Puchheim:Viergleisig und barrierefrei

Puchheim: Die Gleise zwei und drei des Puchheimer S-Bahnhofs.

Die Gleise zwei und drei des Puchheimer S-Bahnhofs.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Brucker Verkehrsforum sowie Behinderten- und Seniorenbeirat Puchheim plädieren an den Bahnhöfen der Linie S 4 für einen Verzicht auf Mittelbahnsteige.

Von Peter Bierl, Puchheim

Das Brucker Verkehrsforum sowie Behinderten- und Seniorenbeirat Puchheim haben am Montag am Puchheimer Bahnhof für zwei Petitionen geworben, die am Dienstag im Verkehrsausschuss des Landtages behandelt werden sollten. Darin wird der barrierefreie Ausbau der Bahnhöfe an der S 4 mit Außenbahnsteigen von Leienfelsstraße bis Eichenau im Zusammenhang mit dem viergleisigen Ausbau der Strecke gefordert. Die Staatsregierung und die Bahn AG favorisieren bislang Mittelbahnsteige, was die Initiativen für falsch halten, weil Fahrgäste mit Einschränkungen dann davon abhängig wären, dass Aufzüge auch funktionieren. Laut einer Mitteilung des CSU-Landtagsabgeordneten Benjamin Miskowitsch hat der Verkehrsausschuss des Landtages am Dienstag beschlossen, sich die Situation an den Bahnhöfen in Puchheim und Eichenau anzusehen.

Staatsregierung und Bahn setzen auf Rampen und störungsanfällige Aufzüge

Die Kundgebung zeigte, dass die Forderung breite Unterstützung genießt. Gekommen waren Stadträte und Kreisräte aus Fürstenfeldbruck und Puchheim, Vertreter des Bundes Naturschutz, von Pro Bahn sowie dem Bündnis "S 4-Ausbau jetzt". Der Landtagsabgeordnete Hans Friedl (Freie Wähler) versprach, seine Koalitionspartner von der CSU vor der Sitzung noch einmal ins Gebet zu nehmen. Er werde deren Abgeordnete entweder davon überzeugen, die Petitionen zu würdigen oder aber zu verschieben und sich vor Ort noch einmal selbst ein Bild zu machen.

Immerhin ist der dreigleisige Ausbau durch die Integration in den Deutschland-Takt vom Tisch

Zum Auftakt der Kundgebung stellte Thomas Brückner vom Verkehrsforum die Puchheimer Petition vor, die von rund 3300 Bürgern unterschrieben worden war, sowie die Petition des Verkehrsforums, die von einem breiten Bündnis aus Parteien, Verbänden und Vereinen getragen wird - darunter Fahrradclub ADFC sowie die Sozialverbände Awo, Caritas und VdK. Brückner rügte den fast zehnjährigen "Irrweg" eines dreigleisigen Ausbaus der Strecke, der beendet scheint, seit das Projekt in den Deutschland-Takt aufgenommen wurde. Allerdings wollen Staatsregierung und Bahn die beiden Gleise für die S-Bahn innen platzieren, weshalb die Fahrgäste auf Mittelbahnsteigen aus- und einsteigen müssten. Dafür müssen sie über lange oder steile Rampen in Unterführungen und von dort per Lift auf die Plattform gelangen. Zu aufwändig und anfällig für technische Störungen, argumentieren Behinderten- und Seniorenbeiräte.

Brückner sagte, dass sich der Flächenverbrauch bei Mittelbahnsteigen fast verdoppelt, weil die Gleise vor dem Bahnhof jeweils ausschwenken müssen. An der Haltestelle Leienfelsstraße müsse bei Außenbahnsteigen ein Streifen von fünf Metern dazugekauft werden, bei einem Mittelbahnsteig wären es zehn Meter.

Puchheims Bürgermeister moniert, dass den Kommunen wieder etwas übergestülpt werde

Der Puchheimer Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) klagte, dass die Kommunen in Sachen Bahnausbau stets "das Ende der Nahrungskette" darstellen, denen immer wieder etwas übergestülpt werde. Auch dass S-Bahnzüge innen fahren müssen, um bei Störfällen besser das Gleis wechseln zu können, ließ er nicht gelten. "Es sollte für den Normalfall, nicht für den Störfall geplant werden", forderte Seidl. Der Bürgermeister plädierte für Außenbahnsteige, "alles andere ist Käse". Für Notarzteinsätze seien Außenbahnsteige ohnehin besser geeignet, weil die Helfer direkten Zugang zu den Bahnsteigen haben, hatte Brückner zuvor erklärt. Die Bundestagsabgeordnete Beate Walter-Rosenheimer berichtete, dass ihr Feuerwehrleute erzählt hätten, wie oft sie Menschen aus defekten Aufzügen bergen müssten. Dass CSU-Politiker jetzt an den Bundesverkehrsminister schreiben und einen sofortigen Ausbau fordern, bezeichnete sie als grotesk - nachdem die CSU das Projekt "jahrelang verschleppt" habe.

Bis heute hat das Verkehrsministerium die neueste Studie nicht veröffentlicht

Die Landtagsabgeordnete Natascha Kohnen (SPD) rügte, dass das bayerische Verkehrsministerium bis heute nicht die neueste Machbarkeitsstudie zum Bahnausbau veröffentlicht, obwohl deren Ergebnisse bereits vor einem Jahr von der damaligen Amtsinhaberin Kerstin Schreyer (CSU) präsentiert worden waren. Friedl erinnerte daran, dass bereits 2012 eine Studie angefertigt wurde, die zu einem positiven Kosten-Nutzen-Ergebnis für einen viergleisigen Ausbau kam. Der Vertreter der Bürgerinitiative "S 4-Ausbau jetzt", Mirko Pötzsch, freut sich darüber, dass nun ein viergleisiger Ausbau vorgesehen ist, bezeichnete die Mittelbahnsteige jedoch als Mangel. Der Sprecher von Pro Bahn, Andreas Barth, erinnerte daran, dass der Ausbau und die Barrierefreiheit seit vielen Jahren verzögert würden. Er appellierte an die Politiker, "jetzt einmal gründlich zu planen", viergleisig und mit Außenbahnsteigen.

Die Entscheidung über Außen- oder Mittelbahnsteig sei "keine Hexerei, sondern eine politische Entscheidung", sagte Ingrid Kroppen vom Puchheimer Behindertenbeirat. Sie kündigte an, dass die Gruppen sich weiter für die aus ihrer Sicht bessere Lösung einsetzen werden: "In Puchheim wird gekämpft, bis die Maschinen anrollen."

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