Süddeutsche Zeitung

Bahnbetrieb im Landkreis:Kreis will mehr Regionalzugstopps

Lesezeit: 3 min

Ist die zweite Stammstrecke erst mal in Betrieb, befürchten Althegnenberg, Haspelmoor und Mammendorf Verschlechterungen im Bahnbetrieb. Deshalb wollen sie vorbauen

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Seit Jahren fühlen sich die Bahnpendler im Landkreis vertröstet. Nicht nur auf der S-Bahnstrecke 4 zwischen Geltendorf und München und bei der Diskussion um ein drittes oder viertes Gleis dort. Sondern auch im Nordwesten des Landkreises, wo die Bahnhöfe Althegnenberg und Haspelmoor nicht an das S-Bahn-Netz angebunden, sondern auf Regionalzüge angewiesen sind. Nun fürchten die betroffenen Kommunen Angebotsverschlechterungen gegenüber dem Status Quo auch nach Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke. Die Kreispolitiker formulieren deshalb einen Forderungskatalog an Staatsregierung und den Landtag.

"Über all die Jahre haben wir nur Vertröstungen gehört", empörte sich Grünen-Kreisrat Jan Halbauer jüngst im Energie- und Umweltausschusses des Kreistags. Dass ohnehin erst nach Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke Verbesserungen für den Westen des Landkreises kommen sollen, sei "ernüchternd". Die zweite Stammstrecke werde "haufenweise Geld aus dem System saugen", das anderswo gebraucht würde. Dass sich das Angebot auf den Außenästen nach der Fertigstellung der zweiten Stammstrecke verschlechtert, dem wollen die Kreispolitiker nun mit ihrem interfraktionellen Vorgehen vorbauen. Dem Votum des vorberatenden Kreisausschusses folgten nun ebenfalls einstimmig gefasste Forderungen des Kreistags.

Der Unmut über die Abläufe im Schienenverkehr ist inzwischen in allen Parteien vorhanden. "Für die Region ist es elementar notwendig, dass solidarisches Handeln zustande kommt", sagt Hubert Ficker (CSU), Kreistagsreferent für den ländlichen Raum. Deshalb sei es wichtig, "dass der Landkreis dahintersteht und es nicht eine Forderung einzelner Gemeinden ist".

Wann die zweite Stammstrecke fertig sein wird, ist noch unklar. Erst galt 2026 als Zielmarke, dann 2028. Manche sprechen sogar von 2032. Viele Stationen im Landkreis würden dann von Angebotsreduzierungen betroffen sein, am schlimmsten jene im Nordwesten, warnte Halbauer. Dabei müsse man, "um die Verkehrswende voranzubringen und mehr Menschen auf die Schiene zu bringen", das Angebot verbessern, forderte der Grünen-Kreisrat.

Auf der Strecke zwischen Münchner Flughafen und Augsburg soll den Bahnplänen folgend dann jede Stunde eine neue Regional-S-Bahn S 23X fahren. Für die Menschen in Althegnenberg und Haspelmoor, wo es keinen S-Bahn-Anschluss, sondern nur Regionalzughalte gibt, könnte dies längere Fahrzeiten bedeuten, weil die S 23X auch die Bahnhöfe Maisach, Olching, Gröbenzell, Pasing und Laim anfahren soll. Im Gegenzug sollen Regionalzüge dann nicht mehr zwischen Mering (Landkreis Aichach-Friedberg) und München-Pasing halten. Auch am S-Bahnhof Mammendorf, der als Endstation der S 3 eine Schnittstelle für den Umstieg zwischen S-Bahn, Regionalzug und Bus ist, würde sich die Zahl der Zughalte pro Tag verschlechtern.

Mammendorfs Bürgermeister und FW-Kreisrat Josef Heckl fasste die Sorgen jetzt in der Kreistagssitzung zusammen: "Wir befürchten, dass wir durch die Einführung der Express-S-Bahn die Verlierer des zweiten Tunnels sein werden." Der Verkehrsausschuss der Gemeinden im nordwestlichen Landkreis, der sich seit seiner Gründung 1973 für deren Belange in Sachen Personennahverkehr einsetzt, lehnte die Pläne für die S 23X bereits ab, weil er längere Fahrzeiten zum Münchner Hauptbahnhof und vermehrt Verspätungen befürchtet, zumal sich Fernverkehr, Regionalzüge, S 23X, S 3 sowie sieben Güterzüge die Strecke teilen müssten.

Das Missfallen über die Verkehrspolitik ist schon lange groß in den betroffenen Gemeinden. 1987 waren sämtliche Regionalzughalte an Sonn- und Feiertagen gestrichen worden. 1990 wollte man wegen des damals neuen ICE-Betriebs auf alle Nahverkehrszughalte verzichten. Immerhin fünf Zughalte am Tag wurden zunächst erhalten. Die 1992 von der Deutschen Bahn geplante Zusammenlegung der Bahnhöfe Althegnenberg und Haspelmoor konnte auf politischem Weg verhindert werden. Eine verbesserte Anbindung an die Regionalzüge aber sei, so hieß es damals, erst nach einem viergleisigen Ausbau möglich. 1998 wurde ein Stundentakt für die Regionalzuganbindung nach München und Augsburg zugesagt - und bis heute nicht verwirklicht. Ein Großteil der Regionalzüge fährt ohne Halt an den drei Bahnhöfen vorbei. Sporadisch kamen zusätzliche Regionalhalte im Lauf der Zeit hinzu, zuletzt im Jahr 2017. Für erhebliches Unverständnis bei den betroffenen Kommunen und den Fahrgästen sorgt zudem die Tatsache, dass es für die Bahnhöfe entlang der Strecke im Kreis Aichach-Friedberg - Kissing, Mering und Sankt Afra - schon seit langem ein deutlich besseres Angebot gibt.

Die Fürstenfeldbrucker Kreisräte fordern deshalb, dass es für die Bahnhöfe Althegnenberg, Haspelmoor und Mammendorf zumindest nicht zu Angebotsverschlechterungen kommen darf und sie auch nicht schlechter gestellt werden als die Bahnhöfe im Nachbarlandkreis. Zudem sollen in der morgendlichen Hauptverkehrszeit zwischen 6.30 und 7.30 Uhr ein weiterer Regionalzug dort halten und in Mammendorf mindestens vier Zughalte pro Stunde von und nach München erhalten werden. Weiter dringen die Politiker darauf, den Bahnsteig am Bahnhof Haspelmoor möglichst schnell barrierefrei auszubauen. Die Bahnunterführung dort sei die einzige Verbindung zwischen dem Norden und Süden des von der Bahnlinie durchschnittenen Ortes, machte CSU-Kreisrat Johann Wörle klar. 90 Prozent der Bewohner von Haspelmoor lebten nördlich der Bahnlinie, die Busse aber würden alle im Süden abfahren.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5491265
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.12.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.