Süddeutsche Zeitung

Bauen:Auferstanden aus Ruinen

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Die Kreisräte möchten, dass der Landkreis bei seinen Bauvorhaben künftig zuvorderst Recycling-Baustoffe einsetzt. Damit könnte der Abbau von Rohstoffen gebremst werden

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Die alten Gebäude der Berufsschule in Fürstenfeldbruck sind größtenteils alle abgerissen. Ebenso die beiden Schulturnhallen an Gymnasium und Realschule in Puchheim. Wenn neu an einem bestehenden Standort gebaut wird, muss alte Bausubstanz weichen. Dabei entstehen jede Menge Bau- und Abbruchabfälle, die zu Recycling-Baustofffen (RC-Baustoffen) aufbereitet und dann erneut eingesetzt werden könnten. Solchen RC-Baustoffen will künftig der Landkreis, wenn möglich, bei seinen Bauvorhaben den Vorzug geben, beschloss einstimmig der Ausschuss für Energie, Umwelt und Planung des Kreistags und kommt damit einem Antrag von UBV-Kreisrat Jakob Drexler nach.

In Bayern werden Angaben des Umweltministeriums zufolge jährlich 150 Millionen Tonnen mineralische Rohstoffe gewonnen. 90 Prozent davon werden im Bausektor eingesetzt, der größte Teil sind Kies und Sand. Um diese Rohstoffe zu fördern, werden jährlich Flächen verbraucht, die der Größe von 1260 Fußballfeldern entsprechen. Auch im Landkreis Fürstenfeldbruck entstehen dafür immer mehr Kiesabbaugebiete.

Doch wenn es um das Einsparen von Rohstoffen und die Wiederverwertung und Recycling von Wertstoffen geht, geht es zumeist um jene Fraktionen, die in Haushalten und Gewerbebetrieben anfallen. Mit dem Thema Recycling-Baustoffe hatten sich die Kreisräte bislang noch nicht befasst, obwohl der kreiseigene Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) in seiner Deponie in Jesenwang dort angelieferten mineralischen Bauschutt längst aufbereitet und daraus Recycling-Baustoffe produziert, die zertifiziert sind und direkt an der Deponie verkauft werden. Dieser "Wiedereinsatz als Sekundärrohstoff" trage zur Einsparung von Primärressourcen und damit auch zum Klimaschutz bei, weiß man beim AWB. Wie Kreisrat Drexler in Erfahrung brachte, lagern dort derzeit mehr als 1000 Kubikmeter RC-Baustoffe, die auf Abnahme warteten.

"Baustoff-Recycling fängt bei Planung und Ausschreibung an", sagte Drexler in der Ausschusssitzung. Deshalb sollte die Anregung, RC-Baustoffe zu verwenden, künftig in den Ausschreibungen zu Bauvorhaben des Landkreises Berücksichtigung finden. Dies könne ein wichtiges Bewertungskriterien für Ausschreibungen sein. Bislang würden Betriebskosten oder Nachfolgelasten bei den Bewertungen kaum berücksichtigt. Viele Planer und Baufirmen beschäftigten sich damit noch nicht genügend. Sie gingen "den einfachen Weg" und verwendeten Neumaterialien, so Drexler. Die Forderung nach Recycling-Baustoffen in das Punktesystem bei der Bewertung einfließen zu lassen unterstützte auch Christian Holdt (ÖDP). Andreas Birzele (Grüne) verwies darauf, dass die Gesamtenergiebilanz von RC-Baustoffen gegenüber Primärbaustoffen besser sei.

Der Einsatz solcher wiederverwendbarer Baustoffe sei von Konstruktion und Anwendungsfall abhängig, schreibt die Kreisverwaltung in ihrer Stellungnahme. So müsse zum Beispiel Beton schadstofffrei, frostsicher, tragfähig, stabil und tausalzbeständig sein. Während der Einsatz von Recyclingbeton im Straßen- und Wegebau nicht mehr außergewöhnlich sei, werde im Hochbau weitaus seltener wiederaufbereitetes Abbruchmaterial verwendet. So sei Recyclingbeton etwa für bestimmte Beanspruchungen (Säure, einwirkendes Grundwasser) bislang nicht zugelassen. Bei Bauvorhaben des Landkreises wurden Aushub oder Abbruchmaterialien bereits 2001 bei den Belägen im Eingangsbereich des Landratsamtes eingesetzt, für den Unterbau der jüngst sanierten Kreisstraße südlich des Grafrather Ortsteils Mauern oder als Auffüllmaterial für den geplanten Geh- und Radweg zwischen Grafrath und Moorenweis.

Grünen-Kreisrat Jan Halbauer ergänzte, dass die Verwendung von recyceltem Baustoff auch den Abbau der Ressourcen Sand und Kies reduzieren könnte und damit ökologisch wertvolle Flächen dafür nicht länger ausgebeutet werden müssten - zumal das in der Bevölkerung nicht mehr gerne gesehen werde. Norbert Seidl (SPD) unterstützte das Vorhaben, "ressourcenschonend umzugehen" und auch den Lebenszyklus von Gebäuden im Auge zu behalten. Darauf hatte zuvor Johann Wörle (CSU) abgezielt, als er Flachdächer und Vollwärmeschutz an Häusern als "nahezu Sondermüll" brandmarkte. "Vor 200 Jahren waren die Bauernhofwände noch entsprechend dick, und die Häuser stehen noch", betonte Wörle. Heutzutage seien die Hauswände viel dünner und dafür außen mit Isolierung versehen, "aber das deckt sich nicht mit dem Gedanken, dass Baustoffe recycelbar sind". Wörles Vorschlag, RC-Baustoffen nur dann den Vorzug zu geben, wenn dies auch wirtschaftlich sei, fand indes keine Mehrheit.

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SZ vom 17.11.2020
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