Vor drei Jahren wurde das Märchenerzählen in das deutsche Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Das Erzählen solcher Geschichten rege die Fantasie an, fördere die Sprache und vermittle eine gemeinsame Kultur, lautete die Begründung. Inwieweit die Sachkultur einer ländlichen Lebenswelt in Märchen präsent ist, zeigte der Jexhof bis vor ein paar Monaten in seiner Ausstellung "Stroh zu Gold". Mit dem neuen Programm widmet sich das Bauernhofmuseum nun dem Erzählen selbst: Im Rahmen der Märchentage finden an den drei Wochenenden zwischen 18. Mai und 2. Juni mehr als 20 Veranstaltungen für Kinder und Erwachsene statt, die ganz unterschiedliche künstlerische Erzählformen vereinen.
Nicht nur sein verwunschen wirkender Standort auf einer einsamen Waldlichtung macht das Museum zur idealen Märchenkulisse. Auch seinen Ursprung hat der Hof mit jener Erzähltradition gemeinsam, sagt Museumsleiter Reinhard Jakob: "Märchen sind ein Reflex einer agrarischen, vorindustriellen Welt und der Jexhof ist ein Teil davon." Bei drei Märchenführungen für Kinder, wie sie am Jexhof schon lange immer wieder angeboten werden, sollen die Objekte vor Ort mit den Geschichten verknüpft werden. Um beispielsweise die Handlung von "Spindel, Schiffchen und Nadel" erlebbar zu machen, setzt sich Museumspädagogin Marianne Lichtenauer selbst ans Spinnrad und führt durch die Flachsausstellung.
Am Eröffnungsabend präsentieren die Schauspieler Stefan Murr und Heinz Joseph Braun eine bayerische Variante des "Tapferen Schneiderleins". Außerdem gibt es Themenabende mit Märchen über Mut und Angst oder vom Verlieren und Finden. Am 25. Mai stehen orientalische Erzählungen im Mittelpunkt: Für Kinder spielt das Marionettentheater Bille nachmittags das Hauffsche Kunstmärchen "Kalif Storch". Erwachsene dürfen am Abend der Allgäuerin Annika Hofmann und ihren Sagen aus Tausendundeine Nacht lauschen. Bei einer Märchenlesenacht wird es auch für Kinder spät, denn sie dürfen sich bis Mitternacht vorlesen lassen oder können den anderen ihrerseits vorlesen. Noch mehr selbst mitgemacht werden kann beim Dornröschen-Workshop am letzten Märchensonntag: Dabei wird in wenigen Stunden ein Theaterstück einstudiert und aufgeführt.
Während man sich zu jenen Veranstaltungen vorher anmelden sollte, gibt es während der Märchentage zusätzlich ein wechselndes offenes Programm, darunter Märchenraten, Impro-Theater, eine offene Erzählbühne, Schmink- oder Verkleidungsstationen. Drei Schöngeisinger Vereine haben anlässlich der Kreiskulturtage zudem einen gemeinsamen Beitrag kreiert: Musizierende der Blasmusik und der Heinrich-Scherrer-Musikschule ziehen mit Mitgliedern des Kulturvereins den Fußweg zum Jexhof entlang, wo sie ein extra für die Märchentage komponiertes Klang-Schau-Hörspiel präsentieren.
Ein Höhepunkt für Erwachsene ist der Erzähl-Workshop mit Katharina Ritter. Ritter ist hauptberufliche Geschichtenerzählerin, wovon es hierzulande nur sehr wenige gibt. Besonders die freie Rezitation liegt ihr am Herzen. "Je nach dem, wer zuhört, entsteht eine Geschichte so jedes Mal neu", sagt die Märchen-Expertin, die ursprünglich aus der Filmbranche kommt. Dass Hollywood-Filme, Talkshows oder Computerspiele so beliebt sind, zeige ihrer Meinung nach, dass der Mensch mit dem Erwachsenwerden nicht sein Bedürfnis nach guten Geschichten ablegt. Doch der Wert zwischenmenschlicher Erzählsituationen, wie man sie am Jexhof erleben kann, bleibe fraglos unersetzlich: "Wir können direkt reagieren, wenn es Fragen gibt oder Kinder zum Beispiel Angst kriegen. Ein Computerspiel kann das nicht."
Märchentage am Jexhof, Schöngeising, Wochenenden von Samstag, 18. Mai, bis Sonntag, 2. Juni; Anmeldung unter 08141/519205 ; www.jexhof.de