Süddeutsche Zeitung

Bahn-Lärm:Güterzüge vorm Fenster

Die Anwohner der Ascherbachstraße in Olching leiden unter dem Lärm vom Bahndamm. Vor Gericht haben sie jetzt einen ersten Erfolg erzielt

Von Andreas Ostermeier

Güterzüge verursachen viel Lärm. Erst recht, wenn sie in kaum 20 Meter Entfernung und auf einem Damm erhöht vor den Fenstern eines Hauses vorbeifahren. Die Güterverkehrsstrecke, die zwischen Olching und Gröbenzell verläuft, ist so ein Lärmbringer. Auf Gröbenzeller Seite ist es für die Anlieger ruhiger geworden, denn zwischen Bahndamm und ihren Häusern steht eine Lärmschutzwand. Den Anwohnern der Ascherbachstraße auf Olchinger Seite fehlt dagegen so ein Lärmschutz. Das will sich das Ehepaar Anna und Udo Wagle nicht länger gefallen lassen. Vor dem Landgericht München II haben die beiden Olchinger jetzt einen ersten Erfolg erzielt. Das Gericht beauftragt einen Gutachter, den Lärm, dem die Wagles und ihre Nachbarn ausgesetzt sind, zu messen.

Bei so manchem Güterzug, der vorbeifahre, könne er den Ton des Fernsehers nicht mehr hören, erzählt Udo Wagle. Auch nachts werden die Eheleute im Schaf gestört - nicht nur durch Züge, sondern auch durch Arbeiten an den Gleisen. Erst kürzlich sei neuer Schotter auf die Strecke gekommen. "Da stand ich senkrecht im Bett", sagt Wagle.

Rechtsanwalt Ewald Zachmann, der die Eheleute vor Gericht vertritt, bezeichnet die Lärmbelästigung seiner Mandanten als "unerträglich". Und seit die Bahn den Bewuchs des Dammes gegenüber des Grundstücks abholzen ließ, sei es noch schlimmer geworden. Jetzt hören die Wagles nicht nur die von München kommenden Güterzüge, sondern auch die auf dem Gegengleis rollenden Waggons. Denn die Bäume, die früher zwischen den beiden Gleissträngen standen, sind entfernt worden. Dicke hohe Bäume waren das laut Wagle, die einen Teil des Lärms abgehalten hätten. Dazu kommt die Schallwand auf Gröbenzeller Seite. Wagle bezweifelt die Aussage der Bahn, die Wand schlucke sämtlichen Schall, so dass nichts davon auf die Gegenseite reflektiert werde.

Der Anwohner hat auch schon private Lärmmessungen unternommen. Vor Gericht werden diese allerdings nicht anerkannt. Rechtsanwalt Zachmann zeigt sich aber zuversichtlich, dass auch der Gutachter feststellen wird, dass die Anlieger der Bahnstrecke erheblichen Lärm zu ertragen haben, zumal die Strecke zunehmend mehr befahren werde. Seit etwa 25 Jahren wohnen die Wagles an der Ecke Ascherbachstraße/Föhrenweg. Früher sei selten ein Güterzug gefahren, erzählt Wagle. Das hat sich geändert.

Anstatt einer Wand hat die Bahn den Anwohnern auf Olchinger Seite einen passiven Lärmschutz angeboten. Das könnten beispielsweise Schallschutzfenster sein. Bahnsprecher Bernd Honerkamp sagt, eine Schallschutzwand wie auf der Gröbenzeller Seite komme nicht in Frage, da die Zahl der betroffenen Anlieger zu gering sei und sich eine Schutzwand nach Kosten-Nutzen-Berechnungen nicht rentiere. Wagles wollen auf das Angebot der Bahn aber nicht eingehen, weil sie nur ein Fenster pro Stockwerk bekämen und ein Drittel der Kosten auch noch selbst tragen müssten. Udo Wagle bleibt dabei: Er will eine Wand haben, wie sie auch ein Stück weiter zum Schutz der neuen Wohnsiedlung auf dem früheren Mannesmann-Gelände errichtet wird.

Bahnsprecher Bernd Honerkamp betont hingegen, dass die Errichtung einer Lärmschutzwand an einer Strecke, die schon länger besteht, eine freiwillige Leistung der Bahn sei. Rechtsanwalt Zachmann bezweifelt, dass diese Regelung für den vorliegenden Fall gilt. Er beruft sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Demnach hätten seine Mandanten wegen der erheblichen Lärmbelästigung einen Anspruch darauf, durch einen Wall geschützt zu werden. Sei das nicht möglich, müssten die Anlieger entschädigt werden, weil die Lärmbelästigung einem "enteignungsgleichen Eingriff" entspreche, sagt Ewald Zachmann.

Der Anspruch gelte vor allem dann, wenn für eine Bahnstrecke keine Planfeststellung vorliege. So wie im Olchinger Fall. Denn die Güterverkehrsstrecke ist Ende der Dreißigerjahre gebaut worden. Ein Planfeststellungsverfahren, in dem auch Anlieger ein Wort mitzureden haben, war seinerzeit unbekannt. Derartige Verfahren, wie sie heute selbstverständlich sind, wurden erst in der Bundesrepublik eingeführt.

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Quelle:
SZ vom 24.03.2014
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