Süddeutsche Zeitung

Basiswissen:Das weibliche und das männliche Du

Wie schwierig es für Deutsche sein kann, Arabisch zu lernen, zeigt ein Angebot der Puchheimer Volkshochschule

Von Peter Bierl, Puchheim

"Kaifa Haluki." - "Wie geht es Dir", fragt eine Frau. "Bi chajr. Wa 'anta." - "Gut und Dir?", lautet die Antwort. Der Lehrer interveniert: Bei Frauen muss es "Wa 'anti" heißen. Es ist die erste Stunde nach den Weihnachtsferien. Die Teilnehmer des Basiskurses Arabisch der Volkshochschule Puchheim wiederholen Vokabeln. Das "Du" hat im Arabischen eine männliche und eine weibliche Form, ungewohnt für Deutsche, aber wohl nicht die größte Hürde. Das Schwierigste sei die Aussprache, sagen die Schülerinnen.

Auf die Schrift, auch noch von rechts nach links geschrieben, wird in diesem Kurs verzichtet. Die Teilnehmer behelfen sich mit einer Umschrift in lateinischen Buchstaben. Dafür soll die Aussprache intensiv geübt werden. Der Basiskurs ist für Verwaltungsleute und Asylhelfer konzipiert. Sie sollen an insgesamt sieben Abenden ein bisschen Hocharabisch in einer vereinfachten, an der Umgangssprache orientierten Form lernen. Das Vokabular reicht für Alltagssituationen und ein bisschen Smalltalk.

Insgesamt haben sich zwei Dutzend Menschen für die beiden Kurse angemeldet, zur Hälfte Männer und Frauen. Die meisten sind in Asylhelferkreisen in Puchheim und Olching aktiv, andere kommen aus Gröbenzell, Türkenfeld oder Bruck. Ein Mann arbeitet im Puchheimer Rathaus, eine Frau ist als Ärztin in der Notambulanz der Erstaufnahme im Brucker Fliegerhorst tätig. Der Altersdurchschnitt liegt bei etwa 50 plus.

Der Lehrer Abdullah Mohamed hat das Konzept für den Basiskurs selbst entwickelt. Als in Syrien der Bürgerkrieg begann, hatte Mohamed sein Studium der arabischen Literatur und für das Lehramt gerade abgeschlossen und freute sich auf den Beruf. Vor zwei Jahren ist er aus einem Ort bei Aleppo geflüchtet. Statt syrischer Kinder unterrichtet der 29-Jährige nun deutsche Erwachsene. Er steht vorne in dem Seminarraum, wiederholt Aussprachen und Formen, schreibt Wörter an die Tafel, leitet Regeln für Konjugationen aus den Stammformen ab, erklärt Bedeutungen und Verwendungen und warnt vor den Tücken der Kommunikation.

Das Wort "Herr" verwende man nur in Geschäftsbriefen. Im Gespräch werde es leicht als Ironie wahrgenommen und das kann zu Missverständnissen führen. Dringend geboten sei diese Anrede in Syrien jedoch bei Politikern und Militärs, sagt Mohamed. Seit neun Jahren sitze ein Bekannter im Gefängnis, weil er das gegenüber einem Offizier nicht beherzigt habe. Mohamed heißt in Wirklichkeit anders, fürchtet aber Repressalien des Assad-Regimes gegen seine Familie zu Hause. Das Lernen ist in diesem Kurs keine Einbahnstraße.

Mohamed spricht gut und fließend Deutsch. Manchmal fehlt ihm aber ein Begriff und die Frauen korrigieren seine Aussprache. Es heißt "Bücher" und nicht "Büscher", schärfen sie ihm ein. "Es macht einfach Spaß", sagt eine Frau auf die Frage nach ihrer Motivation, Arabisch zu lernen. Sie finden es wichtig, wenigstens ein paar Brocken zu verstehen und anzuwenden. "Man kann Eindruck machen und bluffen", erzählt eine Teilnehmerin. Beim "Tatort" im Fernsehen am Sonntag, wo es um Nazis und Flüchtlinge ging, haben sie einige Worte Arabisch verstanden. "Das war aber Dialekt", merkt eine an.

Wer eine Unterrichtsstunde mitmacht, kriegt eine Ahnung davon, wie schwer es ist, eine völlig fremde Sprache zu lernen und im Umkehrschluss begreifen, warum sich viele Flüchtlinge schwer tun und Zeit brauchen, um Deutsch zu lernen. Die verschiedenen germanischen und romanischen Idiome in Europa haben untereinander viele Ähnlichkeiten. Zwischen Deutsch und Arabisch tendieren die Gemeinsamkeiten gegen Null.

Seine Schülerinnen sind wissbegierig, haben mindestens Grundkenntnisse in anderen europäischen Sprachen und ein Verständnis für Grammatik. Das erleichtert das Lernen. Sie bedauern aber, dass ihnen das Umfeld fehlt, um richtig Arabisch zu lernen, das tägliche Sprachbad, wie Linguisten sagen. Möglicherweise werden einige Teilnehmer mit Mohamed weitermachen und einen richtigen Arabischkurs starten.

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SZ vom 13.01.2017
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