat vor. Die Unterhaltungs- und Informationsform wurde zur Zeit der Räuber verwendet. Auf bunt bemalten Tafeln, die einem Comic ähneln, werden bedeutende oder beängstigende Ereignisse dargestellt. Gepaart mit Sprechgesang entsteht eine einzigartige Darstellungsform. Mit ihrer Moritat vom geheimnisvollen Ableben des schwarzen Veri durch einen Blitzschlag beeindruckt die 39-Jährige die Zuschauer. Sogar den Erwachsenen verpasst sie eine Gänsehaut. „Es war sehr spannend, ungewöhnlich und irgendwie auch ein bisschen Gruselig“, sagt die 19-jährige Johanna Meier aus Fürstenfeldbruck.
In diesem Jahr fanden die Räubertage bereits zum zweiten Mal statt. Stolz ist man auf das vielfältige Angebot, das auch ein Kindertheater, eine Taschenlampenführung, eine Schnitzeljagd und vieles mehr enthielt. Fragt man die Besucher, ob sie bei den nächsten Räubertagen, sollte es sie geben, wiederkommen, stößt man auf Einigkeit. Brigitte Juna und ihre Familie geben ein gemeinsames, lautes „Ja!“