Barrierefreiheit:Auf einen Blick alles unklar

Verena Reinhard, Interview mit Erich C. Setzwein (SZ

Mit diesem Logo versieht das Netzwerk Texte, die nach bestimmten Regeln übersetzt wurden.

(Foto: Matthias Ferdinand Döring)

Auf vielen Seiten im Internet fehlt die Barrierefreiheit. Das Landratsamt bemüht sich nun um verständlichere Texte

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Es ist eine Weile her, als der CDU-Politiker Friedrich Merz eine Steuerreform ankündigte, nach der jeder seine Steuer auf einem Bierdeckel würde ausrechnen können. Statt das Steuersystem zu vereinfachen, ist es dem Gesetzgeber jedoch gelungen, das Ganze noch komplizierter, noch undurchschaubarer zu machen, als es ohnehin schon war. Niemand hat seither versucht, eine ähnlich unkomplizierte Lösung zu finden. Dabei würde es nicht nur um die mathematische Berechnung als solche gehen, es müssten auch alle Formulierungen so verständlich sein, dass jeder Steuerzahler es verstünde.

Die gesetzliche Grundlage gibt es schon lange. Sie trägt den umfangreichen Titel "Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung - BITV 2.0)". Damit sollen alle Internetangebote sowie alle öffentlich zugänglichen Internetangebote von Behörden der Bundesverwaltung, also zum Beispiel das Finanzministerium, leicht verständlich sein.

Es orientieren sich aber auch andere Verwaltungen daran, unter anderem das Landratsamt Fürstenfeldbruck. "Es wird ein wichtiges Thema sein", sagt die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit in der Kreisbehörde, Ines Roellecke. Denn der Internetauftritt des Landratsamtes ist noch nicht barrierefrei. Weder kann die Schriftgröße verändert werden, um auch sehbehinderten Menschen das Lesen zu ermöglichen, noch gibt es Hinweise in Leichter Sprache auf das Angebot.

Das alles soll aber bei einem Neuaufbau der Seite verbessert werden. Ines Roellecke sieht es zum Beispiel als unabdingbar an, dass das Schriftbild auf den Seiten "kontrastarm und vergrößerbar" sein muss. Um Schriften besser lesbar zu machen, ist es inzwischen üblich, den Hintergrundkontrast heller Internetseiten abzudunkeln und die Schrift auf Weiß umzuschalten. Eine Funktion, die es ermöglicht, Informationen vorgelesen zu bekommen, werde es nicht geben, und auch an eine "komplette Übersetzung in Leichte Sprache ist nicht angedacht", sagt die Abteilungsleiterin. Sie denkt eher an Ergänzungen, die in Leichter Sprache verfasst würden.

Keine der fünf Städte im Landkreis könnte mit ihren Internetauftritten die Anforderungen an "BITV 2.0" erfüllen. Die Homepages lassen lediglich zu, die Schriftgröße zu verändern, auf www.germering.de ist es sogar möglich, den Kontrast umzuschalten. Zumindest die Typografie entspricht schon den Forderungen an ein auch für Behinderte gut erkennbares Schriftbild. Die Buchstaben stammen aus den allgemein gebräuchlichen Schriftarten "Arial" und "Verdana". Die sind klar und quasi schnörkellos und leichter zu lesen, als etwa Schriften mit Serifen.

Doch ein grafisch sauber aufbereiteter Internetauftritt hilft behinderten Menschen nichts, wenn nicht auch wichtige Texte oder der gesamte Inhalt verständlich aufbereitet sind. Die ersten Schritte zu mehr Verständlichkeit will Landratsamtssprecherin Roellecke in den Pressemitteilungen tun. "Wir wollen Fremdwörter weglassen und keine langen Sätze bilden." Die Mitteilungen erreichen ja nicht nur die lokalen Medien, sie werden auch auf der Landkreis-Homepage veröffentlicht und sind so allgemein zugänglich. Aber so einfach scheint die Umstellung auf Barrierefreiheit nicht zu sein. "Wir suchen noch den Weg", sagt die Pressesprecherin.

Wie die kommunalen Seiten sind selbst Internetangebote von Organisationen, die mit Behinderten zu tun haben, und auch die Seiten der Kirchen noch nicht oder nur teilweise barrierefrei. Zwar sind die Seiten des VdK Fürstenfeldbruck und der Caritas durch Schriftvergrößerung leichter lesbar, Texte in Leichter Sprache aber gibt es dort auch nicht. Ohne die Erfordernisse der Barrierefreiheit ist auch die Seite der Arbeiterwohlfahrt. Gar keine Hilfen bieten die digitalen Auftritte des katholischen Pfarrverbands Fürstenfeldbruck und der Erlöserkirche in der Kreisstadt.

Doch es gibt auch schon einige beispielhafte Internetseiten, auf denen zumindest ein Teil für Menschen mit Lernschwierigkeiten erklärt und damit Inklusion ermöglicht wird. Die Stiftung Kinderhilfe in Fürstenfeldbruck, zum Beispiel, nimmt ihre Öffentlichkeitsarbeit ernst und bietet verständliche Informationen an. Dort wird auch die Forderung erfüllt: "Bitte Leichte Sprache."

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