Süddeutsche Zeitung

Bahnausbau:Das Unbehagen wächst

Immer mehr Politiker und Verbände fordern einen viergleisigen Ausbau der S 4, bloß die Regierung sperrt sich. Das Verkehrsministerium sträubt sich außerdem gegen einen barrierefreien Außenbahnsteig in Puchheim

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Die Debatte um den Ausbau des Bahn zwischen Pasing und Bruck geht weiter. Die Bürgerinitiative "S 4-Ausbau jetzt" hat ein neues Positionspapier verabschiedet. Sie lehnt einen dreigleisigen Ausbau nicht komplett ab, beharrt aber darauf, dass dieser so erfolgen muss, dass ein viertes Gleis später ergänzt werden kann, ohne dass Brücken, Bahnhöfe oder Straßen wieder abgerissen werden müssen. Dagegen berichtete der Puchheimer Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) von einem Gespräch im Ministerium, das drei Gleise für völlig ausreichend hält.

Ursprünglich sollte die Strecke zwischen Pasing und Buchenau bis 2009 viergleisig ausgebaut werden. Offiziell seit 2014 hält die Staatsregierung drei Gleise bis Eichenau für ausreichend, nur die Bürgerinitiative protestierte, weil sie die Kapazität für nicht ausreichend hält. Inzwischen haben Kommunalpolitiker, Beiräte sowie Umweltverbände diese Position übernommen. Der Puchheimer Stadtrat votierte Anfang Mai mit den Stimmen von CSU dafür. Die Freien Wähler um den Landtagsabgeordneten Hans Friedl aus Alling, immerhin Koalitionspartner in der Landesregierung, setzen sich für vier Gleise ein.

Die Bürgerinitiative möchte einen weiteren jahrelangen Stillstand vermeiden und wäre deshalb zufrieden, wenn vorerst nur ein drittes Gleis verlegt würde, allerdings mit "Aufwärtskompatibilität" auf vier Gleise. Selbst das haben Vertreter der Staatsregierung aber abgelehnt. Außerdem fordert die Bürgerinitiative, den Engpass vor Pasing sofort zu beseitigen. Dort steht auf einem mehrere hundert Meter langen Abschnitt sogar nur ein Gleis für den Fern- und Regionalverkehr sowie die S-Bahnen stadteinwärts zur Verfügung. Der Ausbau am Westkopf Pasing müsse "unabhängig von anderen Projekten möglichst schnell realisiert werden", heißt es in dem Positionspapier. Außerdem fordert die Gruppe im Sinne der Transparenz, alle bisherigen Nutzen-Kosten-Analysen zum Ausbau der S4-West und der Grundlagen der Planung offenzulegen. Eine Kosten-Nutzen-Analyse war noch 2012 unter Minister Martin Zeil (FDP) erarbeitet worden, blieb aber unter Verschluss. Zeil ließ lediglich eine Zusammenfassung veröffentlichen.

Keine erfreulichen Nachrichten brachten dagegen die Bürgermeister von einem Treffen im Verkehrsministerium mit, das Anfang Juli stattgefunden hat. Hans Reichart (CSU) hatte sowieso keine Zeit für sie. Der Ministerialdirigent für den Verkehrsbereich machte den Rathauschefs von Bruck, Eichenau, Emmering und Puchheim deutlich, dass die Regierung drei Gleise immer noch für ausreichend hält, berichtete Norbert Seidl im Stadtrat. Zur Frage der "Aufwärtskompatibilität" habe das Ministerium keine Stellungnahme abgeben können. Seidl hatte das Treffen arrangiert.

Die DB Netz prüfe lediglich im Auftrag der Staatsregierung noch eine Wunschliste mit 37 Punkten, darunter eine neue Station für Emmering, einen dreigleisigen Ausbau bis Bruck sowie eine zweite Fußgängerunterführung am dortigen Bahnhof, erzählte der Brucker Oberbürgermeister Erich Raff (CSU) der SZ. Das sei bereits bei einem Treffen im Herbst 2018 vereinbart worden, die Ergebnisse sollen bis Herbst 2020 vorliegen.

Das Landratsamt berichtet von einem Besuch von Vertretern der DB Netz Mitte Juli. Die Mitarbeiter haben in den vergangenen Wochen in Rathäusern und in der Kreisbehörde den Planungsstand erläutert. Demnach ist der Ausbau in drei Planungsabschnitte aufgeteilt: einen viergleisigen Ausbau bei der Ein- und Ausfahrt in Pasing, drei Gleise bis Eichenau und eine Blockverdichtung bis Buchenau.

Widersprüchlich sind die Aussagen zum barrierefreien Umbau des Bahnhofs in Puchheim. Seidl berichtete, der Ministerialdirigent habe erklärt, die geplante Unterführung mit Aufzügen zum Mittelbahnsteig, der halbseitig erhöht würde, sei "regelkonform". Was darüber hinausginge würde eine Rüge vom Rechnungshof nach sich ziehen. Würde man tatsächlich noch die Variante mit dem Außenbahnsteig prüfen, den Senioren- und Behindertenbeirat sowie der Stadtrat favorisieren, käme es zu einer Verzögerung des Umbaus, auch die Finanzierung wäre nicht mehr gesichert.

Die Forderung des Ministeriums, der Stadtrat solle noch einmal klar formulieren, was er möchte, löste im Gremium Hohngelächter aus. Der Vorsitzende des Behindertenbeirates, Richard Ullmann, kritisierte hingegen, der Antrag des Stadtrates sei "nicht stringent genug" formuliert. Das Gremium hatte Anfang Mai einen Beschluss gefasst, in dem sowohl von der Fußgängerunterführung die Rede ist, als auch der Außenbahnsteig gefordert wird. Eine Minderheit hatte vor der Abstimmung vor einem Eigentor gewarnt.

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Quelle:
SZ vom 30.07.2019
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